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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 24. Die staatsrechtliche Natur des Kaiserthums.

Diese Dreitheilung war nicht zufällig oder lediglich Folge
mangelhafter Fassung, sondern überlegt und beabsichtigt 1). Das
"Bundespräsidium" wird nach der Verfassung des Norddeut-
schen Bundes immer nur als die Spitze des Bundesrathes und in
engem Zusammenhange mit demselben gedacht 2); es ist in sehr
vielen Fällen in seinen Handlungen von der Zustimmung des
Bundesrathes und Reichstages abhängig; die vom Bundespräsidium
ernannten Beamten sind Bundesbeamte 3); alle vom Bundesprä-
sidium erlassenen Anordnungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der
Gegenzeichnung des Bundeskanzlers4). Die Rechte dagegen, welche
das Bundesoberhaupt als Bundesfeldherr oder in seiner Eigenschaft
als König von Preußen ausübt, erscheinen in weniger engem Zu-
sammenhange mit der Bundesorganisation. Die Offiziere, Beamten
und Mannschaften der Marine wurden nach der Norddeutschen
Bundesverfassung nicht für den Bund, sondern "für Sr. Majestät
den König von Preußen" vereidet 5); in den Fahneneid der Trup-
pen wurde die Clausel aufgenommen, "den Befehlen des Bun-
desfeldherrn
unbedingt Folge zu leisten 6);" für die Anord-
nungen des Bundesfeldherrn war nach der Verf. des Nordd.
Bundes das Erforderniß der Contrasignatur des Bundeskanzlers
nicht vorgeschrieben 7); die Geschäfte der Marine- und Heeres-
verwaltung ressortirten nicht vom Bundeskanzler-Amte. Eine ein-
heitliche Bezeichnung für den Träger dieser Rechte hat erst das
Norddeutsche Strafgesetzbuch Art. 80. 94. 95 eingeführt,
welches ihn als "Bundesoberhaupt" bezeichnet und zu den
in der Verfassung begründeten staatsrechtlichen Befugnissen desselben

1) Bei der Berathung der Verfassung wurde allerdings die Ansicht ge-
äußert, daß diese Ausdrücke identisch seien. Vgl. v. Rönne Verf.-R. S. 151
Note 7. Meyer Grundz. S. 80.
2) Vgl. besonders Art. 7 und Art. 8 Abs. 2. Art. 11 Abs. 2. Art. 16.
Art. 37 Abs. 2. Art. 56 Abs. 1. Art. 61 Abs. 2.
3) Art. 18.
4) Art. 17.
5) Art. 53 Abs. 1
6) Art. 64. Cabinets-Ordre vom 14. Dez. 1867. Koller Archiv I, 678.
Thudichum Bundesverf. 382 Note 2.
7) Hiersemenzel Verf. des Nordd. Bundes S. 77. Grotefend
Staatsr. §. 771 Note 3, Die Frage war übrigens controvers; vgl. Meyer
Grundzüge S. 83 und Erörterungen S. 48.
§. 24. Die ſtaatsrechtliche Natur des Kaiſerthums.

Dieſe Dreitheilung war nicht zufällig oder lediglich Folge
mangelhafter Faſſung, ſondern überlegt und beabſichtigt 1). Das
Bundespräſidium“ wird nach der Verfaſſung des Norddeut-
ſchen Bundes immer nur als die Spitze des Bundesrathes und in
engem Zuſammenhange mit demſelben gedacht 2); es iſt in ſehr
vielen Fällen in ſeinen Handlungen von der Zuſtimmung des
Bundesrathes und Reichstages abhängig; die vom Bundespräſidium
ernannten Beamten ſind Bundesbeamte 3); alle vom Bundesprä-
ſidium erlaſſenen Anordnungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der
Gegenzeichnung des Bundeskanzlers4). Die Rechte dagegen, welche
das Bundesoberhaupt als Bundesfeldherr oder in ſeiner Eigenſchaft
als König von Preußen ausübt, erſcheinen in weniger engem Zu-
ſammenhange mit der Bundesorganiſation. Die Offiziere, Beamten
und Mannſchaften der Marine wurden nach der Norddeutſchen
Bundesverfaſſung nicht für den Bund, ſondern „für Sr. Majeſtät
den König von Preußen“ vereidet 5); in den Fahneneid der Trup-
pen wurde die Clauſel aufgenommen, „den Befehlen des Bun-
desfeldherrn
unbedingt Folge zu leiſten 6);“ für die Anord-
nungen des Bundesfeldherrn war nach der Verf. des Nordd.
Bundes das Erforderniß der Contraſignatur des Bundeskanzlers
nicht vorgeſchrieben 7); die Geſchäfte der Marine- und Heeres-
verwaltung reſſortirten nicht vom Bundeskanzler-Amte. Eine ein-
heitliche Bezeichnung für den Träger dieſer Rechte hat erſt das
Norddeutſche Strafgeſetzbuch Art. 80. 94. 95 eingeführt,
welches ihn als „Bundesoberhaupt“ bezeichnet und zu den
in der Verfaſſung begründeten ſtaatsrechtlichen Befugniſſen deſſelben

1) Bei der Berathung der Verfaſſung wurde allerdings die Anſicht ge-
äußert, daß dieſe Ausdrücke identiſch ſeien. Vgl. v. Rönne Verf.-R. S. 151
Note 7. Meyer Grundz. S. 80.
2) Vgl. beſonders Art. 7 und Art. 8 Abſ. 2. Art. 11 Abſ. 2. Art. 16.
Art. 37 Abſ. 2. Art. 56 Abſ. 1. Art. 61 Abſ. 2.
3) Art. 18.
4) Art. 17.
5) Art. 53 Abſ. 1
6) Art. 64. Cabinets-Ordre vom 14. Dez. 1867. Koller Archiv I, 678.
Thudichum Bundesverf. 382 Note 2.
7) Hierſemenzel Verf. des Nordd. Bundes S. 77. Grotefend
Staatsr. §. 771 Note 3, Die Frage war übrigens controvers; vgl. Meyer
Grundzüge S. 83 und Erörterungen S. 48.
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[207/0227] §. 24. Die ſtaatsrechtliche Natur des Kaiſerthums. Dieſe Dreitheilung war nicht zufällig oder lediglich Folge mangelhafter Faſſung, ſondern überlegt und beabſichtigt 1). Das „Bundespräſidium“ wird nach der Verfaſſung des Norddeut- ſchen Bundes immer nur als die Spitze des Bundesrathes und in engem Zuſammenhange mit demſelben gedacht 2); es iſt in ſehr vielen Fällen in ſeinen Handlungen von der Zuſtimmung des Bundesrathes und Reichstages abhängig; die vom Bundespräſidium ernannten Beamten ſind Bundesbeamte 3); alle vom Bundesprä- ſidium erlaſſenen Anordnungen bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnung des Bundeskanzlers 4). Die Rechte dagegen, welche das Bundesoberhaupt als Bundesfeldherr oder in ſeiner Eigenſchaft als König von Preußen ausübt, erſcheinen in weniger engem Zu- ſammenhange mit der Bundesorganiſation. Die Offiziere, Beamten und Mannſchaften der Marine wurden nach der Norddeutſchen Bundesverfaſſung nicht für den Bund, ſondern „für Sr. Majeſtät den König von Preußen“ vereidet 5); in den Fahneneid der Trup- pen wurde die Clauſel aufgenommen, „den Befehlen des Bun- desfeldherrn unbedingt Folge zu leiſten 6);“ für die Anord- nungen des Bundesfeldherrn war nach der Verf. des Nordd. Bundes das Erforderniß der Contraſignatur des Bundeskanzlers nicht vorgeſchrieben 7); die Geſchäfte der Marine- und Heeres- verwaltung reſſortirten nicht vom Bundeskanzler-Amte. Eine ein- heitliche Bezeichnung für den Träger dieſer Rechte hat erſt das Norddeutſche Strafgeſetzbuch Art. 80. 94. 95 eingeführt, welches ihn als „Bundesoberhaupt“ bezeichnet und zu den in der Verfaſſung begründeten ſtaatsrechtlichen Befugniſſen deſſelben 1) Bei der Berathung der Verfaſſung wurde allerdings die Anſicht ge- äußert, daß dieſe Ausdrücke identiſch ſeien. Vgl. v. Rönne Verf.-R. S. 151 Note 7. Meyer Grundz. S. 80. 2) Vgl. beſonders Art. 7 und Art. 8 Abſ. 2. Art. 11 Abſ. 2. Art. 16. Art. 37 Abſ. 2. Art. 56 Abſ. 1. Art. 61 Abſ. 2. 3) Art. 18. 4) Art. 17. 5) Art. 53 Abſ. 1 6) Art. 64. Cabinets-Ordre vom 14. Dez. 1867. Koller Archiv I, 678. Thudichum Bundesverf. 382 Note 2. 7) Hierſemenzel Verf. des Nordd. Bundes S. 77. Grotefend Staatsr. §. 771 Note 3, Die Frage war übrigens controvers; vgl. Meyer Grundzüge S. 83 und Erörterungen S. 48.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/227>, abgerufen am 28.03.2024.