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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.

Auch hinsichtlich der Gerichtskosten ist der dem Preuß. Ges.
v. 29. Juni 1865 angehängte Tarif vom 24. Okt. 1865 durch
das Reichsges. v. 1. Juli 1872 §. 8 (R.-G.-Bl. S. 426) in Kraft
erhalten worden.

Für alle zur Zuständigkeit der Konsuln gehörigen Rechtssachen,
sowohl Civilsachen als Criminalsachen, wird die Gerichtsbarkeit
der zweiten Instanz von dem Appellationsgericht in Stet-
tin
ausgeübt 1), welches seit Gründung des Reiches als Reichs-
Oberkonsulargericht fungirt. Die Entscheidung dritter Instanz,
soweit eine solche nach den in Betracht kommenden Prozeß-Vor-
schriften zulässig ist, hat das Reichsges. v. 22 April 1871 §. 3
(R.-G.-Bl. S. 88) von dem Preuß. Obertribunal auf das Reichs-
Oberhandelsgericht
übertragen.

2) Auch in denjenigen Staaten, in denen eine Konsular-Ju-
risdiktion nicht besteht, können die Reichskonsuln einzelne ge-
richtliche Handlungen
vornehmen und zwar nach folgenden
Regeln:

a) Allen Reichskonsulaten liegen die Amtsfunktionen der
Seemanns-Aemter ob 2); es sind ihnen ferner Untersuchungen und
Bescheinigungen richterlichen Charakters übertragen in dem Han-
delsgesetzbuch Art. 499 bei dem Verkauf eines Schiffes und Art.
686 bei der Ausstellung eines Bodmereibriefes, und in dem Ges.
v. 25. Okt. 1867 §. 16 (R.-G.-B. S. 38) in Betreff der Aus-
stellung interimistischer Schiffs-Certifikate 3); endlich sind sie er-
mächtigt Verklarungen aufzunehmen 4).


Kraft der Reichsgesetze in den Konsular-Jurisdiktionsbezirken nach Ablauf von
6 Monaten, von dem Tage gerechnet, an welchem dieselben durch das R.-G.-Bl.
verkündet worden sind. Preuß. Gesetz vom 29. Juni 1865 §. 16. 17. 20.
35. 36. In Handelssachen kommt jedoch vor dem Preuß. Partikularrecht zu-
nächst das in den Konsulatsbezirken geltende Handelsgewohnheitsrecht zur An-
wendung. Handelsgesetzbuch Art. 1. Preuß. Gesetz §. 16.
1) Preuß. Gesetz §. 23. 50. Ausgenommen sind nur Schwurgerichts-
Sachen in dem Falle, wenn ein inländisches Schwurgericht competent ist.
Ebenda §. 43.
2) Seemanns-Ordnung vom 27. Dezember 1872 §. 4. Hierher
gehört namentlich die von dem Seemanns-Amt zu treffende "vorläufige Ent-
scheidung" von Rechtsstreitigkeiten zwischen Schiffsleuten und Schiffer §. 105.
(R.-G.-Bl. S. 409 und 431).
3) Vgl. Konsulatsgesetz §. 37.
4) Konsulatsgesetz §. 36. In Deutschland sind hierzu nur die Gerichte
zuständig. Handelsgesetzbuch Art. 492.
§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.

Auch hinſichtlich der Gerichtskoſten iſt der dem Preuß. Geſ.
v. 29. Juni 1865 angehängte Tarif vom 24. Okt. 1865 durch
das Reichsgeſ. v. 1. Juli 1872 §. 8 (R.-G.-Bl. S. 426) in Kraft
erhalten worden.

Für alle zur Zuſtändigkeit der Konſuln gehörigen Rechtsſachen,
ſowohl Civilſachen als Criminalſachen, wird die Gerichtsbarkeit
der zweiten Inſtanz von dem Appellationsgericht in Stet-
tin
ausgeübt 1), welches ſeit Gründung des Reiches als Reichs-
Oberkonſulargericht fungirt. Die Entſcheidung dritter Inſtanz,
ſoweit eine ſolche nach den in Betracht kommenden Prozeß-Vor-
ſchriften zuläſſig iſt, hat das Reichsgeſ. v. 22 April 1871 §. 3
(R.-G.-Bl. S. 88) von dem Preuß. Obertribunal auf das Reichs-
Oberhandelsgericht
übertragen.

2) Auch in denjenigen Staaten, in denen eine Konſular-Ju-
risdiktion nicht beſteht, können die Reichskonſuln einzelne ge-
richtliche Handlungen
vornehmen und zwar nach folgenden
Regeln:

a) Allen Reichskonſulaten liegen die Amtsfunktionen der
Seemanns-Aemter ob 2); es ſind ihnen ferner Unterſuchungen und
Beſcheinigungen richterlichen Charakters übertragen in dem Han-
delsgeſetzbuch Art. 499 bei dem Verkauf eines Schiffes und Art.
686 bei der Ausſtellung eines Bodmereibriefes, und in dem Geſ.
v. 25. Okt. 1867 §. 16 (R.-G.-B. S. 38) in Betreff der Aus-
ſtellung interimiſtiſcher Schiffs-Certifikate 3); endlich ſind ſie er-
mächtigt Verklarungen aufzunehmen 4).


Kraft der Reichsgeſetze in den Konſular-Jurisdiktionsbezirken nach Ablauf von
6 Monaten, von dem Tage gerechnet, an welchem dieſelben durch das R.-G.-Bl.
verkündet worden ſind. Preuß. Geſetz vom 29. Juni 1865 §. 16. 17. 20.
35. 36. In Handelsſachen kommt jedoch vor dem Preuß. Partikularrecht zu-
nächſt das in den Konſulatsbezirken geltende Handelsgewohnheitsrecht zur An-
wendung. Handelsgeſetzbuch Art. 1. Preuß. Geſetz §. 16.
1) Preuß. Geſetz §. 23. 50. Ausgenommen ſind nur Schwurgerichts-
Sachen in dem Falle, wenn ein inländiſches Schwurgericht competent iſt.
Ebenda §. 43.
2) Seemanns-Ordnung vom 27. Dezember 1872 §. 4. Hierher
gehört namentlich die von dem Seemanns-Amt zu treffende „vorläufige Ent-
ſcheidung“ von Rechtsſtreitigkeiten zwiſchen Schiffsleuten und Schiffer §. 105.
(R.-G.-Bl. S. 409 und 431).
3) Vgl. Konſulatsgeſetz §. 37.
4) Konſulatsgeſetz §. 36. In Deutſchland ſind hierzu nur die Gerichte
zuſtändig. Handelsgeſetzbuch Art. 492.
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[368/0388] §. 36. Die richterlichen Reichsbehörden. Auch hinſichtlich der Gerichtskoſten iſt der dem Preuß. Geſ. v. 29. Juni 1865 angehängte Tarif vom 24. Okt. 1865 durch das Reichsgeſ. v. 1. Juli 1872 §. 8 (R.-G.-Bl. S. 426) in Kraft erhalten worden. Für alle zur Zuſtändigkeit der Konſuln gehörigen Rechtsſachen, ſowohl Civilſachen als Criminalſachen, wird die Gerichtsbarkeit der zweiten Inſtanz von dem Appellationsgericht in Stet- tin ausgeübt 1), welches ſeit Gründung des Reiches als Reichs- Oberkonſulargericht fungirt. Die Entſcheidung dritter Inſtanz, ſoweit eine ſolche nach den in Betracht kommenden Prozeß-Vor- ſchriften zuläſſig iſt, hat das Reichsgeſ. v. 22 April 1871 §. 3 (R.-G.-Bl. S. 88) von dem Preuß. Obertribunal auf das Reichs- Oberhandelsgericht übertragen. 2) Auch in denjenigen Staaten, in denen eine Konſular-Ju- risdiktion nicht beſteht, können die Reichskonſuln einzelne ge- richtliche Handlungen vornehmen und zwar nach folgenden Regeln: a) Allen Reichskonſulaten liegen die Amtsfunktionen der Seemanns-Aemter ob 2); es ſind ihnen ferner Unterſuchungen und Beſcheinigungen richterlichen Charakters übertragen in dem Han- delsgeſetzbuch Art. 499 bei dem Verkauf eines Schiffes und Art. 686 bei der Ausſtellung eines Bodmereibriefes, und in dem Geſ. v. 25. Okt. 1867 §. 16 (R.-G.-B. S. 38) in Betreff der Aus- ſtellung interimiſtiſcher Schiffs-Certifikate 3); endlich ſind ſie er- mächtigt Verklarungen aufzunehmen 4). 7) 1) Preuß. Geſetz §. 23. 50. Ausgenommen ſind nur Schwurgerichts- Sachen in dem Falle, wenn ein inländiſches Schwurgericht competent iſt. Ebenda §. 43. 2) Seemanns-Ordnung vom 27. Dezember 1872 §. 4. Hierher gehört namentlich die von dem Seemanns-Amt zu treffende „vorläufige Ent- ſcheidung“ von Rechtsſtreitigkeiten zwiſchen Schiffsleuten und Schiffer §. 105. (R.-G.-Bl. S. 409 und 431). 3) Vgl. Konſulatsgeſetz §. 37. 4) Konſulatsgeſetz §. 36. In Deutſchland ſind hierzu nur die Gerichte zuſtändig. Handelsgeſetzbuch Art. 492. 7) Kraft der Reichsgeſetze in den Konſular-Jurisdiktionsbezirken nach Ablauf von 6 Monaten, von dem Tage gerechnet, an welchem dieſelben durch das R.-G.-Bl. verkündet worden ſind. Preuß. Geſetz vom 29. Juni 1865 §. 16. 17. 20. 35. 36. In Handelsſachen kommt jedoch vor dem Preuß. Partikularrecht zu- nächſt das in den Konſulatsbezirken geltende Handelsgewohnheitsrecht zur An- wendung. Handelsgeſetzbuch Art. 1. Preuß. Geſetz §. 16.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/388>, abgerufen am 28.03.2024.