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Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856.

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I. Abschnitt. Zweites Kapitel.
die seit ihrem zweiten Jahre trainirt, auf der Rennbahn nichts
leisteten und von dort nur ein verwöhntes Fell, aufgeregte
Nerven, verdorbenen Magen
und zu Grunde gerichtete
Beine
mitbringen. Es lohnt sich wahrlich nicht der grossen Mühe
und Geduld, welche erforderlich sind, bei so reizbaren Thieren eine
gänzliche Umgestaltung ihrer Haltung vorzunehmen. Beim Tumult
des Manövers werden sie, in fieberhafte Aufregung gerathend,
Ströme von Schweiss vergiessen, Stunden lang nachher im Stalle
in ihrem Nachschweisse zitternd, die Ohren nach neuen Schreck-
nissen spitzen, und das Futter verachtend und schlecht verdauend,
bald zum Skelett abmagern, und eher verenden, als durch Ermü-
dung sich beruhigen. -- Nur keine reizbare Nerven, weder bei --
Frauen, noch Pferden.

Missverstehen ist die unrichtige Auffassung, --
das Verkennen des gegebenen Zeichens
. Dasselbe ist
theilweise in dem noch nicht genügend entwickelten Erkennungs-
vermögen, theilweise in Scheu und Misstrauen von Seiten des
Thieres; von Seiten des Menschen aber in dem unrichtigen An-
passen der Zeichen in Beziehung ihrer Wirkung an sich, oder auf
das Auffassungsvermögen des Pferdes begründet.


Zweites Kapitel.

Von den Zeichen im Allgemeinen.

Was die Zeichen selbst betrifft, durch welche der Mensch
dem Thiere seinen Willen mittheilt, so sind dieselben, ihrer Ver-
ständlichkeit nach, sehr verschiedener Natur.

Als die verständlichsten erscheinen die, welche auf jeden, selbst
leblosen Körper, unmittelbar die Wirkung dessen, was verlangt
wird, hervorbringen. Man würde sie mechanische nennen können.
Fasst man z. B. das Thier an den Kopf und zieht es fort, so wird
es nicht im Zweifel sein, was man fordert. Andere werden dem
Thiere durch den Instinkt verständlich, welcher es lehrt, das
Angenehme zu suchen und den Schmerz zu fliehen. Es läuft vor

I. Abschnitt. Zweites Kapitel.
die seit ihrem zweiten Jahre trainirt, auf der Rennbahn nichts
leisteten und von dort nur ein verwöhntes Fell, aufgeregte
Nerven, verdorbenen Magen
und zu Grunde gerichtete
Beine
mitbringen. Es lohnt sich wahrlich nicht der grossen Mühe
und Geduld, welche erforderlich sind, bei so reizbaren Thieren eine
gänzliche Umgestaltung ihrer Haltung vorzunehmen. Beim Tumult
des Manövers werden sie, in fieberhafte Aufregung gerathend,
Ströme von Schweiss vergiessen, Stunden lang nachher im Stalle
in ihrem Nachschweisse zitternd, die Ohren nach neuen Schreck-
nissen spitzen, und das Futter verachtend und schlecht verdauend,
bald zum Skelett abmagern, und eher verenden, als durch Ermü-
dung sich beruhigen. — Nur keine reizbare Nerven, weder bei —
Frauen, noch Pferden.

Missverstehen ist die unrichtige Auffassung, —
das Verkennen des gegebenen Zeichens
. Dasselbe ist
theilweise in dem noch nicht genügend entwickelten Erkennungs-
vermögen, theilweise in Scheu und Misstrauen von Seiten des
Thieres; von Seiten des Menschen aber in dem unrichtigen An-
passen der Zeichen in Beziehung ihrer Wirkung an sich, oder auf
das Auffassungsvermögen des Pferdes begründet.


Zweites Kapitel.

Von den Zeichen im Allgemeinen.

Was die Zeichen selbst betrifft, durch welche der Mensch
dem Thiere seinen Willen mittheilt, so sind dieselben, ihrer Ver-
ständlichkeit nach, sehr verschiedener Natur.

Als die verständlichsten erscheinen die, welche auf jeden, selbst
leblosen Körper, unmittelbar die Wirkung dessen, was verlangt
wird, hervorbringen. Man würde sie mechanische nennen können.
Fasst man z. B. das Thier an den Kopf und zieht es fort, so wird
es nicht im Zweifel sein, was man fordert. Andere werden dem
Thiere durch den Instinkt verständlich, welcher es lehrt, das
Angenehme zu suchen und den Schmerz zu fliehen. Es läuft vor

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[44/0066] I. Abschnitt. Zweites Kapitel. die seit ihrem zweiten Jahre trainirt, auf der Rennbahn nichts leisteten und von dort nur ein verwöhntes Fell, aufgeregte Nerven, verdorbenen Magen und zu Grunde gerichtete Beine mitbringen. Es lohnt sich wahrlich nicht der grossen Mühe und Geduld, welche erforderlich sind, bei so reizbaren Thieren eine gänzliche Umgestaltung ihrer Haltung vorzunehmen. Beim Tumult des Manövers werden sie, in fieberhafte Aufregung gerathend, Ströme von Schweiss vergiessen, Stunden lang nachher im Stalle in ihrem Nachschweisse zitternd, die Ohren nach neuen Schreck- nissen spitzen, und das Futter verachtend und schlecht verdauend, bald zum Skelett abmagern, und eher verenden, als durch Ermü- dung sich beruhigen. — Nur keine reizbare Nerven, weder bei — Frauen, noch Pferden. Missverstehen ist die unrichtige Auffassung, — das Verkennen des gegebenen Zeichens. Dasselbe ist theilweise in dem noch nicht genügend entwickelten Erkennungs- vermögen, theilweise in Scheu und Misstrauen von Seiten des Thieres; von Seiten des Menschen aber in dem unrichtigen An- passen der Zeichen in Beziehung ihrer Wirkung an sich, oder auf das Auffassungsvermögen des Pferdes begründet. Zweites Kapitel. Von den Zeichen im Allgemeinen. Was die Zeichen selbst betrifft, durch welche der Mensch dem Thiere seinen Willen mittheilt, so sind dieselben, ihrer Ver- ständlichkeit nach, sehr verschiedener Natur. Als die verständlichsten erscheinen die, welche auf jeden, selbst leblosen Körper, unmittelbar die Wirkung dessen, was verlangt wird, hervorbringen. Man würde sie mechanische nennen können. Fasst man z. B. das Thier an den Kopf und zieht es fort, so wird es nicht im Zweifel sein, was man fordert. Andere werden dem Thiere durch den Instinkt verständlich, welcher es lehrt, das Angenehme zu suchen und den Schmerz zu fliehen. Es läuft vor

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Zitationshilfe: Krane, Friedrich von: Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Münster, 1856, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krane_reitpferd_1856/66>, abgerufen am 25.04.2024.