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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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Einleitung.
und dem Arkan, werden Scheu und Argwohn, oft auch Hass gegen
ihn hegen, und von den uns in die Hände kommenden am schwer-
sten zu behandeln sein. So interessant auch ihre Zähmungsdressur
ist, so werden wir von derselben Abstand nehmen. Das Werk
des k. k. Rittmeister Balassa: "Die Zähmung des Pferdes" (Wien,
Carl Gerold, 1835) giebt darüber sehr gediegene Unterweisung.
3. Weidepferde, welche die grössere Hälfte des Jahres auf der
Weide zubringen. 4. Stallpferde, welche nur ausnahmsweise
aufs Gras kommen.

Je näher der Umgang der Thiere von Geburt an mit dem
Menschen war, um so mehr wird das Verständnissvermögen sich aus-
gebildet haben. Die Pferde der Nomadenstämme, bei welchen sie
als Familienglieder betrachtet werden, unterscheiden die einzelnen
Personen, hören auf ihren Namen, kennen die Bedeutung vieler
Wörter, lassen sich leicht handhaben und geben sich vertraulich
dem Menschen hin. Das wilde und halbwilde Pferd sieht in ihm
seinen Zwingherrn, der es seinem Stamme, der unbeschränkten
Freiheit entriss, es im dumpfen Stalle anfesselt und zum Dienste
zwingt. Voller Misstrauen und Scheu kann es trotz Hunger und
Durst sich kaum entschliessen, den Hafer, das Wasser zu berühren,
welches dessen Hand ihm reicht. Wie viel Zeit und Mühe kostet
es, mit diesen Thieren durch Dressur zu dem Grade von Ver-
ständniss zu kommen, in dem wir das Stallpferd finden.

Durch die Sinne nimmt das Thier die Zeichen wahr, wo-
durch der Mensch ihm seinen Willen kund thut. Das Auf-
merken, das Erstaunen
ist der erste Moment des Wahr-
nehmens. Die grössere oder geringere Empfänglichkeit der
Sinne für äussere Eindrücke wird für die Stärke der Zeichen
massgebend sein, die Schnelligkeit und Schärfe des Ver-
standes
aber die Schnelligkeit und Schärfe des Erkennens bestim-
men. Phlegma und Flatterhaftigkeit sind die Feinde des
Aufmerkens. Das Phlegma, das sich in dumpfer Trägheit, in
träumerischem Hinbrüten und in Gefühllosigkeit bemerkbar macht,
ist theils eine Eigenschaft der gemeineren Racen, theils
aber eine Krankheitserscheinung, die in der Leber, den
Verdauungs- und Hirnorganen ihren Sitz hat und im Dummkoller
ihre Spitze findet, endlich aber, wie bei rossigen Stuten etc.,
geschlechtlicher Natur. Wo Krankheit der Grund ist, muss der

Einleitung.
und dem Arkan, werden Scheu und Argwohn, oft auch Hass gegen
ihn hegen, und von den uns in die Hände kommenden am schwer-
sten zu behandeln sein. So interessant auch ihre Zähmungsdressur
ist, so werden wir von derselben Abstand nehmen. Das Werk
des k. k. Rittmeister Balassa: „Die Zähmung des Pferdes“ (Wien,
Carl Gerold, 1835) giebt darüber sehr gediegene Unterweisung.
3. Weidepferde, welche die grössere Hälfte des Jahres auf der
Weide zubringen. 4. Stallpferde, welche nur ausnahmsweise
aufs Gras kommen.

Je näher der Umgang der Thiere von Geburt an mit dem
Menschen war, um so mehr wird das Verständnissvermögen sich aus-
gebildet haben. Die Pferde der Nomadenstämme, bei welchen sie
als Familienglieder betrachtet werden, unterscheiden die einzelnen
Personen, hören auf ihren Namen, kennen die Bedeutung vieler
Wörter, lassen sich leicht handhaben und geben sich vertraulich
dem Menschen hin. Das wilde und halbwilde Pferd sieht in ihm
seinen Zwingherrn, der es seinem Stamme, der unbeschränkten
Freiheit entriss, es im dumpfen Stalle anfesselt und zum Dienste
zwingt. Voller Misstrauen und Scheu kann es trotz Hunger und
Durst sich kaum entschliessen, den Hafer, das Wasser zu berühren,
welches dessen Hand ihm reicht. Wie viel Zeit und Mühe kostet
es, mit diesen Thieren durch Dressur zu dem Grade von Ver-
ständniss zu kommen, in dem wir das Stallpferd finden.

Durch die Sinne nimmt das Thier die Zeichen wahr, wo-
durch der Mensch ihm seinen Willen kund thut. Das Auf-
merken, das Erstaunen
ist der erste Moment des Wahr-
nehmens. Die grössere oder geringere Empfänglichkeit der
Sinne für äussere Eindrücke wird für die Stärke der Zeichen
massgebend sein, die Schnelligkeit und Schärfe des Ver-
standes
aber die Schnelligkeit und Schärfe des Erkennens bestim-
men. Phlegma und Flatterhaftigkeit sind die Feinde des
Aufmerkens. Das Phlegma, das sich in dumpfer Trägheit, in
träumerischem Hinbrüten und in Gefühllosigkeit bemerkbar macht,
ist theils eine Eigenschaft der gemeineren Racen, theils
aber eine Krankheitserscheinung, die in der Leber, den
Verdauungs- und Hirnorganen ihren Sitz hat und im Dummkoller
ihre Spitze findet, endlich aber, wie bei rossigen Stuten etc.,
geschlechtlicher Natur. Wo Krankheit der Grund ist, muss der

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[41/0063] Einleitung. und dem Arkan, werden Scheu und Argwohn, oft auch Hass gegen ihn hegen, und von den uns in die Hände kommenden am schwer- sten zu behandeln sein. So interessant auch ihre Zähmungsdressur ist, so werden wir von derselben Abstand nehmen. Das Werk des k. k. Rittmeister Balassa: „Die Zähmung des Pferdes“ (Wien, Carl Gerold, 1835) giebt darüber sehr gediegene Unterweisung. 3. Weidepferde, welche die grössere Hälfte des Jahres auf der Weide zubringen. 4. Stallpferde, welche nur ausnahmsweise aufs Gras kommen. Je näher der Umgang der Thiere von Geburt an mit dem Menschen war, um so mehr wird das Verständnissvermögen sich aus- gebildet haben. Die Pferde der Nomadenstämme, bei welchen sie als Familienglieder betrachtet werden, unterscheiden die einzelnen Personen, hören auf ihren Namen, kennen die Bedeutung vieler Wörter, lassen sich leicht handhaben und geben sich vertraulich dem Menschen hin. Das wilde und halbwilde Pferd sieht in ihm seinen Zwingherrn, der es seinem Stamme, der unbeschränkten Freiheit entriss, es im dumpfen Stalle anfesselt und zum Dienste zwingt. Voller Misstrauen und Scheu kann es trotz Hunger und Durst sich kaum entschliessen, den Hafer, das Wasser zu berühren, welches dessen Hand ihm reicht. Wie viel Zeit und Mühe kostet es, mit diesen Thieren durch Dressur zu dem Grade von Ver- ständniss zu kommen, in dem wir das Stallpferd finden. Durch die Sinne nimmt das Thier die Zeichen wahr, wo- durch der Mensch ihm seinen Willen kund thut. Das Auf- merken, das Erstaunen ist der erste Moment des Wahr- nehmens. Die grössere oder geringere Empfänglichkeit der Sinne für äussere Eindrücke wird für die Stärke der Zeichen massgebend sein, die Schnelligkeit und Schärfe des Ver- standes aber die Schnelligkeit und Schärfe des Erkennens bestim- men. Phlegma und Flatterhaftigkeit sind die Feinde des Aufmerkens. Das Phlegma, das sich in dumpfer Trägheit, in träumerischem Hinbrüten und in Gefühllosigkeit bemerkbar macht, ist theils eine Eigenschaft der gemeineren Racen, theils aber eine Krankheitserscheinung, die in der Leber, den Verdauungs- und Hirnorganen ihren Sitz hat und im Dummkoller ihre Spitze findet, endlich aber, wie bei rossigen Stuten etc., geschlechtlicher Natur. Wo Krankheit der Grund ist, muss der

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/63>, abgerufen am 23.04.2024.