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Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743.

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Fraul. Wilh. Ums Himmels willen, Mama,
wie können sie solche Gedanken von der
edelsten Wissenschaft hegen? die Philoso-
phen mögen Heyden, Juden oder Türken
seyn, so schadet es ihnen an der Philoso-
phie nicht das geringste, und die Philoso-
phie ändert weiter nichts an ihren Glau-
benslehren, als daß sie das abergläubische
davon absondern, und dieselben richtiger
einsehen lehret. Sie entdecket das schein-
heilige eines unvernünftigen, und auf die
Lehrsätze der Psaffen gebauten Gottesdien-
stes, und lehret ein höchstes Wesen ver-
nünftig verehren.
Fr. v. B. Pfui, schäme dich, die Vernunft
wird von allen Canzeln und Universitäten
verflucht. Ach Wilhelmine! Wilhelmine!
bedenke, was du deiner Mutter für Herze-
leid anthust, ich werde ewig weinen müssen,
(weint) wann ich im Himmel seyn, und
dich mit der Vernunft und allen Philoso-
phen in der Hölle werde brennen sehen.
Achter Auftritt.
Muffel, und die vorigen.
Muffel. (schleicht sich zur Thüre heraus, und
läuft eilend aufs Frauenzimmer zu)
Jch
bin ein demüthiger Knecht von ihnen, gnä-
dige Frau, und von ihnen gleichfalls, gnä-
diges Fräulein. Warum haben sie uns
nicht


Fraul. Wilh. Ums Himmels willen, Mama,
wie koͤnnen ſie ſolche Gedanken von der
edelſten Wiſſenſchaft hegen? die Philoſo-
phen moͤgen Heyden, Juden oder Tuͤrken
ſeyn, ſo ſchadet es ihnen an der Philoſo-
phie nicht das geringſte, und die Philoſo-
phie aͤndert weiter nichts an ihren Glau-
benslehren, als daß ſie das aberglaͤubiſche
davon abſondern, und dieſelben richtiger
einſehen lehret. Sie entdecket das ſchein-
heilige eines unvernuͤnftigen, und auf die
Lehrſaͤtze der Pſaffen gebauten Gottesdien-
ſtes, und lehret ein hoͤchſtes Weſen ver-
nuͤnftig verehren.
Fr. v. B. Pfui, ſchaͤme dich, die Vernunft
wird von allen Canzeln und Univerſitaͤten
verflucht. Ach Wilhelmine! Wilhelmine!
bedenke, was du deiner Mutter fuͤr Herze-
leid anthuſt, ich werde ewig weinen muͤſſen,
(weint) wann ich im Himmel ſeyn, und
dich mit der Vernunft und allen Philoſo-
phen in der Hoͤlle werde brennen ſehen.
Achter Auftritt.
Muffel, und die vorigen.
Muffel. (ſchleicht ſich zur Thuͤre heraus, und
laͤuft eilend aufs Frauenzimmer zu)
Jch
bin ein demuͤthiger Knecht von ihnen, gnaͤ-
dige Frau, und von ihnen gleichfalls, gnaͤ-
diges Fraͤulein. Warum haben ſie uns
nicht
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[72/0076] Fraul. Wilh. Ums Himmels willen, Mama, wie koͤnnen ſie ſolche Gedanken von der edelſten Wiſſenſchaft hegen? die Philoſo- phen moͤgen Heyden, Juden oder Tuͤrken ſeyn, ſo ſchadet es ihnen an der Philoſo- phie nicht das geringſte, und die Philoſo- phie aͤndert weiter nichts an ihren Glau- benslehren, als daß ſie das aberglaͤubiſche davon abſondern, und dieſelben richtiger einſehen lehret. Sie entdecket das ſchein- heilige eines unvernuͤnftigen, und auf die Lehrſaͤtze der Pſaffen gebauten Gottesdien- ſtes, und lehret ein hoͤchſtes Weſen ver- nuͤnftig verehren. Fr. v. B. Pfui, ſchaͤme dich, die Vernunft wird von allen Canzeln und Univerſitaͤten verflucht. Ach Wilhelmine! Wilhelmine! bedenke, was du deiner Mutter fuͤr Herze- leid anthuſt, ich werde ewig weinen muͤſſen, (weint) wann ich im Himmel ſeyn, und dich mit der Vernunft und allen Philoſo- phen in der Hoͤlle werde brennen ſehen. Achter Auftritt. Muffel, und die vorigen. Muffel. (ſchleicht ſich zur Thuͤre heraus, und laͤuft eilend aufs Frauenzimmer zu) Jch bin ein demuͤthiger Knecht von ihnen, gnaͤ- dige Frau, und von ihnen gleichfalls, gnaͤ- diges Fraͤulein. Warum haben ſie uns nicht

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Christian: Die Geistlichen auf dem Lande. Frankfurt (Main) u. a., 1743, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_geistliche_1743/76>, abgerufen am 25.04.2024.