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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht.
V. Die Wahlbezirke.

Jeder Wahlkreis wird zum Zweck
der Stimmabgabe in kleinere Bezirke getheilt, welche ebenfalls
räumlich abgegrenzt sein müssen 1). Die Abgrenzung dieser Bezirke
ist den Behörden der Einzelstaaten überlassen 2). Die hierzu nach
Maaßgabe der Aemter-Organisation der einzelnen Staaten zustän-
digen Behörden führt das als Anlage D dem Wahlreglement bei-
gefügte Verzeichniß auf 3). Wenngleich die Abgrenzung unter Be-
rücksichtigung der lokalen Verhältnisse nach dem Ermessen der
kompetenten Behörden vorzunehmen und erforderlichen Falles ab-
zuändern ist, so sind doch bestimmte Grundsätze vorgeschrieben,
nach welchen die Behörden verfahren müssen. Als Regel gilt der
Satz, daß jede Ortschaft (Ortsgemeinde) einen Wahlbezirk für
sich bildet 4).

Diese Regel erleidet aber nach 2 Richtungen hin Ausnahmen.
Große Ortschaften können in mehrere Wahlbezirke getheilt wer-
den, und da kein Wahlbezirk mehr als 3500 Seelen nach
der letzten allgemeinen Volkszählung enthalten darf, so ist eine
Theilung großer Ortschaften vielfach nothwendig 5). Die Er-
streckung eines Wahlbezirks über die Grenzen der Ortschaft hinaus
ist gestattet für einzelne bewohnte Besitzungen und kleine Ort-
schaften; eine Minimalgröße der Einwohnerzahl eines Wahlbezirks
ist jedoch nicht vorgeschrieben. Ueberdies können solche Ortschaften,
in welchen Personen, die zur Bildung des Wahlvorstandes geeignet
sind, sich nicht in genügender Anzahl vorfinden, mit benachbarten
Ortschaften zu einem Wahlbezirke vereinigt werden 6).

VI. Das Wahlverfahren.

1) Die Anordnung der Wahlen und die Festsetzung des
Tages, an welchem sie vorzunehmen sind, erfolgt durch kaiserliche
Verordnung 7). Ist die Legislatur-Periode abgelaufen, so ergiebt

1) Wahlges. §. 6. Abs. 2 u. 3.
2) Wahlreglem. §. 6.
3) R.-G.-Bl. 1870. S. 306 fg. Es sind regelmäßig für das Land die
Kreis behörden (Landrath, Kreisamt), in Bayern die Bezirksämter, in Würt-
temberg der Oberamtmann, in Baden die Bezirksräthe; bisweilen auch die
Gemeinde- oder Ortsbehörden (z. B. in Sachsen, Mecklenburg-Schwerin, Sach-
sen-Weimar, Braunschweig); für die Städte regelmäßig die Magistrate.
4) Wahlges. §. 6 Abs. 2. Wahlreglem. §. 7 Abs. 1.
5) Wahlreglem. §. 7 Abs. 3.
6) Wahlreglem. §. 7 Abs. 2.
7) Wahlges. §. 14. Wahlreglem. §. 9 Abs. 1.
§. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht.
V. Die Wahlbezirke.

Jeder Wahlkreis wird zum Zweck
der Stimmabgabe in kleinere Bezirke getheilt, welche ebenfalls
räumlich abgegrenzt ſein müſſen 1). Die Abgrenzung dieſer Bezirke
iſt den Behörden der Einzelſtaaten überlaſſen 2). Die hierzu nach
Maaßgabe der Aemter-Organiſation der einzelnen Staaten zuſtän-
digen Behörden führt das als Anlage D dem Wahlreglement bei-
gefügte Verzeichniß auf 3). Wenngleich die Abgrenzung unter Be-
rückſichtigung der lokalen Verhältniſſe nach dem Ermeſſen der
kompetenten Behörden vorzunehmen und erforderlichen Falles ab-
zuändern iſt, ſo ſind doch beſtimmte Grundſätze vorgeſchrieben,
nach welchen die Behörden verfahren müſſen. Als Regel gilt der
Satz, daß jede Ortſchaft (Ortsgemeinde) einen Wahlbezirk für
ſich bildet 4).

Dieſe Regel erleidet aber nach 2 Richtungen hin Ausnahmen.
Große Ortſchaften können in mehrere Wahlbezirke getheilt wer-
den, und da kein Wahlbezirk mehr als 3500 Seelen nach
der letzten allgemeinen Volkszählung enthalten darf, ſo iſt eine
Theilung großer Ortſchaften vielfach nothwendig 5). Die Er-
ſtreckung eines Wahlbezirks über die Grenzen der Ortſchaft hinaus
iſt geſtattet für einzelne bewohnte Beſitzungen und kleine Ort-
ſchaften; eine Minimalgröße der Einwohnerzahl eines Wahlbezirks
iſt jedoch nicht vorgeſchrieben. Ueberdies können ſolche Ortſchaften,
in welchen Perſonen, die zur Bildung des Wahlvorſtandes geeignet
ſind, ſich nicht in genügender Anzahl vorfinden, mit benachbarten
Ortſchaften zu einem Wahlbezirke vereinigt werden 6).

VI. Das Wahlverfahren.

1) Die Anordnung der Wahlen und die Feſtſetzung des
Tages, an welchem ſie vorzunehmen ſind, erfolgt durch kaiſerliche
Verordnung 7). Iſt die Legislatur-Periode abgelaufen, ſo ergiebt

1) Wahlgeſ. §. 6. Abſ. 2 u. 3.
2) Wahlreglem. §. 6.
3) R.-G.-Bl. 1870. S. 306 fg. Es ſind regelmäßig für das Land die
Kreis behörden (Landrath, Kreisamt), in Bayern die Bezirksämter, in Würt-
temberg der Oberamtmann, in Baden die Bezirksräthe; bisweilen auch die
Gemeinde- oder Ortsbehörden (z. B. in Sachſen, Mecklenburg-Schwerin, Sach-
ſen-Weimar, Braunſchweig); für die Städte regelmäßig die Magiſtrate.
4) Wahlgeſ. §. 6 Abſ. 2. Wahlreglem. §. 7 Abſ. 1.
5) Wahlreglem. §. 7 Abſ. 3.
6) Wahlreglem. §. 7 Abſ. 2.
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[535/0555] §. 49. Die Bildung des Reichstages. Das Wahlrecht. V. Die Wahlbezirke. Jeder Wahlkreis wird zum Zweck der Stimmabgabe in kleinere Bezirke getheilt, welche ebenfalls räumlich abgegrenzt ſein müſſen 1). Die Abgrenzung dieſer Bezirke iſt den Behörden der Einzelſtaaten überlaſſen 2). Die hierzu nach Maaßgabe der Aemter-Organiſation der einzelnen Staaten zuſtän- digen Behörden führt das als Anlage D dem Wahlreglement bei- gefügte Verzeichniß auf 3). Wenngleich die Abgrenzung unter Be- rückſichtigung der lokalen Verhältniſſe nach dem Ermeſſen der kompetenten Behörden vorzunehmen und erforderlichen Falles ab- zuändern iſt, ſo ſind doch beſtimmte Grundſätze vorgeſchrieben, nach welchen die Behörden verfahren müſſen. Als Regel gilt der Satz, daß jede Ortſchaft (Ortsgemeinde) einen Wahlbezirk für ſich bildet 4). Dieſe Regel erleidet aber nach 2 Richtungen hin Ausnahmen. Große Ortſchaften können in mehrere Wahlbezirke getheilt wer- den, und da kein Wahlbezirk mehr als 3500 Seelen nach der letzten allgemeinen Volkszählung enthalten darf, ſo iſt eine Theilung großer Ortſchaften vielfach nothwendig 5). Die Er- ſtreckung eines Wahlbezirks über die Grenzen der Ortſchaft hinaus iſt geſtattet für einzelne bewohnte Beſitzungen und kleine Ort- ſchaften; eine Minimalgröße der Einwohnerzahl eines Wahlbezirks iſt jedoch nicht vorgeſchrieben. Ueberdies können ſolche Ortſchaften, in welchen Perſonen, die zur Bildung des Wahlvorſtandes geeignet ſind, ſich nicht in genügender Anzahl vorfinden, mit benachbarten Ortſchaften zu einem Wahlbezirke vereinigt werden 6). VI. Das Wahlverfahren. 1) Die Anordnung der Wahlen und die Feſtſetzung des Tages, an welchem ſie vorzunehmen ſind, erfolgt durch kaiſerliche Verordnung 7). Iſt die Legislatur-Periode abgelaufen, ſo ergiebt 1) Wahlgeſ. §. 6. Abſ. 2 u. 3. 2) Wahlreglem. §. 6. 3) R.-G.-Bl. 1870. S. 306 fg. Es ſind regelmäßig für das Land die Kreis behörden (Landrath, Kreisamt), in Bayern die Bezirksämter, in Würt- temberg der Oberamtmann, in Baden die Bezirksräthe; bisweilen auch die Gemeinde- oder Ortsbehörden (z. B. in Sachſen, Mecklenburg-Schwerin, Sach- ſen-Weimar, Braunſchweig); für die Städte regelmäßig die Magiſtrate. 4) Wahlgeſ. §. 6 Abſ. 2. Wahlreglem. §. 7 Abſ. 1. 5) Wahlreglem. §. 7 Abſ. 3. 6) Wahlreglem. §. 7 Abſ. 2. 7) Wahlgeſ. §. 14. Wahlreglem. §. 9 Abſ. 1.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 535. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/555>, abgerufen am 29.03.2024.