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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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in den allerältesten Zeiten.
ne, Sonne, Mond, und fünf Planeten, völlig zu
Stande gebracht.

§. 7.

Orpheus dem von denen alten, und sonderlich
denen zwey gottesdienstlichen Parteyen der Weltweisen,
der Pythagoräer und Platonicker sehr grosse Ehrer-
bietung angethan wird, hat nicht alle geistliche und verstän-
dige Wesen, als unbedachte und unaussprechliche Dinge,
gänzlich übergangen; ob er gleich zu einem seiner Grund-
wesen aller Dinge einen Drachen angenommen, der bey-
des einen Ochsen und Löwenkopf, zwischen beyden aber
das Gesicht eines Gottes, und an seinen Schultern gül-
dene Flügel gehabt. So giebt er doch vor, daß anfäng-
lich der Aether oder Himmel von GOtt sey erschaffen
worden, der auf allen Seiten mit dem Chaos, oder ei-
ner finstern Nacht umgeben gewesen, die alles, was sich
unter dem Aether befunden, bedecket habe, womit er an-
zeigen wollen, daß vor der Schöpfung lauter Nacht und
Finsterniß gewesen. Er füget hinzu, daß ein gewisses
unbegreifliches Wesen vorhanden gewesen, welches unter
allen Dingen das höchste und älteste, sowol des Him-
mels als aller Dinge unter demselben, ja der Schöpfer
der ganzen Welt sey. Die Erde sey der Dunkelheit we-
gen die sie bedeckt, ganz unsichtbar gewesen. Das Licht
aber, so durch den Aether durchgebrochen, habe die ganze
Schöpfung erleuchtet. Und dieses also hervorgebrochene
Licht sey das oben gedachte höchste unter allen Wesen, des
Name, wie derselbe vom Orakel geoffenbahret worden,
Rath, Licht und Quelle des Lebens heisse. Syrianus
will vorgeben, daß Orpheus zwey Grundwesen behau-
ptet habe, nemlich den Aether und das Chaos, wozu
Simplicius noch ein drittes beyfüget, welches der Ord-
nung nach vor den beyden andern noch vorhergehet, nem-
lich die Zeit, das Maas der fabelhaften Götterzeugung
nach welcher erst der Aether und das Chaos zur Wirk-

lichkeit
B

in den alleraͤlteſten Zeiten.
ne, Sonne, Mond, und fuͤnf Planeten, voͤllig zu
Stande gebracht.

§. 7.

Orpheus dem von denen alten, und ſonderlich
denen zwey gottesdienſtlichen Parteyen der Weltweiſen,
der Pythagoraͤer und Platonicker ſehr groſſe Ehrer-
bietung angethan wird, hat nicht alle geiſtliche und verſtaͤn-
dige Weſen, als unbedachte und unausſprechliche Dinge,
gaͤnzlich uͤbergangen; ob er gleich zu einem ſeiner Grund-
weſen aller Dinge einen Drachen angenommen, der bey-
des einen Ochſen und Loͤwenkopf, zwiſchen beyden aber
das Geſicht eines Gottes, und an ſeinen Schultern guͤl-
dene Fluͤgel gehabt. So giebt er doch vor, daß anfaͤng-
lich der Aether oder Himmel von GOtt ſey erſchaffen
worden, der auf allen Seiten mit dem Chaos, oder ei-
ner finſtern Nacht umgeben geweſen, die alles, was ſich
unter dem Aether befunden, bedecket habe, womit er an-
zeigen wollen, daß vor der Schoͤpfung lauter Nacht und
Finſterniß geweſen. Er fuͤget hinzu, daß ein gewiſſes
unbegreifliches Weſen vorhanden geweſen, welches unter
allen Dingen das hoͤchſte und aͤlteſte, ſowol des Him-
mels als aller Dinge unter demſelben, ja der Schoͤpfer
der ganzen Welt ſey. Die Erde ſey der Dunkelheit we-
gen die ſie bedeckt, ganz unſichtbar geweſen. Das Licht
aber, ſo durch den Aether durchgebrochen, habe die ganze
Schoͤpfung erleuchtet. Und dieſes alſo hervorgebrochene
Licht ſey das oben gedachte hoͤchſte unter allen Weſen, des
Name, wie derſelbe vom Orakel geoffenbahret worden,
Rath, Licht und Quelle des Lebens heiſſe. Syrianus
will vorgeben, daß Orpheus zwey Grundweſen behau-
ptet habe, nemlich den Aether und das Chaos, wozu
Simplicius noch ein drittes beyfuͤget, welches der Ord-
nung nach vor den beyden andern noch vorhergehet, nem-
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nach welcher erſt der Aether und das Chaos zur Wirk-

lichkeit
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[17/0025] in den alleraͤlteſten Zeiten. ne, Sonne, Mond, und fuͤnf Planeten, voͤllig zu Stande gebracht. §. 7. Orpheus dem von denen alten, und ſonderlich denen zwey gottesdienſtlichen Parteyen der Weltweiſen, der Pythagoraͤer und Platonicker ſehr groſſe Ehrer- bietung angethan wird, hat nicht alle geiſtliche und verſtaͤn- dige Weſen, als unbedachte und unausſprechliche Dinge, gaͤnzlich uͤbergangen; ob er gleich zu einem ſeiner Grund- weſen aller Dinge einen Drachen angenommen, der bey- des einen Ochſen und Loͤwenkopf, zwiſchen beyden aber das Geſicht eines Gottes, und an ſeinen Schultern guͤl- dene Fluͤgel gehabt. So giebt er doch vor, daß anfaͤng- lich der Aether oder Himmel von GOtt ſey erſchaffen worden, der auf allen Seiten mit dem Chaos, oder ei- ner finſtern Nacht umgeben geweſen, die alles, was ſich unter dem Aether befunden, bedecket habe, womit er an- zeigen wollen, daß vor der Schoͤpfung lauter Nacht und Finſterniß geweſen. Er fuͤget hinzu, daß ein gewiſſes unbegreifliches Weſen vorhanden geweſen, welches unter allen Dingen das hoͤchſte und aͤlteſte, ſowol des Him- mels als aller Dinge unter demſelben, ja der Schoͤpfer der ganzen Welt ſey. Die Erde ſey der Dunkelheit we- gen die ſie bedeckt, ganz unſichtbar geweſen. Das Licht aber, ſo durch den Aether durchgebrochen, habe die ganze Schoͤpfung erleuchtet. Und dieſes alſo hervorgebrochene Licht ſey das oben gedachte hoͤchſte unter allen Weſen, des Name, wie derſelbe vom Orakel geoffenbahret worden, Rath, Licht und Quelle des Lebens heiſſe. Syrianus will vorgeben, daß Orpheus zwey Grundweſen behau- ptet habe, nemlich den Aether und das Chaos, wozu Simplicius noch ein drittes beyfuͤget, welches der Ord- nung nach vor den beyden andern noch vorhergehet, nem- lich die Zeit, das Maas der fabelhaften Goͤtterzeugung nach welcher erſt der Aether und das Chaos zur Wirk- lichkeit B

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/25>, abgerufen am 29.03.2024.