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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
Ueber die Reihenfolge, in welcher die richterlichen Mitglieder berufen
werden, enthält das Regulativ §. 4 genaue Vorschriften. Die
Reihenfolge bestimmt sich nach dem Dienstalter, so daß die älteren
Mitglieder vor den jüngeren zur Theilnahme berufen sind 1). Die
nicht richterlichen Mitglieder beruft der Präsident für die einzelnen
Sitzungen thunlichst aus dem Verwaltungszweige, welchem der
Angeschuldigte angehört 2). Bei Entscheidungen und Beschlüssen,
welche auf Grund einer mündlichen Verhandlung erlassen werden,
dürfen nur Mitglieder mitwirken, vor welchen die mündliche Ver-
handlung stattgefunden hat 3).

Der Präsident führt in allen Sitzungen den Vorsitz; ernennt
den Dezernenten oder Referenten und nach Befinden einen Kor-
referenten; ihm liegt die Leitung und Beaufsichtigung des ganzen
Geschäftsganges ob; er zeichnet die Konzepte aller Verfügungen,
vollzieht alle Reinschriften und dekretirt in allen, das Kollegium
als solches betreffenden Angelegenheiten 4).

Alle Beschlüsse und Entscheidungen werden nach Stimmen-
Mehrheit gefaßt 5); im Falle einer Meinungs-Verschiedenheit über
die Stellung der Fragen oder über das Ergebniß der Abstimmung
entscheidet das Kollegium. Die Ausfertigungen der Entscheidungen
sind mit der Ueberschrift zu versehen: "Im Namen des Deutschen
Reiches 6).

2) Die Militär-Disciplinar-Kommissionen 7).

In Betreff der Militärbeamten, welche ausschließlich unter

der ist eine fest geschlossene und darf einschließlich des Vorsitzenden nicht mehr
als fünf betragen. Vgl. Regulativ §. 3.
1) Die übrigen Vorschriften des §. 4 beziehen sich auf die Vertretung
richterlicher Mitglieder, wenn sie verhindert oder an Stelle des verhinderten
Präsidenten zur Uebernahme des Vorsitzes berufen sind.
2) Regulativ §. 5 Abs. 2.
3) Regulativ §. 6.
4) Regulativ §. 9. 13. 18.
5) Die Stimme des Präsidenten giebt bei Stimmengleichheit den Aus-
schlag; bei mündlichen Verhandlungen und Entscheidungen kann dieser Fall
nicht vorkommen (Gesetz §. 89), wohl aber bei anderen Beschlüssen. (Regulativ
§. 2. 7. 9 Abs. 4.)
6) Regulativ §. 15.
7) Vgl. die Motive zu dem Gesetz-Entwurf vom 8. April 1872. Drucks.
des Reichstages 1872 Bd. I. Nr. 9 S. 47 ff. Die Darstellung bei Kann-
gießer
Recht der Reichsbeamten S. 214 lehnt sich eng an die Motive an.

§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
Ueber die Reihenfolge, in welcher die richterlichen Mitglieder berufen
werden, enthält das Regulativ §. 4 genaue Vorſchriften. Die
Reihenfolge beſtimmt ſich nach dem Dienſtalter, ſo daß die älteren
Mitglieder vor den jüngeren zur Theilnahme berufen ſind 1). Die
nicht richterlichen Mitglieder beruft der Präſident für die einzelnen
Sitzungen thunlichſt aus dem Verwaltungszweige, welchem der
Angeſchuldigte angehört 2). Bei Entſcheidungen und Beſchlüſſen,
welche auf Grund einer mündlichen Verhandlung erlaſſen werden,
dürfen nur Mitglieder mitwirken, vor welchen die mündliche Ver-
handlung ſtattgefunden hat 3).

Der Präſident führt in allen Sitzungen den Vorſitz; ernennt
den Dezernenten oder Referenten und nach Befinden einen Kor-
referenten; ihm liegt die Leitung und Beaufſichtigung des ganzen
Geſchäftsganges ob; er zeichnet die Konzepte aller Verfügungen,
vollzieht alle Reinſchriften und dekretirt in allen, das Kollegium
als ſolches betreffenden Angelegenheiten 4).

Alle Beſchlüſſe und Entſcheidungen werden nach Stimmen-
Mehrheit gefaßt 5); im Falle einer Meinungs-Verſchiedenheit über
die Stellung der Fragen oder über das Ergebniß der Abſtimmung
entſcheidet das Kollegium. Die Ausfertigungen der Entſcheidungen
ſind mit der Ueberſchrift zu verſehen: „Im Namen des Deutſchen
Reiches 6).

2) Die Militär-Disciplinar-Kommiſſionen 7).

In Betreff der Militärbeamten, welche ausſchließlich unter

der iſt eine feſt geſchloſſene und darf einſchließlich des Vorſitzenden nicht mehr
als fünf betragen. Vgl. Regulativ §. 3.
1) Die übrigen Vorſchriften des §. 4 beziehen ſich auf die Vertretung
richterlicher Mitglieder, wenn ſie verhindert oder an Stelle des verhinderten
Präſidenten zur Uebernahme des Vorſitzes berufen ſind.
2) Regulativ §. 5 Abſ. 2.
3) Regulativ §. 6.
4) Regulativ §. 9. 13. 18.
5) Die Stimme des Präſidenten giebt bei Stimmengleichheit den Aus-
ſchlag; bei mündlichen Verhandlungen und Entſcheidungen kann dieſer Fall
nicht vorkommen (Geſetz §. 89), wohl aber bei anderen Beſchlüſſen. (Regulativ
§. 2. 7. 9 Abſ. 4.)
6) Regulativ §. 15.
7) Vgl. die Motive zu dem Geſetz-Entwurf vom 8. April 1872. Druckſ.
des Reichstages 1872 Bd. I. Nr. 9 S. 47 ff. Die Darſtellung bei Kann-
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Recht der Reichsbeamten S. 214 lehnt ſich eng an die Motive an.
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[372/0392] §. 36. Die richterlichen Reichsbehörden. Ueber die Reihenfolge, in welcher die richterlichen Mitglieder berufen werden, enthält das Regulativ §. 4 genaue Vorſchriften. Die Reihenfolge beſtimmt ſich nach dem Dienſtalter, ſo daß die älteren Mitglieder vor den jüngeren zur Theilnahme berufen ſind 1). Die nicht richterlichen Mitglieder beruft der Präſident für die einzelnen Sitzungen thunlichſt aus dem Verwaltungszweige, welchem der Angeſchuldigte angehört 2). Bei Entſcheidungen und Beſchlüſſen, welche auf Grund einer mündlichen Verhandlung erlaſſen werden, dürfen nur Mitglieder mitwirken, vor welchen die mündliche Ver- handlung ſtattgefunden hat 3). Der Präſident führt in allen Sitzungen den Vorſitz; ernennt den Dezernenten oder Referenten und nach Befinden einen Kor- referenten; ihm liegt die Leitung und Beaufſichtigung des ganzen Geſchäftsganges ob; er zeichnet die Konzepte aller Verfügungen, vollzieht alle Reinſchriften und dekretirt in allen, das Kollegium als ſolches betreffenden Angelegenheiten 4). Alle Beſchlüſſe und Entſcheidungen werden nach Stimmen- Mehrheit gefaßt 5); im Falle einer Meinungs-Verſchiedenheit über die Stellung der Fragen oder über das Ergebniß der Abſtimmung entſcheidet das Kollegium. Die Ausfertigungen der Entſcheidungen ſind mit der Ueberſchrift zu verſehen: „Im Namen des Deutſchen Reiches 6). 2) Die Militär-Disciplinar-Kommiſſionen 7). In Betreff der Militärbeamten, welche ausſchließlich unter 4) 1) Die übrigen Vorſchriften des §. 4 beziehen ſich auf die Vertretung richterlicher Mitglieder, wenn ſie verhindert oder an Stelle des verhinderten Präſidenten zur Uebernahme des Vorſitzes berufen ſind. 2) Regulativ §. 5 Abſ. 2. 3) Regulativ §. 6. 4) Regulativ §. 9. 13. 18. 5) Die Stimme des Präſidenten giebt bei Stimmengleichheit den Aus- ſchlag; bei mündlichen Verhandlungen und Entſcheidungen kann dieſer Fall nicht vorkommen (Geſetz §. 89), wohl aber bei anderen Beſchlüſſen. (Regulativ §. 2. 7. 9 Abſ. 4.) 6) Regulativ §. 15. 7) Vgl. die Motive zu dem Geſetz-Entwurf vom 8. April 1872. Druckſ. des Reichstages 1872 Bd. I. Nr. 9 S. 47 ff. Die Darſtellung bei Kann- gießer Recht der Reichsbeamten S. 214 lehnt ſich eng an die Motive an. 4) der iſt eine feſt geſchloſſene und darf einſchließlich des Vorſitzenden nicht mehr als fünf betragen. Vgl. Regulativ §. 3.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/392>, abgerufen am 28.03.2024.