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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 18. Der Verlust der Staatsangehörigkeit.
Urkunde an entweder seinen Wohnsitz außerhalb des Bundes-
gebiets
verlegt oder die Staatsangehörigkeit in einem anderen
Bundesstaate erwirbt, wozu -- wie oben erörtert -- die Nieder-
lassung in dem Gebiete des letzteren erforderlich ist. (§. 18 Abs.
2) 1). Die Entlassung erstreckt sich, wie die Verleihung auf die
der familienrechtlichen Gewalt des Entlassenen unterworfenen Per-
sonen, soweit nicht eine Ausnahme festgesetzt ist. (§. 19.)

In Betreff der Voraussetzungen der Entlassung wird ähnlich
wie bei der Verleihung unterschieden, ob der Staatsangehörige
nur in einen andern Bundesstaat verzieht, also die Reichsange-
hörigkeit beibehält, oder ob er aus dem Reiche auswandert.

1) Die Entlassung zum Zweck der Uebersieblung
innerhalb des Bundesgebietes "wird jedem Staatsangehörigen er-
theilt, welcher nachweist, daß er in einem anderen Bundesstaate
die Staatsangehörigkeit erworben hat." (§. 15 Abs. 1.) Wer
also die Verleihungs-Urkunde eines anderen Bundesstaates vorlegt,
muß auf seinen Antrag 2) die Entlassungs-Urkunde seines bis-
herigen Heimathsstaates erhalten und zwar kostenfrei. (§. 24 Abs. 1.)

2) Die Entlassung behufs Auswanderung d. h.
die Entlassung, welche das Aufhören der Reichsangehörigkeit zur
Folge hat, darf von den Einzelstaaten nicht ertheilt werden sol-
chen Personen, welche sich durch die Entlassung ihrer Militärpflicht
entziehen wollen 3). Es darf daher an solche Personen die Ent-

1) Das Gesetz sagt: "Die Entlassung wird unwirksam, wenn". Eine
Unwirksamkeits-Erklärung der Entlassung ist nicht vorgeschrieben und auch
nicht sachlich erforderlich. Es kann daher auch nicht bezweifelt werden, daß
die Entlassung von Anfang an unwirksam gewesen ist, nicht erst es nachträglich
wird und daß mithin auch in der Zwischenzeit die staatsbürgerlichen Pflichten
erfüllt werden müssen. Vgl. Landgraff S. 643. Die Annahme Böhlau's
a. a. O. S. 35 Note 168, daß während der sechsmonatl. Frist pendente
conditione resolutiva
die Bundesangehörigkeit ohne Staatsan-
gehörigkeit selbstständig fortbesteht
, wird durch das Gesetz in keiner
Weise gerechtfertigt.
2) Wenn er diesen Antrag nicht stellt, verbleibt ihm die Staatsangehörig-
keit seines bisherigen Heimathsstaates; es kann daher ein Deutscher gleichzeitig
mehreren, ja sogar allen Bundesstaaten als Staatsbürger angehören.
3) Das Ges. §. 15 Abs. 2 führt drei Kategorien solcher Personen auf,
nämlich: 1) Wehrpflichtige, im Alter vom vollendeten 17. bis zum voll-
endeten 20. Lebensjahre, wenn sie nicht ein Zeugniß der Kreis-Ersatz-Kommis-
sion beibringen, daß sie die Entlassung nicht blos in der Absicht nachsuchen,
um sich der Dienstpflicht zu entziehen. 2) Militärpersonen, welche zum

§. 18. Der Verluſt der Staatsangehörigkeit.
Urkunde an entweder ſeinen Wohnſitz außerhalb des Bundes-
gebiets
verlegt oder die Staatsangehörigkeit in einem anderen
Bundesſtaate erwirbt, wozu — wie oben erörtert — die Nieder-
laſſung in dem Gebiete des letzteren erforderlich iſt. (§. 18 Abſ.
2) 1). Die Entlaſſung erſtreckt ſich, wie die Verleihung auf die
der familienrechtlichen Gewalt des Entlaſſenen unterworfenen Per-
ſonen, ſoweit nicht eine Ausnahme feſtgeſetzt iſt. (§. 19.)

In Betreff der Vorausſetzungen der Entlaſſung wird ähnlich
wie bei der Verleihung unterſchieden, ob der Staatsangehörige
nur in einen andern Bundesſtaat verzieht, alſo die Reichsange-
hörigkeit beibehält, oder ob er aus dem Reiche auswandert.

1) Die Entlaſſung zum Zweck der Ueberſieblung
innerhalb des Bundesgebietes „wird jedem Staatsangehörigen er-
theilt, welcher nachweiſt, daß er in einem anderen Bundesſtaate
die Staatsangehörigkeit erworben hat.“ (§. 15 Abſ. 1.) Wer
alſo die Verleihungs-Urkunde eines anderen Bundesſtaates vorlegt,
muß auf ſeinen Antrag 2) die Entlaſſungs-Urkunde ſeines bis-
herigen Heimathsſtaates erhalten und zwar koſtenfrei. (§. 24 Abſ. 1.)

2) Die Entlaſſung behufs Auswanderung d. h.
die Entlaſſung, welche das Aufhören der Reichsangehörigkeit zur
Folge hat, darf von den Einzelſtaaten nicht ertheilt werden ſol-
chen Perſonen, welche ſich durch die Entlaſſung ihrer Militärpflicht
entziehen wollen 3). Es darf daher an ſolche Perſonen die Ent-

1) Das Geſetz ſagt: „Die Entlaſſung wird unwirkſam, wenn“. Eine
Unwirkſamkeits-Erklärung der Entlaſſung iſt nicht vorgeſchrieben und auch
nicht ſachlich erforderlich. Es kann daher auch nicht bezweifelt werden, daß
die Entlaſſung von Anfang an unwirkſam geweſen iſt, nicht erſt es nachträglich
wird und daß mithin auch in der Zwiſchenzeit die ſtaatsbürgerlichen Pflichten
erfüllt werden müſſen. Vgl. Landgraff S. 643. Die Annahme Böhlau’s
a. a. O. S. 35 Note 168, daß während der ſechsmonatl. Friſt pendente
conditione resolutiva
die Bundesangehörigkeit ohne Staatsan-
gehörigkeit ſelbſtſtändig fortbeſteht
, wird durch das Geſetz in keiner
Weiſe gerechtfertigt.
2) Wenn er dieſen Antrag nicht ſtellt, verbleibt ihm die Staatsangehörig-
keit ſeines bisherigen Heimathsſtaates; es kann daher ein Deutſcher gleichzeitig
mehreren, ja ſogar allen Bundesſtaaten als Staatsbürger angehören.
3) Das Geſ. §. 15 Abſ. 2 führt drei Kategorien ſolcher Perſonen auf,
nämlich: 1) Wehrpflichtige, im Alter vom vollendeten 17. bis zum voll-
endeten 20. Lebensjahre, wenn ſie nicht ein Zeugniß der Kreis-Erſatz-Kommiſ-
ſion beibringen, daß ſie die Entlaſſung nicht blos in der Abſicht nachſuchen,
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[172/0192] §. 18. Der Verluſt der Staatsangehörigkeit. Urkunde an entweder ſeinen Wohnſitz außerhalb des Bundes- gebiets verlegt oder die Staatsangehörigkeit in einem anderen Bundesſtaate erwirbt, wozu — wie oben erörtert — die Nieder- laſſung in dem Gebiete des letzteren erforderlich iſt. (§. 18 Abſ. 2) 1). Die Entlaſſung erſtreckt ſich, wie die Verleihung auf die der familienrechtlichen Gewalt des Entlaſſenen unterworfenen Per- ſonen, ſoweit nicht eine Ausnahme feſtgeſetzt iſt. (§. 19.) In Betreff der Vorausſetzungen der Entlaſſung wird ähnlich wie bei der Verleihung unterſchieden, ob der Staatsangehörige nur in einen andern Bundesſtaat verzieht, alſo die Reichsange- hörigkeit beibehält, oder ob er aus dem Reiche auswandert. 1) Die Entlaſſung zum Zweck der Ueberſieblung innerhalb des Bundesgebietes „wird jedem Staatsangehörigen er- theilt, welcher nachweiſt, daß er in einem anderen Bundesſtaate die Staatsangehörigkeit erworben hat.“ (§. 15 Abſ. 1.) Wer alſo die Verleihungs-Urkunde eines anderen Bundesſtaates vorlegt, muß auf ſeinen Antrag 2) die Entlaſſungs-Urkunde ſeines bis- herigen Heimathsſtaates erhalten und zwar koſtenfrei. (§. 24 Abſ. 1.) 2) Die Entlaſſung behufs Auswanderung d. h. die Entlaſſung, welche das Aufhören der Reichsangehörigkeit zur Folge hat, darf von den Einzelſtaaten nicht ertheilt werden ſol- chen Perſonen, welche ſich durch die Entlaſſung ihrer Militärpflicht entziehen wollen 3). Es darf daher an ſolche Perſonen die Ent- 1) Das Geſetz ſagt: „Die Entlaſſung wird unwirkſam, wenn“. Eine Unwirkſamkeits-Erklärung der Entlaſſung iſt nicht vorgeſchrieben und auch nicht ſachlich erforderlich. Es kann daher auch nicht bezweifelt werden, daß die Entlaſſung von Anfang an unwirkſam geweſen iſt, nicht erſt es nachträglich wird und daß mithin auch in der Zwiſchenzeit die ſtaatsbürgerlichen Pflichten erfüllt werden müſſen. Vgl. Landgraff S. 643. Die Annahme Böhlau’s a. a. O. S. 35 Note 168, daß während der ſechsmonatl. Friſt pendente conditione resolutiva die Bundesangehörigkeit ohne Staatsan- gehörigkeit ſelbſtſtändig fortbeſteht, wird durch das Geſetz in keiner Weiſe gerechtfertigt. 2) Wenn er dieſen Antrag nicht ſtellt, verbleibt ihm die Staatsangehörig- keit ſeines bisherigen Heimathsſtaates; es kann daher ein Deutſcher gleichzeitig mehreren, ja ſogar allen Bundesſtaaten als Staatsbürger angehören. 3) Das Geſ. §. 15 Abſ. 2 führt drei Kategorien ſolcher Perſonen auf, nämlich: 1) Wehrpflichtige, im Alter vom vollendeten 17. bis zum voll- endeten 20. Lebensjahre, wenn ſie nicht ein Zeugniß der Kreis-Erſatz-Kommiſ- ſion beibringen, daß ſie die Entlaſſung nicht blos in der Abſicht nachſuchen, um ſich der Dienſtpflicht zu entziehen. 2) Militärperſonen, welche zum

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/192>, abgerufen am 19.04.2024.