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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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solche verfallen, deren Heilung erschwert wird. Kraft und Athem
sind die wahren Kriterien für die Condition des Ge-
brauchspferdes, ob rund ob eckig, ob kurz- ob lang-
haarig, es gilt uns gleich, wir verlangen Leistungen
.
Tägliche anhaltende Bewegungen, im Frühjahr so weit gesteigert,
dass die ausgebildete Eskadron im Galopp, zu 500 Schritt
in der Minute, eine englische Meile zurücklegen kann,
und dann noch Athem zu einem kräftigen Choc hat, ist das vor-
gesteckte Ziel der Ausbildung
.

Die Pferde müssen ferner so gewöhnt werden, dass sie sich
mit einem Morgen- und Abendfutter begnügen, indem
weder der Marsch noch die Campagne zum Mittagsfutter Zeit lässt.

Das Füttern von Häcksel ist nicht zu dulden. Wer
kann in der Campagne die Häcksellade mit sich führen? Ohne
einen natürlichen Training, der durch Uebungs-
märsche vorbereitet, durch anhaltend starke Gänge
gegeben wird
, der die Muskeln stählt, dem Thiere den unnützen
Ballast von Fett nimmt, die Lungen übt und stärkt, ist das Ca-
valleriepferd weder zu Märschen noch zu den Fati-
guen des Feldzuges vorbereitet und ausser Stande,
dieselben zu ertragen
.

Beide, sich so scharf entgegenstehende Ansichten haben ihre
schönen Seiten, doch, wie wenig auch sonst Freund von Halb-
heiten
, muss ich mich zwischen beide Parteien stellen und glaube,
dass weder die Einen, noch die Anderen den Umstän-
den in vollem Masse Rechnung getragen haben
. Ich
erlaube mir über diejenigen Punkte, welche mir zweifelhaft
scheinen, eine nähere Betrachtung anzustellen.

Anstrengungen, bis zu einem gewissen Grade getrieben,
stählen und kräftigen den Körper. Dieser ist ferner bis zu einem
gewissen Grade gegen die Witterungseinflüsse abzuhärten;
über diesen Grad hinaus consumirt die Anstrengung den
Körper, und ruinirt ihn der Witterungseinfluss. Dieser
Grad ist aber nicht nur bei jedem einzelnen Thiere ein an-
derer
, sondern hängt ausserdem auch bei jedem einzelnen Indivi-
duum von der augenblicklichen Disposition ab. Es ist
darum äusserst schwer zu beurtheilen, wie weit man bei
beiden gehen kann, und es gehört ein sorgfältigeres Indi-
vidualisiren und demgemässes Modifiziren dazu, als
es die gemeinschaftlichen Uebungen einer Menge von
140 Pferden
, wie sie unter ein einheitliches Commando gestellt

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solche verfallen, deren Heilung erschwert wird. Kraft und Athem
sind die wahren Kriterien für die Condition des Ge-
brauchspferdes, ob rund ob eckig, ob kurz- ob lang-
haarig, es gilt uns gleich, wir verlangen Leistungen
.
Tägliche anhaltende Bewegungen, im Frühjahr so weit gesteigert,
dass die ausgebildete Eskadron im Galopp, zu 500 Schritt
in der Minute, eine englische Meile zurücklegen kann,
und dann noch Athem zu einem kräftigen Choc hat, ist das vor-
gesteckte Ziel der Ausbildung
.

Die Pferde müssen ferner so gewöhnt werden, dass sie sich
mit einem Morgen- und Abendfutter begnügen, indem
weder der Marsch noch die Campagne zum Mittagsfutter Zeit lässt.

Das Füttern von Häcksel ist nicht zu dulden. Wer
kann in der Campagne die Häcksellade mit sich führen? Ohne
einen natürlichen Training, der durch Uebungs-
märsche vorbereitet, durch anhaltend starke Gänge
gegeben wird
, der die Muskeln stählt, dem Thiere den unnützen
Ballast von Fett nimmt, die Lungen übt und stärkt, ist das Ca-
valleriepferd weder zu Märschen noch zu den Fati-
guen des Feldzuges vorbereitet und ausser Stande,
dieselben zu ertragen
.

Beide, sich so scharf entgegenstehende Ansichten haben ihre
schönen Seiten, doch, wie wenig auch sonst Freund von Halb-
heiten
, muss ich mich zwischen beide Parteien stellen und glaube,
dass weder die Einen, noch die Anderen den Umstän-
den in vollem Masse Rechnung getragen haben
. Ich
erlaube mir über diejenigen Punkte, welche mir zweifelhaft
scheinen, eine nähere Betrachtung anzustellen.

Anstrengungen, bis zu einem gewissen Grade getrieben,
stählen und kräftigen den Körper. Dieser ist ferner bis zu einem
gewissen Grade gegen die Witterungseinflüsse abzuhärten;
über diesen Grad hinaus consumirt die Anstrengung den
Körper, und ruinirt ihn der Witterungseinfluss. Dieser
Grad ist aber nicht nur bei jedem einzelnen Thiere ein an-
derer
, sondern hängt ausserdem auch bei jedem einzelnen Indivi-
duum von der augenblicklichen Disposition ab. Es ist
darum äusserst schwer zu beurtheilen, wie weit man bei
beiden gehen kann, und es gehört ein sorgfältigeres Indi-
vidualisiren und demgemässes Modifiziren dazu, als
es die gemeinschaftlichen Uebungen einer Menge von
140 Pferden
, wie sie unter ein einheitliches Commando gestellt

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[288/0310] Anhang. solche verfallen, deren Heilung erschwert wird. Kraft und Athem sind die wahren Kriterien für die Condition des Ge- brauchspferdes, ob rund ob eckig, ob kurz- ob lang- haarig, es gilt uns gleich, wir verlangen Leistungen. Tägliche anhaltende Bewegungen, im Frühjahr so weit gesteigert, dass die ausgebildete Eskadron im Galopp, zu 500 Schritt in der Minute, eine englische Meile zurücklegen kann, und dann noch Athem zu einem kräftigen Choc hat, ist das vor- gesteckte Ziel der Ausbildung. Die Pferde müssen ferner so gewöhnt werden, dass sie sich mit einem Morgen- und Abendfutter begnügen, indem weder der Marsch noch die Campagne zum Mittagsfutter Zeit lässt. Das Füttern von Häcksel ist nicht zu dulden. Wer kann in der Campagne die Häcksellade mit sich führen? Ohne einen natürlichen Training, der durch Uebungs- märsche vorbereitet, durch anhaltend starke Gänge gegeben wird, der die Muskeln stählt, dem Thiere den unnützen Ballast von Fett nimmt, die Lungen übt und stärkt, ist das Ca- valleriepferd weder zu Märschen noch zu den Fati- guen des Feldzuges vorbereitet und ausser Stande, dieselben zu ertragen. Beide, sich so scharf entgegenstehende Ansichten haben ihre schönen Seiten, doch, wie wenig auch sonst Freund von Halb- heiten, muss ich mich zwischen beide Parteien stellen und glaube, dass weder die Einen, noch die Anderen den Umstän- den in vollem Masse Rechnung getragen haben. Ich erlaube mir über diejenigen Punkte, welche mir zweifelhaft scheinen, eine nähere Betrachtung anzustellen. Anstrengungen, bis zu einem gewissen Grade getrieben, stählen und kräftigen den Körper. Dieser ist ferner bis zu einem gewissen Grade gegen die Witterungseinflüsse abzuhärten; über diesen Grad hinaus consumirt die Anstrengung den Körper, und ruinirt ihn der Witterungseinfluss. Dieser Grad ist aber nicht nur bei jedem einzelnen Thiere ein an- derer, sondern hängt ausserdem auch bei jedem einzelnen Indivi- duum von der augenblicklichen Disposition ab. Es ist darum äusserst schwer zu beurtheilen, wie weit man bei beiden gehen kann, und es gehört ein sorgfältigeres Indi- vidualisiren und demgemässes Modifiziren dazu, als es die gemeinschaftlichen Uebungen einer Menge von 140 Pferden, wie sie unter ein einheitliches Commando gestellt

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/310>, abgerufen am 18.04.2024.