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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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in den allerältesten Zeiten.
derlicher Philosoph war, also nahm es ihn sehr Wunder,
als er sahe, daß der Mond weit grösser wäre, als er ihn
von der Erde gesehen hätte. Noch mehr erstaunete er,
als er neue Ströme, neue Seen, neue Berge, neue Städ-
te, neue Wälder sahe, und was mich selbst würde Wun-
der genommen haben, als er auch Nymphen gewahr wur-
de, die in den Wäldern jagten. Das seltsamste, so er im
Monden sahe, war ein Thal, wo man alles das antraf,
was auf der Erde verlohren ward, es mochte seyn was es
wollte, Kronen, Reichthümer, guter Nahme, unzehlig
viel Hoffnung, die Zeit so im Spiel verbracht war,
die Almosen, die man nach seinen Tode geben
läst, die Gedichte so man Königen überreicht, und die
Seufzer der Verliebten. Der Herr von Fontenell setzt
noch hinzu. Rathet aber, was vor ein Ding man im
Monden nicht findet? Das ist die Thorheit. Alles was
davon jemals auf der Erden gewesen ist, hat sich daselbst
sehr wohl erhalten. An statt dessen, so ist es nicht zu glau-
ben, wie viel verlohrner Verstand in Monden anzutreffen
ist. Da stehen lauter Gläser, die mit einem subtilen Wäs-
serchen erfüllet sind, und auf einem jeden stehet der Nah-
me desjenigen geschrieben, dem der Verstand zugehöret
hat.

§. 70.

Wir haben uns bis hierher mit nichts als lauter Was-
serfluthen und Ueberschwemmungen unterhalten. Lauter
Vorstellungen welche etwas kaltes und frostiges bey sich
führen. Der Vortrag wird vermuthlich von eben der
Art gewesen seyn, denn dergleichen Schreibart gehört für
einen Weltweisen; einem Poeten aber ist es erlaubt, sich
feurig und lebhaft auszudrücken. Ich weiß also nicht,
wie der andere Theil meiner Abhandlung gerathen wird,
indem ich darinnen beständig von Hitze, Feuer, Gluth,
Flammen, Dampf, Rauch, Erdbeben, Donner,

Kra-
J 4

in den alleraͤlteſten Zeiten.
derlicher Philoſoph war, alſo nahm es ihn ſehr Wunder,
als er ſahe, daß der Mond weit groͤſſer waͤre, als er ihn
von der Erde geſehen haͤtte. Noch mehr erſtaunete er,
als er neue Stroͤme, neue Seen, neue Berge, neue Staͤd-
te, neue Waͤlder ſahe, und was mich ſelbſt wuͤrde Wun-
der genommen haben, als er auch Nymphen gewahr wur-
de, die in den Waͤldern jagten. Das ſeltſamſte, ſo er im
Monden ſahe, war ein Thal, wo man alles das antraf,
was auf der Erde verlohren ward, es mochte ſeyn was es
wollte, Kronen, Reichthuͤmer, guter Nahme, unzehlig
viel Hoffnung, die Zeit ſo im Spiel verbracht war,
die Almoſen, die man nach ſeinen Tode geben
laͤſt, die Gedichte ſo man Koͤnigen uͤberreicht, und die
Seufzer der Verliebten. Der Herr von Fontenell ſetzt
noch hinzu. Rathet aber, was vor ein Ding man im
Monden nicht findet? Das iſt die Thorheit. Alles was
davon jemals auf der Erden geweſen iſt, hat ſich daſelbſt
ſehr wohl erhalten. An ſtatt deſſen, ſo iſt es nicht zu glau-
ben, wie viel verlohrner Verſtand in Monden anzutreffen
iſt. Da ſtehen lauter Glaͤſer, die mit einem ſubtilen Waͤſ-
ſerchen erfuͤllet ſind, und auf einem jeden ſtehet der Nah-
me desjenigen geſchrieben, dem der Verſtand zugehoͤret
hat.

§. 70.

Wir haben uns bis hierher mit nichts als lauter Waſ-
ſerfluthen und Ueberſchwemmungen unterhalten. Lauter
Vorſtellungen welche etwas kaltes und froſtiges bey ſich
fuͤhren. Der Vortrag wird vermuthlich von eben der
Art geweſen ſeyn, denn dergleichen Schreibart gehoͤrt fuͤr
einen Weltweiſen; einem Poeten aber iſt es erlaubt, ſich
feurig und lebhaft auszudruͤcken. Ich weiß alſo nicht,
wie der andere Theil meiner Abhandlung gerathen wird,
indem ich darinnen beſtaͤndig von Hitze, Feuer, Gluth,
Flammen, Dampf, Rauch, Erdbeben, Donner,

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[135/0149] in den alleraͤlteſten Zeiten. derlicher Philoſoph war, alſo nahm es ihn ſehr Wunder, als er ſahe, daß der Mond weit groͤſſer waͤre, als er ihn von der Erde geſehen haͤtte. Noch mehr erſtaunete er, als er neue Stroͤme, neue Seen, neue Berge, neue Staͤd- te, neue Waͤlder ſahe, und was mich ſelbſt wuͤrde Wun- der genommen haben, als er auch Nymphen gewahr wur- de, die in den Waͤldern jagten. Das ſeltſamſte, ſo er im Monden ſahe, war ein Thal, wo man alles das antraf, was auf der Erde verlohren ward, es mochte ſeyn was es wollte, Kronen, Reichthuͤmer, guter Nahme, unzehlig viel Hoffnung, die Zeit ſo im Spiel verbracht war, die Almoſen, die man nach ſeinen Tode geben laͤſt, die Gedichte ſo man Koͤnigen uͤberreicht, und die Seufzer der Verliebten. Der Herr von Fontenell ſetzt noch hinzu. Rathet aber, was vor ein Ding man im Monden nicht findet? Das iſt die Thorheit. Alles was davon jemals auf der Erden geweſen iſt, hat ſich daſelbſt ſehr wohl erhalten. An ſtatt deſſen, ſo iſt es nicht zu glau- ben, wie viel verlohrner Verſtand in Monden anzutreffen iſt. Da ſtehen lauter Glaͤſer, die mit einem ſubtilen Waͤſ- ſerchen erfuͤllet ſind, und auf einem jeden ſtehet der Nah- me desjenigen geſchrieben, dem der Verſtand zugehoͤret hat. §. 70. Wir haben uns bis hierher mit nichts als lauter Waſ- ſerfluthen und Ueberſchwemmungen unterhalten. Lauter Vorſtellungen welche etwas kaltes und froſtiges bey ſich fuͤhren. Der Vortrag wird vermuthlich von eben der Art geweſen ſeyn, denn dergleichen Schreibart gehoͤrt fuͤr einen Weltweiſen; einem Poeten aber iſt es erlaubt, ſich feurig und lebhaft auszudruͤcken. Ich weiß alſo nicht, wie der andere Theil meiner Abhandlung gerathen wird, indem ich darinnen beſtaͤndig von Hitze, Feuer, Gluth, Flammen, Dampf, Rauch, Erdbeben, Donner, Kra- J 4

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/149>, abgerufen am 20.04.2024.