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Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907.

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Im Jahre 1857 hätte ich nach meinem Platze in der Reihe der pfälz. prot. Pfarramtskandidaten zur Anstellung als Pfarrer gelangen können. Es war schon die mir zugedachte Pfarrstelle (Siebeldingen) bezeichnet. Ich hatte damals gebeten, mich noch länger in St. Ingbert zu belassen unter der Bedingung, dass mir künftig die Dienstjahre als Pfarrer von der Anstellung meines Nachmannes in der Konkursreihe an gerechnet würden. Die Gemeinde überreichte mir als Entschädigung für den Entgang eines höheren Einkommens, das ich als Pfarrer genossen haben würde, ein namhaftes Geldgeschenk (400 Gulden), das freilich kaum ausreichte, meine Baarauslagen für Reisen u. a. zu ersetzen. Nach Vollendung des Kirchenbaues wollte ich die Vikariatsstellung aufgeben. So war denn nach Erreichung dieses Zieles die Zeit meines Abschiedes von der Gemeinde gekommen. Der Abschied geschah ohne Sang und Klang, wurde mir aber recht schwer.

Ich hatte die Gemeinde in ihren Kinderjahren gepflegt. Unter meinen Augen war sie an Seelenzahl fast auf das doppelte gewachsen, äusserlich war ihr Kirchenwesen geordnet und gefestigt, innerlich war ihr geistliches Leben gefördert. Vielen Gliedern der Gemeinde stand ich persönlich nahe, alle kannte ich äusserlich und innerlich ziemlich genau, fast allen hatte ich dienen können, mit wenigen hatte ich Konflikte gehabt und diese hatten sich wieder ausgeglichen. Ich wünschte an dieser Gemeinde weiter arbeiten zu dürfen. Vorläufig ging es nicht an. Ob es später geschehen würde, stand in Gottes Hand. Die 6 Jahre meiner Vikariatszeit in St. Ingbert gehören zu den schönsten meines Lebens. Die letzten Gottesdienste in der stets dichtgefüllten neuen Kirche sind mir unvergesslich. Ich war bewegt von dem bevorstehenden Abschiede, die Gemeinde war bewegt von Freude und sichtlich gesteigerter Andacht und mächtig wogte der Gesang auch ohne Orgelbegleitung, denn wir hatten in der neuen Kirche das neue Gesangbuch in Gebrauch genommen.

Im Jahre 1857 hätte ich nach meinem Platze in der Reihe der pfälz. prot. Pfarramtskandidaten zur Anstellung als Pfarrer gelangen können. Es war schon die mir zugedachte Pfarrstelle (Siebeldingen) bezeichnet. Ich hatte damals gebeten, mich noch länger in St. Ingbert zu belassen unter der Bedingung, dass mir künftig die Dienstjahre als Pfarrer von der Anstellung meines Nachmannes in der Konkursreihe an gerechnet würden. Die Gemeinde überreichte mir als Entschädigung für den Entgang eines höheren Einkommens, das ich als Pfarrer genossen haben würde, ein namhaftes Geldgeschenk (400 Gulden), das freilich kaum ausreichte, meine Baarauslagen für Reisen u. a. zu ersetzen. Nach Vollendung des Kirchenbaues wollte ich die Vikariatsstellung aufgeben. So war denn nach Erreichung dieses Zieles die Zeit meines Abschiedes von der Gemeinde gekommen. Der Abschied geschah ohne Sang und Klang, wurde mir aber recht schwer.

Ich hatte die Gemeinde in ihren Kinderjahren gepflegt. Unter meinen Augen war sie an Seelenzahl fast auf das doppelte gewachsen, äusserlich war ihr Kirchenwesen geordnet und gefestigt, innerlich war ihr geistliches Leben gefördert. Vielen Gliedern der Gemeinde stand ich persönlich nahe, alle kannte ich äusserlich und innerlich ziemlich genau, fast allen hatte ich dienen können, mit wenigen hatte ich Konflikte gehabt und diese hatten sich wieder ausgeglichen. Ich wünschte an dieser Gemeinde weiter arbeiten zu dürfen. Vorläufig ging es nicht an. Ob es später geschehen würde, stand in Gottes Hand. Die 6 Jahre meiner Vikariatszeit in St. Ingbert gehören zu den schönsten meines Lebens. Die letzten Gottesdienste in der stets dichtgefüllten neuen Kirche sind mir unvergesslich. Ich war bewegt von dem bevorstehenden Abschiede, die Gemeinde war bewegt von Freude und sichtlich gesteigerter Andacht und mächtig wogte der Gesang auch ohne Orgelbegleitung, denn wir hatten in der neuen Kirche das neue Gesangbuch in Gebrauch genommen.

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Im Jahre 1857 hätte ich nach meinem Platze in der Reihe der pfälz. prot. Pfarramtskandidaten zur Anstellung als Pfarrer gelangen können. Es war schon die mir zugedachte Pfarrstelle (Siebeldingen) bezeichnet. Ich hatte damals gebeten, mich noch länger in St. Ingbert zu belassen unter der Bedingung, dass mir künftig die Dienstjahre als Pfarrer von der Anstellung meines Nachmannes in der Konkursreihe an gerechnet würden. Die Gemeinde überreichte mir als Entschädigung für den Entgang eines höheren Einkommens, das ich als Pfarrer genossen haben würde, ein namhaftes Geldgeschenk (400 Gulden), das freilich kaum ausreichte, meine Baarauslagen für Reisen u. a. zu ersetzen. Nach Vollendung des Kirchenbaues wollte ich die Vikariatsstellung aufgeben. So war denn nach Erreichung dieses Zieles die Zeit meines Abschiedes von der Gemeinde gekommen. Der Abschied geschah ohne Sang und Klang, wurde mir aber recht schwer.</p>
        <p>Ich hatte die Gemeinde in ihren Kinderjahren gepflegt. Unter meinen Augen war sie an Seelenzahl fast auf das doppelte gewachsen, äusserlich war ihr Kirchenwesen geordnet und gefestigt, innerlich war ihr geistliches Leben gefördert. Vielen Gliedern der Gemeinde stand ich persönlich nahe, alle kannte ich äusserlich und innerlich ziemlich genau, fast allen hatte ich dienen können, mit wenigen hatte ich Konflikte gehabt und diese hatten sich wieder ausgeglichen. Ich wünschte an dieser Gemeinde weiter arbeiten zu dürfen. Vorläufig ging es nicht an. Ob es später geschehen würde, stand in Gottes Hand. Die 6 Jahre meiner Vikariatszeit in St. Ingbert gehören zu den schönsten meines Lebens. Die letzten Gottesdienste in der stets dichtgefüllten neuen Kirche sind mir unvergesslich. Ich war bewegt von dem bevorstehenden Abschiede, die Gemeinde war bewegt von Freude und sichtlich gesteigerter Andacht und mächtig wogte der Gesang auch ohne Orgelbegleitung, denn wir hatten in der neuen Kirche das neue Gesangbuch in Gebrauch genommen.</p>
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[60/0060] Im Jahre 1857 hätte ich nach meinem Platze in der Reihe der pfälz. prot. Pfarramtskandidaten zur Anstellung als Pfarrer gelangen können. Es war schon die mir zugedachte Pfarrstelle (Siebeldingen) bezeichnet. Ich hatte damals gebeten, mich noch länger in St. Ingbert zu belassen unter der Bedingung, dass mir künftig die Dienstjahre als Pfarrer von der Anstellung meines Nachmannes in der Konkursreihe an gerechnet würden. Die Gemeinde überreichte mir als Entschädigung für den Entgang eines höheren Einkommens, das ich als Pfarrer genossen haben würde, ein namhaftes Geldgeschenk (400 Gulden), das freilich kaum ausreichte, meine Baarauslagen für Reisen u. a. zu ersetzen. Nach Vollendung des Kirchenbaues wollte ich die Vikariatsstellung aufgeben. So war denn nach Erreichung dieses Zieles die Zeit meines Abschiedes von der Gemeinde gekommen. Der Abschied geschah ohne Sang und Klang, wurde mir aber recht schwer. Ich hatte die Gemeinde in ihren Kinderjahren gepflegt. Unter meinen Augen war sie an Seelenzahl fast auf das doppelte gewachsen, äusserlich war ihr Kirchenwesen geordnet und gefestigt, innerlich war ihr geistliches Leben gefördert. Vielen Gliedern der Gemeinde stand ich persönlich nahe, alle kannte ich äusserlich und innerlich ziemlich genau, fast allen hatte ich dienen können, mit wenigen hatte ich Konflikte gehabt und diese hatten sich wieder ausgeglichen. Ich wünschte an dieser Gemeinde weiter arbeiten zu dürfen. Vorläufig ging es nicht an. Ob es später geschehen würde, stand in Gottes Hand. Die 6 Jahre meiner Vikariatszeit in St. Ingbert gehören zu den schönsten meines Lebens. Die letzten Gottesdienste in der stets dichtgefüllten neuen Kirche sind mir unvergesslich. Ich war bewegt von dem bevorstehenden Abschiede, die Gemeinde war bewegt von Freude und sichtlich gesteigerter Andacht und mächtig wogte der Gesang auch ohne Orgelbegleitung, denn wir hatten in der neuen Kirche das neue Gesangbuch in Gebrauch genommen.

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Zitationshilfe: Krieger, Ernst: [Lebenserinnerungen des Ernst Krieger]. Um 1907, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krieger_lebenserinnerungen_1907/60>, abgerufen am 24.04.2024.