Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich war wohl ein Thor, fing er an, indem er seine Stube auf-
und abschritt, und sich scheinbar dem Zufalle überließ, ich war wohl
ein Thor, daß ich mein Haus im länglichen Viereck baute. So eben
überlegt' ich mir's anders, indem ich auf der Schwelle stand. Wie,
wenn ich's rund gebaut hätte? rund wie diesen Hut! Was meint ihr
zu dem Einfall?

Die Kinder, zweifelhaft zwischen Ernst und Scherz, sahen theils
sich, theils den Meister an. Sie schwiegen.

Jener fuhr fort: Wozu braucht man das Haus? -- Ein Knabe
antwortete: Zum Wohnen. -- Recht; und wer wohnt in dem Hause?
-- Die Leute. -- Gut, der Mensch wohnt in dem Hause. Der
Mensch ... hm! der Mensch ist so klein und das Haus so groß!
Braucht der Mensch alle Räume des Hauses auf einmal, oder kann
er sich auch in einem einzelnen Raume desselben aufhalten? -- Im
Zimmer. -- Richtig, einen einzelnen bewohnbaren Raum des Hauses
nennt man ein Zimmer. Also der Mensch wohnt eigentlich im Zim¬
mer, nicht wahr? -- Ja. -- Hört, ich überlege mir die Sache.
Ehrlich zu reden, ich habe Lust, auch dem Zimmer noch was abzu¬
sparen. Wozu brauch' ich ein ganzes Zimmer, wenn ich z.B. schlafe;
wie? -- Das ist wahr, man hat kleine Schlafkämmerchen. -- Ich
rathe, mir wird sehr schwül d'rin im Sommer. Lieber möcht' ich
unter dem freien Sternenhimmel schlafen. Das ginge doch wohl? --
Wenn kein Wetter kommt, allerdings. -- Seht ihr! das Schlafstüb¬
chen brauch' ich so nothwendig nicht. Aber was brauch' ich doch noch
zum Schlafen? -- Das Bett. -- Da haben wir's, das Bett! Ich
wohne also, so zu sagen, Nachts eigentlich im Bette? -- Ja. -- Ich
bin ein närrischer Kauz! Zuvor wollt' ich mein Haus rund, anstatt
im länglichen Viereck haben, aber ich lasse nicht ab. Ich möchte jetzt
auch ein rundes Bett, ein kugelrundes Bett; was? Die ganze Schul¬
stube lachte. Mr. Mockingbird fuhr fort:

Eure Heiterkeit ist euer Urtheil. Ihr gebt mir zu verstehen, ein
rundes Bett wäre blanker Unsinn. Ein rundes Bett taugte nicht für
die menschliche Figur, das länglich-viereckige Bett wäre gerade recht so.
Meint ihr das? -- Ja, ja! -- Meinen ist gut, aber beweisen ist
besser. Wie könnt ihr mir's beweisen? Nun, Vance! he! du
kanzelst ja gerne; würdest du den Beweis wohl finden? Komm,

D.B. Vll. Der Amerika-Müde. 2

Ich war wohl ein Thor, fing er an, indem er ſeine Stube auf-
und abſchritt, und ſich ſcheinbar dem Zufalle überließ, ich war wohl
ein Thor, daß ich mein Haus im länglichen Viereck baute. So eben
überlegt' ich mir's anders, indem ich auf der Schwelle ſtand. Wie,
wenn ich's rund gebaut hätte? rund wie dieſen Hut! Was meint ihr
zu dem Einfall?

Die Kinder, zweifelhaft zwiſchen Ernſt und Scherz, ſahen theils
ſich, theils den Meiſter an. Sie ſchwiegen.

Jener fuhr fort: Wozu braucht man das Haus? — Ein Knabe
antwortete: Zum Wohnen. — Recht; und wer wohnt in dem Hauſe?
— Die Leute. — Gut, der Menſch wohnt in dem Hauſe. Der
Menſch ... hm! der Menſch iſt ſo klein und das Haus ſo groß!
Braucht der Menſch alle Räume des Hauſes auf einmal, oder kann
er ſich auch in einem einzelnen Raume deſſelben aufhalten? — Im
Zimmer. — Richtig, einen einzelnen bewohnbaren Raum des Hauſes
nennt man ein Zimmer. Alſo der Menſch wohnt eigentlich im Zim¬
mer, nicht wahr? — Ja. — Hört, ich überlege mir die Sache.
Ehrlich zu reden, ich habe Luſt, auch dem Zimmer noch was abzu¬
ſparen. Wozu brauch' ich ein ganzes Zimmer, wenn ich z.B. ſchlafe;
wie? — Das iſt wahr, man hat kleine Schlafkämmerchen. — Ich
rathe, mir wird ſehr ſchwül d'rin im Sommer. Lieber möcht' ich
unter dem freien Sternenhimmel ſchlafen. Das ginge doch wohl? —
Wenn kein Wetter kommt, allerdings. — Seht ihr! das Schlafſtüb¬
chen brauch' ich ſo nothwendig nicht. Aber was brauch' ich doch noch
zum Schlafen? — Das Bett. — Da haben wir's, das Bett! Ich
wohne alſo, ſo zu ſagen, Nachts eigentlich im Bette? — Ja. — Ich
bin ein närriſcher Kauz! Zuvor wollt' ich mein Haus rund, anſtatt
im länglichen Viereck haben, aber ich laſſe nicht ab. Ich möchte jetzt
auch ein rundes Bett, ein kugelrundes Bett; was? Die ganze Schul¬
ſtube lachte. Mr. Mockingbird fuhr fort:

Eure Heiterkeit iſt euer Urtheil. Ihr gebt mir zu verſtehen, ein
rundes Bett wäre blanker Unſinn. Ein rundes Bett taugte nicht für
die menſchliche Figur, das länglich-viereckige Bett wäre gerade recht ſo.
Meint ihr das? — Ja, ja! — Meinen iſt gut, aber beweiſen iſt
beſſer. Wie könnt ihr mir's beweiſen? Nun, Vance! he! du
kanzelſt ja gerne; würdeſt du den Beweis wohl finden? Komm,

D.B. Vll. Der Amerika-Müde. 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0035" n="17"/>
          <p>Ich war wohl ein Thor, fing er an, indem er &#x017F;eine Stube auf-<lb/>
und ab&#x017F;chritt, und &#x017F;ich &#x017F;cheinbar dem Zufalle überließ, ich war wohl<lb/>
ein Thor, daß ich mein Haus im länglichen Viereck baute. So eben<lb/>
überlegt' ich mir's anders, indem ich auf der Schwelle &#x017F;tand. Wie,<lb/>
wenn ich's rund gebaut hätte? rund wie die&#x017F;en Hut! Was meint ihr<lb/>
zu dem Einfall?</p><lb/>
          <p>Die Kinder, zweifelhaft zwi&#x017F;chen Ern&#x017F;t und Scherz, &#x017F;ahen theils<lb/>
&#x017F;ich, theils den Mei&#x017F;ter an. Sie &#x017F;chwiegen.</p><lb/>
          <p>Jener fuhr fort: Wozu braucht man das Haus? &#x2014; Ein Knabe<lb/>
antwortete: Zum Wohnen. &#x2014; Recht; und wer wohnt in dem Hau&#x017F;e?<lb/>
&#x2014; Die Leute. &#x2014; Gut, der Men&#x017F;ch wohnt in dem Hau&#x017F;e. Der<lb/>
Men&#x017F;ch ... hm! der Men&#x017F;ch i&#x017F;t &#x017F;o klein und das Haus &#x017F;o groß!<lb/>
Braucht der Men&#x017F;ch alle Räume des Hau&#x017F;es auf einmal, oder kann<lb/>
er &#x017F;ich auch in einem einzelnen Raume de&#x017F;&#x017F;elben aufhalten? &#x2014; Im<lb/>
Zimmer. &#x2014; Richtig, einen einzelnen bewohnbaren Raum des Hau&#x017F;es<lb/>
nennt man ein Zimmer. Al&#x017F;o der Men&#x017F;ch wohnt eigentlich im Zim¬<lb/>
mer, nicht wahr? &#x2014; Ja. &#x2014; Hört, ich überlege mir die Sache.<lb/>
Ehrlich zu reden, ich habe Lu&#x017F;t, auch dem Zimmer noch was abzu¬<lb/>
&#x017F;paren. Wozu brauch' ich ein ganzes Zimmer, wenn ich z.B. &#x017F;chlafe;<lb/>
wie? &#x2014; Das i&#x017F;t wahr, man hat kleine Schlafkämmerchen. &#x2014; Ich<lb/>
rathe, mir wird &#x017F;ehr &#x017F;chwül d'rin im Sommer. Lieber möcht' ich<lb/>
unter dem freien Sternenhimmel &#x017F;chlafen. Das ginge doch wohl? &#x2014;<lb/>
Wenn kein Wetter kommt, allerdings. &#x2014; Seht ihr! das Schlaf&#x017F;tüb¬<lb/>
chen brauch' ich &#x017F;o nothwendig nicht. Aber was brauch' ich doch noch<lb/>
zum Schlafen? &#x2014; Das Bett. &#x2014; Da haben wir's, das Bett! Ich<lb/>
wohne al&#x017F;o, &#x017F;o zu &#x017F;agen, Nachts eigentlich im Bette? &#x2014; Ja. &#x2014; Ich<lb/>
bin ein närri&#x017F;cher Kauz! Zuvor wollt' ich mein Haus rund, an&#x017F;tatt<lb/>
im länglichen Viereck haben, aber ich la&#x017F;&#x017F;e nicht ab. Ich möchte jetzt<lb/>
auch ein rundes Bett, ein kugelrundes Bett; was? Die ganze Schul¬<lb/>
&#x017F;tube lachte. Mr. Mockingbird fuhr fort:</p><lb/>
          <p>Eure Heiterkeit i&#x017F;t euer Urtheil. Ihr gebt mir zu ver&#x017F;tehen, ein<lb/>
rundes Bett wäre blanker Un&#x017F;inn. Ein rundes Bett taugte nicht für<lb/>
die men&#x017F;chliche Figur, das länglich-viereckige Bett wäre gerade recht &#x017F;o.<lb/>
Meint ihr das? &#x2014; Ja, ja! &#x2014; Meinen i&#x017F;t gut, aber bewei&#x017F;en i&#x017F;t<lb/>
be&#x017F;&#x017F;er. Wie könnt ihr mir's bewei&#x017F;en? Nun, Vance! he! du<lb/>
kanzel&#x017F;t ja gerne; würde&#x017F;t du den Beweis wohl finden? Komm,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">D.B. <hi rendition="#aq">Vll.</hi> Der Amerika-Müde. 2<lb/></fw>
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0035] Ich war wohl ein Thor, fing er an, indem er ſeine Stube auf- und abſchritt, und ſich ſcheinbar dem Zufalle überließ, ich war wohl ein Thor, daß ich mein Haus im länglichen Viereck baute. So eben überlegt' ich mir's anders, indem ich auf der Schwelle ſtand. Wie, wenn ich's rund gebaut hätte? rund wie dieſen Hut! Was meint ihr zu dem Einfall? Die Kinder, zweifelhaft zwiſchen Ernſt und Scherz, ſahen theils ſich, theils den Meiſter an. Sie ſchwiegen. Jener fuhr fort: Wozu braucht man das Haus? — Ein Knabe antwortete: Zum Wohnen. — Recht; und wer wohnt in dem Hauſe? — Die Leute. — Gut, der Menſch wohnt in dem Hauſe. Der Menſch ... hm! der Menſch iſt ſo klein und das Haus ſo groß! Braucht der Menſch alle Räume des Hauſes auf einmal, oder kann er ſich auch in einem einzelnen Raume deſſelben aufhalten? — Im Zimmer. — Richtig, einen einzelnen bewohnbaren Raum des Hauſes nennt man ein Zimmer. Alſo der Menſch wohnt eigentlich im Zim¬ mer, nicht wahr? — Ja. — Hört, ich überlege mir die Sache. Ehrlich zu reden, ich habe Luſt, auch dem Zimmer noch was abzu¬ ſparen. Wozu brauch' ich ein ganzes Zimmer, wenn ich z.B. ſchlafe; wie? — Das iſt wahr, man hat kleine Schlafkämmerchen. — Ich rathe, mir wird ſehr ſchwül d'rin im Sommer. Lieber möcht' ich unter dem freien Sternenhimmel ſchlafen. Das ginge doch wohl? — Wenn kein Wetter kommt, allerdings. — Seht ihr! das Schlafſtüb¬ chen brauch' ich ſo nothwendig nicht. Aber was brauch' ich doch noch zum Schlafen? — Das Bett. — Da haben wir's, das Bett! Ich wohne alſo, ſo zu ſagen, Nachts eigentlich im Bette? — Ja. — Ich bin ein närriſcher Kauz! Zuvor wollt' ich mein Haus rund, anſtatt im länglichen Viereck haben, aber ich laſſe nicht ab. Ich möchte jetzt auch ein rundes Bett, ein kugelrundes Bett; was? Die ganze Schul¬ ſtube lachte. Mr. Mockingbird fuhr fort: Eure Heiterkeit iſt euer Urtheil. Ihr gebt mir zu verſtehen, ein rundes Bett wäre blanker Unſinn. Ein rundes Bett taugte nicht für die menſchliche Figur, das länglich-viereckige Bett wäre gerade recht ſo. Meint ihr das? — Ja, ja! — Meinen iſt gut, aber beweiſen iſt beſſer. Wie könnt ihr mir's beweiſen? Nun, Vance! he! du kanzelſt ja gerne; würdeſt du den Beweis wohl finden? Komm, D.B. Vll. Der Amerika-Müde. 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/35
Zitationshilfe: Kürnberger, Ferdinand: Der Amerika-Müde. Frankfurt (Main), 1855, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kuernberger_amerikamuede_1855/35>, abgerufen am 23.04.2024.