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Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855.

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schlossen gewesen, gelt, da hast dich auch 'runterthun lassen und hast
brav versprochen, du wollest nichts mehr von mir?

Das hab' ich nicht versprochen, entgegnete er, und der heutig'
Tag kann's dir am besten beweisen, daß ich's weder versprochen noch
gehalten hab'.

Ja, das ist wahr, sagte sie und streichelte ihn.

Recht hab' ich aber doch, fuhr er fort, das spür' ich in meinem
Herzen. Die's trifft und die vor Convent kommen, müssen Buße
thun und Strafe leiden, und sind doch um nichts schlechter als die
Andern. Ich weiß gewiß, die Wenigsten sind sauber, und Viele, die
nicht vorgeladen und nicht gestraft werden, haben noch viel ärgere
Sachen auf'm Gewissen, und wenn vollends unser Herrgott Umgang
hält und sieht nach den Gedanken, so möcht' ich doch auch wissen, wer
vor ihm besteht. Wenn ich dann vollends an die Offizier' und Hof¬
cavalier' und an den Herzog selber denk' -- der treibt, was der Welt
Brief ausweist, vor dem ganzen Land, und das ganz' Land weiß, wer
seine Damen sind, denn so heißen sie's bei Hof', wenn sie aber mit
uns deutsch reden, dann erfahren wir wie das Kind getauft ist. Und
zudem geht er noch manchem ehrlichen Mann in's Revier, absonderlich
in Stuttgart, wo man sich aber oft noch eine unterthänige Ehr'
draus macht. Der gemeine Mann denkt anders drüber. Ganz kürzlich
ist mir noch erzählt worden, wie's ihm ein Bauer gemacht hat auf der
Jagd. Da hat er eine italienische Tänzerin, seine Hauptliebschaft, bei
sich gehabt, die ist als ein Bub' verkleidet gewesen, Page heißen sie's,
und ist ihm hinausgekommen, daß er vielleicht geglaubt hat, sie woll'
ein wenig schwärmen, denn am Hof geht's her wie in der Arch' Noä,
und wie er so im Wald 'rum jagt, um sie zu suchen, trifft er einen
Bauer und schreit ihm zu: Bauer, hast du den Pagen nicht sehen
reiten in Sammt, blau und weiß? Ja, sagt der Bauer, eben ist
sie da abe. Drauf lacht der Herzog was er nur kann und jagt den
Berg hinunter, wie ihn der Bauer gewiesen hat. Und so Einer will
Resolutionen erlassen, daß zwei Leut', wie wir, die's ehrlich mit einander
haben, nach den Ehrennamen, die sie uns geben, sollen gestraft werden.
Und seine Mutter, die alt' Herzogin, die er in Göppingen droben gefangen
hält, die sagt von ihm aus, er sei nicht einmal seines Vaters rechter Sohn.
Und solche Leut', die sich selber des Ehbruchs beschuldigen, wollen ihre

ſchloſſen geweſen, gelt, da haſt dich auch 'runterthun laſſen und haſt
brav verſprochen, du wolleſt nichts mehr von mir?

Das hab' ich nicht verſprochen, entgegnete er, und der heutig'
Tag kann's dir am beſten beweiſen, daß ich's weder verſprochen noch
gehalten hab'.

Ja, das iſt wahr, ſagte ſie und ſtreichelte ihn.

Recht hab' ich aber doch, fuhr er fort, das ſpür' ich in meinem
Herzen. Die's trifft und die vor Convent kommen, müſſen Buße
thun und Strafe leiden, und ſind doch um nichts ſchlechter als die
Andern. Ich weiß gewiß, die Wenigſten ſind ſauber, und Viele, die
nicht vorgeladen und nicht geſtraft werden, haben noch viel ärgere
Sachen auf'm Gewiſſen, und wenn vollends unſer Herrgott Umgang
hält und ſieht nach den Gedanken, ſo möcht' ich doch auch wiſſen, wer
vor ihm beſteht. Wenn ich dann vollends an die Offizier' und Hof¬
cavalier' und an den Herzog ſelber denk' — der treibt, was der Welt
Brief ausweist, vor dem ganzen Land, und das ganz' Land weiß, wer
ſeine Damen ſind, denn ſo heißen ſie's bei Hof', wenn ſie aber mit
uns deutſch reden, dann erfahren wir wie das Kind getauft iſt. Und
zudem geht er noch manchem ehrlichen Mann in's Revier, abſonderlich
in Stuttgart, wo man ſich aber oft noch eine unterthänige Ehr'
draus macht. Der gemeine Mann denkt anders drüber. Ganz kürzlich
iſt mir noch erzählt worden, wie's ihm ein Bauer gemacht hat auf der
Jagd. Da hat er eine italieniſche Tänzerin, ſeine Hauptliebſchaft, bei
ſich gehabt, die iſt als ein Bub' verkleidet geweſen, Page heißen ſie's,
und iſt ihm hinausgekommen, daß er vielleicht geglaubt hat, ſie woll'
ein wenig ſchwärmen, denn am Hof geht's her wie in der Arch' Noä,
und wie er ſo im Wald 'rum jagt, um ſie zu ſuchen, trifft er einen
Bauer und ſchreit ihm zu: Bauer, haſt du den Pagen nicht ſehen
reiten in Sammt, blau und weiß? Ja, ſagt der Bauer, eben iſt
ſie da abe. Drauf lacht der Herzog was er nur kann und jagt den
Berg hinunter, wie ihn der Bauer gewieſen hat. Und ſo Einer will
Reſolutionen erlaſſen, daß zwei Leut', wie wir, die's ehrlich mit einander
haben, nach den Ehrennamen, die ſie uns geben, ſollen geſtraft werden.
Und ſeine Mutter, die alt' Herzogin, die er in Göppingen droben gefangen
hält, die ſagt von ihm aus, er ſei nicht einmal ſeines Vaters rechter Sohn.
Und ſolche Leut', die ſich ſelber des Ehbruchs beſchuldigen, wollen ihre

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[191/0207] ſchloſſen geweſen, gelt, da haſt dich auch 'runterthun laſſen und haſt brav verſprochen, du wolleſt nichts mehr von mir? Das hab' ich nicht verſprochen, entgegnete er, und der heutig' Tag kann's dir am beſten beweiſen, daß ich's weder verſprochen noch gehalten hab'. Ja, das iſt wahr, ſagte ſie und ſtreichelte ihn. Recht hab' ich aber doch, fuhr er fort, das ſpür' ich in meinem Herzen. Die's trifft und die vor Convent kommen, müſſen Buße thun und Strafe leiden, und ſind doch um nichts ſchlechter als die Andern. Ich weiß gewiß, die Wenigſten ſind ſauber, und Viele, die nicht vorgeladen und nicht geſtraft werden, haben noch viel ärgere Sachen auf'm Gewiſſen, und wenn vollends unſer Herrgott Umgang hält und ſieht nach den Gedanken, ſo möcht' ich doch auch wiſſen, wer vor ihm beſteht. Wenn ich dann vollends an die Offizier' und Hof¬ cavalier' und an den Herzog ſelber denk' — der treibt, was der Welt Brief ausweist, vor dem ganzen Land, und das ganz' Land weiß, wer ſeine Damen ſind, denn ſo heißen ſie's bei Hof', wenn ſie aber mit uns deutſch reden, dann erfahren wir wie das Kind getauft iſt. Und zudem geht er noch manchem ehrlichen Mann in's Revier, abſonderlich in Stuttgart, wo man ſich aber oft noch eine unterthänige Ehr' draus macht. Der gemeine Mann denkt anders drüber. Ganz kürzlich iſt mir noch erzählt worden, wie's ihm ein Bauer gemacht hat auf der Jagd. Da hat er eine italieniſche Tänzerin, ſeine Hauptliebſchaft, bei ſich gehabt, die iſt als ein Bub' verkleidet geweſen, Page heißen ſie's, und iſt ihm hinausgekommen, daß er vielleicht geglaubt hat, ſie woll' ein wenig ſchwärmen, denn am Hof geht's her wie in der Arch' Noä, und wie er ſo im Wald 'rum jagt, um ſie zu ſuchen, trifft er einen Bauer und ſchreit ihm zu: Bauer, haſt du den Pagen nicht ſehen reiten in Sammt, blau und weiß? Ja, ſagt der Bauer, eben iſt ſie da abe. Drauf lacht der Herzog was er nur kann und jagt den Berg hinunter, wie ihn der Bauer gewieſen hat. Und ſo Einer will Reſolutionen erlaſſen, daß zwei Leut', wie wir, die's ehrlich mit einander haben, nach den Ehrennamen, die ſie uns geben, ſollen geſtraft werden. Und ſeine Mutter, die alt' Herzogin, die er in Göppingen droben gefangen hält, die ſagt von ihm aus, er ſei nicht einmal ſeines Vaters rechter Sohn. Und ſolche Leut', die ſich ſelber des Ehbruchs beſchuldigen, wollen ihre

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Zitationshilfe: Kurz, Hermann: Der Sonnenwirth. Frankfurt (Main), 1855, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kurz_sonnenwirth_1855/207>, abgerufen am 24.04.2024.