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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.

In formeller Hinsicht gilt die Vorschrift, daß das R.-O.-H.-G.
alle Urtheile auf Grund des Ges. v. 14. Juni 1871 unter der
Bezeichnung: "Das Reichs-Oberhandelsgericht als oberster Gerichts-
hof für Elsaß und Lothringen" erläßt 1).

II. Die Reichs-Konsular-Gerichte.

1) Den Reichskonsuln steht eine volle Gerichtsbarkeit sowohl
in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten als in Strafsachen mit Einschluß
der Polizei-Jurisdiktion zu, wenn sie in Ländern residiren, in
welchen ihnen durch Herkommen oder durch Staatsverträge die
Ausübung der Gerichtsbarkeit gestattet ist 2).

Die Ausübung der Konsulargerichtsbarkeit steht jedoch nur
denjenigen Konsuln zu, denen sie vom Reichskanzler unter Anwei-
sung eines Jurisdiktionsbezirkes speziell übertragen wird 3). Die
Jurisdiktionsbezirke der einzelnen Konsuln werden von dem Reichs-
kanzler nach Vernehmung des Bundesraths-Ausschusses für Han-
del und Verkehr bestimmt 4).

Unterworfen sind der Konsulargerichtsbarkeit alle in den Kon-
sular-Jurisdiktionsbezirken wohnenden oder sich aufhaltenden Reichs-
angehörigen und Schutzgenossen 5).

Für die Ausübung der Konsular-Gerichtsbarkeit ist bis zum
Erlasse eines Reichsgesetzes das Preußische Gesetz über die
Gerichtsbarkeit der Konsuln v. 29. Juni 1865 für maaßgebend

1) Regulativ vom 9. Juli 1874 §. 35. (Centralblatt S. 281.)
2) Konsulatsgesetz vom 8. November 1867 §. 22 Abs. 1. Diese Länder
sind die Türkei nebst den ihrer Oberhoheit unterworfenen Ländern, vgl.
jedoch für Egypten das R.-G. vom 30. März 1874 (R.-G.-Bl. S. 23);
ferner Persien, (Vertrag vom 11. Juni 1873 Art 13 R.-G.-Bl. S. 358);
China, Siam, Japan (Vertr. v. 20. Febr. 1869 B.-G.-Bl. 1870 S. 1).
3) Allgem. Dienst-Instruktion für die Konsuln vom 6. Juni 1871 zu
§§. 22--24 in Hirth's Annalen 1871 S. 630.
4) Konsulatsgesetz §. 23. Vgl. Reichsgesetzbl. 1871 S. 373. 374.
5) Konsulatsgesetz §. 22 Abs. 2. Für politische Verbrechen und Vergehen
welche innerhalb des Deutschen Reiches oder in Beziehung auf dasselbe verübt
sind, besteht jedoch die spezielle Zuständigkeit des Preuß. Staatsgerichtshofes.
Preuß. Gesetz vom 25. April 1853 (Gesetz-Samml. S. 162). Preuß. Gesetz
über die Konsulargerichtsbarkeit vom 29. Juni 1865 §. 45 (B.-G.-Bl. 1867
S. 153). Reichskonsulargesetz a. a. O. Ueber den Begriff der Schutzge-
nossen
vgl. Beschluß des Reichs-Oberhandelsgerichts vom 2. Febr. 1875.
Entscheidungen Bd. XVI. S. 17 ff. Auch abgedruckt im Centralblatt 1875
S. 283 ff.
§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.

In formeller Hinſicht gilt die Vorſchrift, daß das R.-O.-H.-G.
alle Urtheile auf Grund des Geſ. v. 14. Juni 1871 unter der
Bezeichnung: „Das Reichs-Oberhandelsgericht als oberſter Gerichts-
hof für Elſaß und Lothringen“ erläßt 1).

II. Die Reichs-Konſular-Gerichte.

1) Den Reichskonſuln ſteht eine volle Gerichtsbarkeit ſowohl
in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten als in Strafſachen mit Einſchluß
der Polizei-Jurisdiktion zu, wenn ſie in Ländern reſidiren, in
welchen ihnen durch Herkommen oder durch Staatsverträge die
Ausübung der Gerichtsbarkeit geſtattet iſt 2).

Die Ausübung der Konſulargerichtsbarkeit ſteht jedoch nur
denjenigen Konſuln zu, denen ſie vom Reichskanzler unter Anwei-
ſung eines Jurisdiktionsbezirkes ſpeziell übertragen wird 3). Die
Jurisdiktionsbezirke der einzelnen Konſuln werden von dem Reichs-
kanzler nach Vernehmung des Bundesraths-Ausſchuſſes für Han-
del und Verkehr beſtimmt 4).

Unterworfen ſind der Konſulargerichtsbarkeit alle in den Kon-
ſular-Jurisdiktionsbezirken wohnenden oder ſich aufhaltenden Reichs-
angehörigen und Schutzgenoſſen 5).

Für die Ausübung der Konſular-Gerichtsbarkeit iſt bis zum
Erlaſſe eines Reichsgeſetzes das Preußiſche Geſetz über die
Gerichtsbarkeit der Konſuln v. 29. Juni 1865 für maaßgebend

1) Regulativ vom 9. Juli 1874 §. 35. (Centralblatt S. 281.)
2) Konſulatsgeſetz vom 8. November 1867 §. 22 Abſ. 1. Dieſe Länder
ſind die Türkei nebſt den ihrer Oberhoheit unterworfenen Ländern, vgl.
jedoch für Egypten das R.-G. vom 30. März 1874 (R.-G.-Bl. S. 23);
ferner Perſien, (Vertrag vom 11. Juni 1873 Art 13 R.-G.-Bl. S. 358);
China, Siam, Japan (Vertr. v. 20. Febr. 1869 B.-G.-Bl. 1870 S. 1).
3) Allgem. Dienſt-Inſtruktion für die Konſuln vom 6. Juni 1871 zu
§§. 22—24 in Hirth’s Annalen 1871 S. 630.
4) Konſulatsgeſetz §. 23. Vgl. Reichsgeſetzbl. 1871 S. 373. 374.
5) Konſulatsgeſetz §. 22 Abſ. 2. Für politiſche Verbrechen und Vergehen
welche innerhalb des Deutſchen Reiches oder in Beziehung auf daſſelbe verübt
ſind, beſteht jedoch die ſpezielle Zuſtändigkeit des Preuß. Staatsgerichtshofes.
Preuß. Geſetz vom 25. April 1853 (Geſetz-Samml. S. 162). Preuß. Geſetz
über die Konſulargerichtsbarkeit vom 29. Juni 1865 §. 45 (B.-G.-Bl. 1867
S. 153). Reichskonſulargeſetz a. a. O. Ueber den Begriff der Schutzge-
noſſen
vgl. Beſchluß des Reichs-Oberhandelsgerichts vom 2. Febr. 1875.
Entſcheidungen Bd. XVI. S. 17 ff. Auch abgedruckt im Centralblatt 1875
S. 283 ff.
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[366/0386] §. 36. Die richterlichen Reichsbehörden. In formeller Hinſicht gilt die Vorſchrift, daß das R.-O.-H.-G. alle Urtheile auf Grund des Geſ. v. 14. Juni 1871 unter der Bezeichnung: „Das Reichs-Oberhandelsgericht als oberſter Gerichts- hof für Elſaß und Lothringen“ erläßt 1). II. Die Reichs-Konſular-Gerichte. 1) Den Reichskonſuln ſteht eine volle Gerichtsbarkeit ſowohl in bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten als in Strafſachen mit Einſchluß der Polizei-Jurisdiktion zu, wenn ſie in Ländern reſidiren, in welchen ihnen durch Herkommen oder durch Staatsverträge die Ausübung der Gerichtsbarkeit geſtattet iſt 2). Die Ausübung der Konſulargerichtsbarkeit ſteht jedoch nur denjenigen Konſuln zu, denen ſie vom Reichskanzler unter Anwei- ſung eines Jurisdiktionsbezirkes ſpeziell übertragen wird 3). Die Jurisdiktionsbezirke der einzelnen Konſuln werden von dem Reichs- kanzler nach Vernehmung des Bundesraths-Ausſchuſſes für Han- del und Verkehr beſtimmt 4). Unterworfen ſind der Konſulargerichtsbarkeit alle in den Kon- ſular-Jurisdiktionsbezirken wohnenden oder ſich aufhaltenden Reichs- angehörigen und Schutzgenoſſen 5). Für die Ausübung der Konſular-Gerichtsbarkeit iſt bis zum Erlaſſe eines Reichsgeſetzes das Preußiſche Geſetz über die Gerichtsbarkeit der Konſuln v. 29. Juni 1865 für maaßgebend 1) Regulativ vom 9. Juli 1874 §. 35. (Centralblatt S. 281.) 2) Konſulatsgeſetz vom 8. November 1867 §. 22 Abſ. 1. Dieſe Länder ſind die Türkei nebſt den ihrer Oberhoheit unterworfenen Ländern, vgl. jedoch für Egypten das R.-G. vom 30. März 1874 (R.-G.-Bl. S. 23); ferner Perſien, (Vertrag vom 11. Juni 1873 Art 13 R.-G.-Bl. S. 358); China, Siam, Japan (Vertr. v. 20. Febr. 1869 B.-G.-Bl. 1870 S. 1). 3) Allgem. Dienſt-Inſtruktion für die Konſuln vom 6. Juni 1871 zu §§. 22—24 in Hirth’s Annalen 1871 S. 630. 4) Konſulatsgeſetz §. 23. Vgl. Reichsgeſetzbl. 1871 S. 373. 374. 5) Konſulatsgeſetz §. 22 Abſ. 2. Für politiſche Verbrechen und Vergehen welche innerhalb des Deutſchen Reiches oder in Beziehung auf daſſelbe verübt ſind, beſteht jedoch die ſpezielle Zuſtändigkeit des Preuß. Staatsgerichtshofes. Preuß. Geſetz vom 25. April 1853 (Geſetz-Samml. S. 162). Preuß. Geſetz über die Konſulargerichtsbarkeit vom 29. Juni 1865 §. 45 (B.-G.-Bl. 1867 S. 153). Reichskonſulargeſetz a. a. O. Ueber den Begriff der Schutzge- noſſen vgl. Beſchluß des Reichs-Oberhandelsgerichts vom 2. Febr. 1875. Entſcheidungen Bd. XVI. S. 17 ff. Auch abgedruckt im Centralblatt 1875 S. 283 ff.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/386>, abgerufen am 25.04.2024.