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Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888.

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wollte dem Vater seine Verlegenheit nicht zeigen. Und
während Daumen und Zeigefinger der rechten Hand sich mit
dem Flaum der Oberlippe beschäftigten, erwiderte er: "Ich
verspreche es Dir!"

"Ich wußte, daß Du es thun würdest, mein Sohn."

Meister Timpe hatte seinem Jungen vergnügt auf die
Schulter geklopft und ihn dann (es war in der Mittagsstunde
beim hellen Sonnenschein eines trocknen Wintertages) durch
den langen Flur nach dem Garten hinaus genöthigt, der sich
hinter dem Häuschen ausdehnte.

Mit diesem Fleckchen Erde hatte Johannes Timpe seine
besonderen Pläne, über welche er nur zu gern
mit seinem Sohne sprach. Da schwirrten die Worte:
"Anbauen . . . . Kleine Fabrik errichten . . . Das Geschäft
kaufmännisch betreiben . . . Seinen Sohn zum Kompagnon
machen ... Neues Vorderhaus errichten . . ." durch die Luft,
so daß Franz seinem Vater mit dem größten Interesse zu¬
hörte; denn man schilderte ihm das Element, in dem er sich
einst zu bewegen gedachte. Befehlen, herrschen, Fabrikbesitzer
spielen -- gewiß, das war das Ziel, dem er zustrebte.

Während aber Johannes Timpe das seinem Sohne ent¬
wickelte, vergaß er niemals den Kopf nach dem Großpapa zu
wenden, der in der Mittagsstunde in dem Rahmen der Hof¬
thür zu stehen pflegte, um die Tauben zu füttern, die girrend
auf seinen Pfiff heran geflogen kamen. Der Drechslermeister
fürchtete seinen Vater, wie Franz ihn haßte.

Was würde er wohl sagen, wenn er Kenntniß von
diesen tollen Plänen bekäme? Er, der sich einen Handwerker
nicht anders vorstellen konnte, als mit zwei oder drei Gehülfen
in der Werkstatt, arbeitend gegen baare Bezahlung, im Besitze

wollte dem Vater ſeine Verlegenheit nicht zeigen. Und
während Daumen und Zeigefinger der rechten Hand ſich mit
dem Flaum der Oberlippe beſchäftigten, erwiderte er: „Ich
verſpreche es Dir!“

„Ich wußte, daß Du es thun würdeſt, mein Sohn.“

Meiſter Timpe hatte ſeinem Jungen vergnügt auf die
Schulter geklopft und ihn dann (es war in der Mittagsſtunde
beim hellen Sonnenſchein eines trocknen Wintertages) durch
den langen Flur nach dem Garten hinaus genöthigt, der ſich
hinter dem Häuschen ausdehnte.

Mit dieſem Fleckchen Erde hatte Johannes Timpe ſeine
beſonderen Pläne, über welche er nur zu gern
mit ſeinem Sohne ſprach. Da ſchwirrten die Worte:
„Anbauen . . . . Kleine Fabrik errichten . . . Das Geſchäft
kaufmänniſch betreiben . . . Seinen Sohn zum Kompagnon
machen ... Neues Vorderhaus errichten . . .“ durch die Luft,
ſo daß Franz ſeinem Vater mit dem größten Intereſſe zu¬
hörte; denn man ſchilderte ihm das Element, in dem er ſich
einſt zu bewegen gedachte. Befehlen, herrſchen, Fabrikbeſitzer
ſpielen — gewiß, das war das Ziel, dem er zuſtrebte.

Während aber Johannes Timpe das ſeinem Sohne ent¬
wickelte, vergaß er niemals den Kopf nach dem Großpapa zu
wenden, der in der Mittagsſtunde in dem Rahmen der Hof¬
thür zu ſtehen pflegte, um die Tauben zu füttern, die girrend
auf ſeinen Pfiff heran geflogen kamen. Der Drechslermeiſter
fürchtete ſeinen Vater, wie Franz ihn haßte.

Was würde er wohl ſagen, wenn er Kenntniß von
dieſen tollen Plänen bekäme? Er, der ſich einen Handwerker
nicht anders vorſtellen konnte, als mit zwei oder drei Gehülfen
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[20/0032] wollte dem Vater ſeine Verlegenheit nicht zeigen. Und während Daumen und Zeigefinger der rechten Hand ſich mit dem Flaum der Oberlippe beſchäftigten, erwiderte er: „Ich verſpreche es Dir!“ „Ich wußte, daß Du es thun würdeſt, mein Sohn.“ Meiſter Timpe hatte ſeinem Jungen vergnügt auf die Schulter geklopft und ihn dann (es war in der Mittagsſtunde beim hellen Sonnenſchein eines trocknen Wintertages) durch den langen Flur nach dem Garten hinaus genöthigt, der ſich hinter dem Häuschen ausdehnte. Mit dieſem Fleckchen Erde hatte Johannes Timpe ſeine beſonderen Pläne, über welche er nur zu gern mit ſeinem Sohne ſprach. Da ſchwirrten die Worte: „Anbauen . . . . Kleine Fabrik errichten . . . Das Geſchäft kaufmänniſch betreiben . . . Seinen Sohn zum Kompagnon machen ... Neues Vorderhaus errichten . . .“ durch die Luft, ſo daß Franz ſeinem Vater mit dem größten Intereſſe zu¬ hörte; denn man ſchilderte ihm das Element, in dem er ſich einſt zu bewegen gedachte. Befehlen, herrſchen, Fabrikbeſitzer ſpielen — gewiß, das war das Ziel, dem er zuſtrebte. Während aber Johannes Timpe das ſeinem Sohne ent¬ wickelte, vergaß er niemals den Kopf nach dem Großpapa zu wenden, der in der Mittagsſtunde in dem Rahmen der Hof¬ thür zu ſtehen pflegte, um die Tauben zu füttern, die girrend auf ſeinen Pfiff heran geflogen kamen. Der Drechslermeiſter fürchtete ſeinen Vater, wie Franz ihn haßte. Was würde er wohl ſagen, wenn er Kenntniß von dieſen tollen Plänen bekäme? Er, der ſich einen Handwerker nicht anders vorſtellen konnte, als mit zwei oder drei Gehülfen in der Werkſtatt, arbeitend gegen baare Bezahlung, im Beſitze

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Zitationshilfe: Kretzer, Max: Meister Timpe. Berlin, 1888, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kretzer_timpe_1888/32>, abgerufen am 29.03.2024.