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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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Geschichte der Erde
lichkeit gebracht worden. Es ist auch noch zu bemerken,
daß Orpheus, nebst andern morgenländischen Lehrern, die
Meinung von einem Weltey zuerst unter den Griechen
scheint eingeführt zu haben, die er vermuthlich unter den
Egyptiern gelernet, als welche unter diesem Bilde die
Welt vorgestellet.

§. 8.

Hesiodus Theogenie, welche zugleich eine Cosmoge-
nie enthält, ist etwas verworren; indem sie zweymal vom
Chaos anfängt, und alles mehr in poetischer als philo-
sophischer Ordnung vorträgt. Die Hauptsache in dersel-
ben läuft darauf hinaus, daß im Anfange das Chaos
zuerst da gewesen, darnach die Erde, und endlich die Lie-
be als die schönste unter den unsterblichen Göttern. Das
Chaos habe der Erebus und die Nacht erzeuget, aus
deren beyder Verbindung aber sey der Aether und der
Tag entstanden. Hierauf bemühet er sich die Scheidung
des Himmels und der Sterne von der Erde, die Bildung
der Berge, das Versinken der Hölen, und das Entste-
hen des Meers aus dem Himmel und der Erden zu be-
schreiben. Doch wir haben eine ordentlichere und voll-
ständigere Beschreibung von dieser alten Cosmogonie,
welche Aristophanes ertheilet hat, woher er sie auch
mag genommen haben. Derselbe meldet nun, daß an-
fänglich das Chaos, der finstere Erebus, und der wü-
ste Tartarus da gewesen; aber weder Erde, noch Luft,
noch Himmel. Die mit schwarzen Flügeln versehene Nacht
habe das erste Ey von Wind in den weiten Schoos des
Erebus geleget, aus welchen nach einiger Zeit die lie-
benswürdige Liebe hervorgekommen, die mit güldenen
Flügeln, starken Wirbelwinden gleich, geglänzet. Aus
der Vermischung der Liebe mit dem Chaos seyn Men-
schen und Thiere entstanden. Vor der Zeit, ehe die Lie-
be alles vereiniget, seyen keine Götter da gewesen; aus

dieser

Geſchichte der Erde
lichkeit gebracht worden. Es iſt auch noch zu bemerken,
daß Orpheus, nebſt andern morgenlaͤndiſchen Lehrern, die
Meinung von einem Weltey zuerſt unter den Griechen
ſcheint eingefuͤhrt zu haben, die er vermuthlich unter den
Egyptiern gelernet, als welche unter dieſem Bilde die
Welt vorgeſtellet.

§. 8.

Heſiodus Theogenie, welche zugleich eine Cosmoge-
nie enthaͤlt, iſt etwas verworren; indem ſie zweymal vom
Chaos anfaͤngt, und alles mehr in poetiſcher als philo-
ſophiſcher Ordnung vortraͤgt. Die Hauptſache in derſel-
ben laͤuft darauf hinaus, daß im Anfange das Chaos
zuerſt da geweſen, darnach die Erde, und endlich die Lie-
be als die ſchoͤnſte unter den unſterblichen Goͤttern. Das
Chaos habe der Erebus und die Nacht erzeuget, aus
deren beyder Verbindung aber ſey der Aether und der
Tag entſtanden. Hierauf bemuͤhet er ſich die Scheidung
des Himmels und der Sterne von der Erde, die Bildung
der Berge, das Verſinken der Hoͤlen, und das Entſte-
hen des Meers aus dem Himmel und der Erden zu be-
ſchreiben. Doch wir haben eine ordentlichere und voll-
ſtaͤndigere Beſchreibung von dieſer alten Coſmogonie,
welche Ariſtophanes ertheilet hat, woher er ſie auch
mag genommen haben. Derſelbe meldet nun, daß an-
faͤnglich das Chaos, der finſtere Erebus, und der wuͤ-
ſte Tartarus da geweſen; aber weder Erde, noch Luft,
noch Himmel. Die mit ſchwarzen Fluͤgeln verſehene Nacht
habe das erſte Ey von Wind in den weiten Schoos des
Erebus geleget, aus welchen nach einiger Zeit die lie-
benswuͤrdige Liebe hervorgekommen, die mit guͤldenen
Fluͤgeln, ſtarken Wirbelwinden gleich, geglaͤnzet. Aus
der Vermiſchung der Liebe mit dem Chaos ſeyn Men-
ſchen und Thiere entſtanden. Vor der Zeit, ehe die Lie-
be alles vereiniget, ſeyen keine Goͤtter da geweſen; aus

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[18/0026] Geſchichte der Erde lichkeit gebracht worden. Es iſt auch noch zu bemerken, daß Orpheus, nebſt andern morgenlaͤndiſchen Lehrern, die Meinung von einem Weltey zuerſt unter den Griechen ſcheint eingefuͤhrt zu haben, die er vermuthlich unter den Egyptiern gelernet, als welche unter dieſem Bilde die Welt vorgeſtellet. §. 8. Heſiodus Theogenie, welche zugleich eine Cosmoge- nie enthaͤlt, iſt etwas verworren; indem ſie zweymal vom Chaos anfaͤngt, und alles mehr in poetiſcher als philo- ſophiſcher Ordnung vortraͤgt. Die Hauptſache in derſel- ben laͤuft darauf hinaus, daß im Anfange das Chaos zuerſt da geweſen, darnach die Erde, und endlich die Lie- be als die ſchoͤnſte unter den unſterblichen Goͤttern. Das Chaos habe der Erebus und die Nacht erzeuget, aus deren beyder Verbindung aber ſey der Aether und der Tag entſtanden. Hierauf bemuͤhet er ſich die Scheidung des Himmels und der Sterne von der Erde, die Bildung der Berge, das Verſinken der Hoͤlen, und das Entſte- hen des Meers aus dem Himmel und der Erden zu be- ſchreiben. Doch wir haben eine ordentlichere und voll- ſtaͤndigere Beſchreibung von dieſer alten Coſmogonie, welche Ariſtophanes ertheilet hat, woher er ſie auch mag genommen haben. Derſelbe meldet nun, daß an- faͤnglich das Chaos, der finſtere Erebus, und der wuͤ- ſte Tartarus da geweſen; aber weder Erde, noch Luft, noch Himmel. Die mit ſchwarzen Fluͤgeln verſehene Nacht habe das erſte Ey von Wind in den weiten Schoos des Erebus geleget, aus welchen nach einiger Zeit die lie- benswuͤrdige Liebe hervorgekommen, die mit guͤldenen Fluͤgeln, ſtarken Wirbelwinden gleich, geglaͤnzet. Aus der Vermiſchung der Liebe mit dem Chaos ſeyn Men- ſchen und Thiere entſtanden. Vor der Zeit, ehe die Lie- be alles vereiniget, ſeyen keine Goͤtter da geweſen; aus dieſer

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/26>, abgerufen am 20.04.2024.