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Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746.

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in den allerältesten Zeiten.
gebracht: GOtt ziehe alle Dinge in sich, oder verschlinge
dieselben durch solche allgemeine Entzündung, und brin.
ge sie hernach wieder aus sich selbst hervor. Jn diesen
aufeinander folgenden Entzündungen sollen nun, ihrer
Meinung nach, nicht allein die übrigen Theile der Welt,
sondern auch die geringern Götter in die höchste Gottheit,
das ist, in die verständige feurige Seele, oder das Grund-
wesen der Welt zerschmelzt werden; welches göttliche We-
sen in solchen Zeitlauf in sich selbst ruhe, seine Vorsehung
betrachte, und sich mit ihm anständigen Gedanken be-
schäftige, bis es die Welt aufs neue hervorbringt. Wel-
che Erneurung Zeno also beschreibt: Wenn GOtt noch
allein ist, so verändert er die ganze Substanz aus Feuer
erstlich in Luft, und hernach in Wasser. Wie nun in
einer Pflanze der Saame enthalten ist, so lasse GOtt, als
der Grundsame der ganzen Welt, in dieser Feuchtigkeit
solchen Saamen, der vermögend sey bequeme Materie
zur Zergung alles dessen, was entstehen solle, hervorzu-
bringen; daß die gröbern Theile dieser wässerichen Ma-
terie
sich setzen und die Erde machen, die feinern aber die
Luft, und die allerfeinsten das Feuer. Wenn nun auf
solche Weise die vier Elemente gezeuget worden, so ent-
stehen aus ihrer Vermischung Pflanzen, Thiere, und alle
anderr Arten der Dinge.

§. 12.

Pythagoras ein Philosoph und tiefsinniger Mathe-
maticus, welcher sich in die Geheimnisse der Zahlen ver-
liebt hatte, und dessen angenehmste Beschäftigung war zu
untersuchen, wie durch unendlicher verborgner Zahlen
Reih, ein krum geflochtner Zug gerecht zu messen sey, hat
sich eine recht mathematische Cosmogenie verfertiget. Denn
er sieht die Zahlen als Gründe aller Dinge an, und er-
kläret daher die Hervorbringung der Welt auf folgende
Weise: Die Monas und Dyas wären die zwey Quel-

len
B 5

in den alleraͤlteſten Zeiten.
gebracht: GOtt ziehe alle Dinge in ſich, oder verſchlinge
dieſelben durch ſolche allgemeine Entzuͤndung, und brin.
ge ſie hernach wieder aus ſich ſelbſt hervor. Jn dieſen
aufeinander folgenden Entzuͤndungen ſollen nun, ihrer
Meinung nach, nicht allein die uͤbrigen Theile der Welt,
ſondern auch die geringern Goͤtter in die hoͤchſte Gottheit,
das iſt, in die verſtaͤndige feurige Seele, oder das Grund-
weſen der Welt zerſchmelzt werden; welches goͤttliche We-
ſen in ſolchen Zeitlauf in ſich ſelbſt ruhe, ſeine Vorſehung
betrachte, und ſich mit ihm anſtaͤndigen Gedanken be-
ſchaͤftige, bis es die Welt aufs neue hervorbringt. Wel-
che Erneurung Zeno alſo beſchreibt: Wenn GOtt noch
allein iſt, ſo veraͤndert er die ganze Subſtanz aus Feuer
erſtlich in Luft, und hernach in Waſſer. Wie nun in
einer Pflanze der Saame enthalten iſt, ſo laſſe GOtt, als
der Grundſame der ganzen Welt, in dieſer Feuchtigkeit
ſolchen Saamen, der vermoͤgend ſey bequeme Materie
zur Zergung alles deſſen, was entſtehen ſolle, hervorzu-
bringen; daß die groͤbern Theile dieſer waͤſſerichen Ma-
terie
ſich ſetzen und die Erde machen, die feinern aber die
Luft, und die allerfeinſten das Feuer. Wenn nun auf
ſolche Weiſe die vier Elemente gezeuget worden, ſo ent-
ſtehen aus ihrer Vermiſchung Pflanzen, Thiere, und alle
anderꝛ Arten der Dinge.

§. 12.

Pythagoras ein Philoſoph und tiefſinniger Mathe-
maticus, welcher ſich in die Geheimniſſe der Zahlen ver-
liebt hatte, und deſſen angenehmſte Beſchaͤftigung war zu
unterſuchen, wie durch unendlicher verborgner Zahlen
Reih, ein krum geflochtner Zug gerecht zu meſſen ſey, hat
ſich eine recht mathematiſche Coſmogenie verfertiget. Denn
er ſieht die Zahlen als Gruͤnde aller Dinge an, und er-
klaͤret daher die Hervorbringung der Welt auf folgende
Weiſe: Die Monas und Dyas waͤren die zwey Quel-

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[25/0033] in den alleraͤlteſten Zeiten. gebracht: GOtt ziehe alle Dinge in ſich, oder verſchlinge dieſelben durch ſolche allgemeine Entzuͤndung, und brin. ge ſie hernach wieder aus ſich ſelbſt hervor. Jn dieſen aufeinander folgenden Entzuͤndungen ſollen nun, ihrer Meinung nach, nicht allein die uͤbrigen Theile der Welt, ſondern auch die geringern Goͤtter in die hoͤchſte Gottheit, das iſt, in die verſtaͤndige feurige Seele, oder das Grund- weſen der Welt zerſchmelzt werden; welches goͤttliche We- ſen in ſolchen Zeitlauf in ſich ſelbſt ruhe, ſeine Vorſehung betrachte, und ſich mit ihm anſtaͤndigen Gedanken be- ſchaͤftige, bis es die Welt aufs neue hervorbringt. Wel- che Erneurung Zeno alſo beſchreibt: Wenn GOtt noch allein iſt, ſo veraͤndert er die ganze Subſtanz aus Feuer erſtlich in Luft, und hernach in Waſſer. Wie nun in einer Pflanze der Saame enthalten iſt, ſo laſſe GOtt, als der Grundſame der ganzen Welt, in dieſer Feuchtigkeit ſolchen Saamen, der vermoͤgend ſey bequeme Materie zur Zergung alles deſſen, was entſtehen ſolle, hervorzu- bringen; daß die groͤbern Theile dieſer waͤſſerichen Ma- terie ſich ſetzen und die Erde machen, die feinern aber die Luft, und die allerfeinſten das Feuer. Wenn nun auf ſolche Weiſe die vier Elemente gezeuget worden, ſo ent- ſtehen aus ihrer Vermiſchung Pflanzen, Thiere, und alle anderꝛ Arten der Dinge. §. 12. Pythagoras ein Philoſoph und tiefſinniger Mathe- maticus, welcher ſich in die Geheimniſſe der Zahlen ver- liebt hatte, und deſſen angenehmſte Beſchaͤftigung war zu unterſuchen, wie durch unendlicher verborgner Zahlen Reih, ein krum geflochtner Zug gerecht zu meſſen ſey, hat ſich eine recht mathematiſche Coſmogenie verfertiget. Denn er ſieht die Zahlen als Gruͤnde aller Dinge an, und er- klaͤret daher die Hervorbringung der Welt auf folgende Weiſe: Die Monas und Dyas waͤren die zwey Quel- len B 5

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Zitationshilfe: Krüger, Johann Gottlob: Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Halle, 1746, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/krueger_weltweisheit_1746/33>, abgerufen am 28.03.2024.