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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
tiger dem Bundesamt übertragen werde. Von dieser Ermächtigung
haben Gebrauch gemacht: Preußen, Hessen, Sachsen-Weimar-
Eisenach, Braunschweig, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha,
Anhalt, beide Schwarzburg, Reuß j. L., Lippe, Lübeck und Lauen-
burg 1).

Sowohl die materiellen Rechtsgrundsätze als das zu beobach-
tende Prozeßverfahren sind durch das Gesetz vom 6. Juni 1870
geregelt 2); der Geschäftsgang ist durch ein Regulativ geordnet,
welches das Bundesamt selbst zu entwerfen und dem Bundesrathe
zur Bestätigung einzureichen hatte 3).

Eine gültige Entscheidung des Bundesamtes erfordert die An-
wesenheit von mindestens drei Mitgliedern, von denen mindestens
Eines die richterliche Qualifikation haben muß. Die Zahl ist so-
nach keine geschlossene; in allen Fällen aber muß die Zahl der
Mitglieder, welche bei der Fassung eines Beschlusses eine entschei-
dende Stimme führen, eine ungerade sein 4).

Die Entscheidung des Bundesamtes erfolgt gebührenfrei in
öffentlicher Sitzung nach erfolgter Ladung und Anhörung der Par-
teien 5). Die Vorschriften über den Geschäftsgang, die Leitung des
Verfahrens, die Fragestellung und Abstimmung, Protokollführung,
die Geschäftscontrolen u. s. w., welche das erwähnte Regulativ
aufstellt, entsprechen den für collegialische Gerichtsbehörden üblichen
Anordnungen.

Die endgültigen Entscheidungen werden "Im Namen des
Deutschen Reichs" erlassen 6). Die wichtigeren derselben werden
im Centralblatt für das deutsche Reich veröffentlicht 7).


1) Handbuch des Deutschen Reiches für 1874 S. 37.
2) Vgl. Eger in Gruchot's Beiträgen zur Erläuterung des Deutschen
Rechts. Bd 19 (Neue Folge Bd. 4) S. 87 ff.
3) Gesetz §. 45. Das Regulativ ist vom 6. Januar 1873 datirt und im
Centralblatt für das Deutsche Reich 1873 S. 4 ff. gedruckt.
4) Gesetz §. 44. "Ist die Zahl der bei der Erledigung einer Sache mit-
wirkenden Mitgliedern eine gerade, so führt dasjenige Mitglied, welches zuletzt
ernannt ist, und bei gleichem Dienstalter dasjenige, welches der Geburt nach
das jüngere ist, nur eine berathende Stimme."
5) Gesetz §. 50 Abs. 1.
6) Regulativ §. 9.
7) Eine Sammlung der Entscheidungen des Bundesamtes,
herausgegeben von Wohlers, erscheint seit 1873 in Berlin (Vahlen).

§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
tiger dem Bundesamt übertragen werde. Von dieſer Ermächtigung
haben Gebrauch gemacht: Preußen, Heſſen, Sachſen-Weimar-
Eiſenach, Braunſchweig, Sachſen-Altenburg, Sachſen-Coburg-Gotha,
Anhalt, beide Schwarzburg, Reuß j. L., Lippe, Lübeck und Lauen-
burg 1).

Sowohl die materiellen Rechtsgrundſätze als das zu beobach-
tende Prozeßverfahren ſind durch das Geſetz vom 6. Juni 1870
geregelt 2); der Geſchäftsgang iſt durch ein Regulativ geordnet,
welches das Bundesamt ſelbſt zu entwerfen und dem Bundesrathe
zur Beſtätigung einzureichen hatte 3).

Eine gültige Entſcheidung des Bundesamtes erfordert die An-
weſenheit von mindeſtens drei Mitgliedern, von denen mindeſtens
Eines die richterliche Qualifikation haben muß. Die Zahl iſt ſo-
nach keine geſchloſſene; in allen Fällen aber muß die Zahl der
Mitglieder, welche bei der Faſſung eines Beſchluſſes eine entſchei-
dende Stimme führen, eine ungerade ſein 4).

Die Entſcheidung des Bundesamtes erfolgt gebührenfrei in
öffentlicher Sitzung nach erfolgter Ladung und Anhörung der Par-
teien 5). Die Vorſchriften über den Geſchäftsgang, die Leitung des
Verfahrens, die Frageſtellung und Abſtimmung, Protokollführung,
die Geſchäftscontrolen u. ſ. w., welche das erwähnte Regulativ
aufſtellt, entſprechen den für collegialiſche Gerichtsbehörden üblichen
Anordnungen.

Die endgültigen Entſcheidungen werden „Im Namen des
Deutſchen Reichs“ erlaſſen 6). Die wichtigeren derſelben werden
im Centralblatt für das deutſche Reich veröffentlicht 7).


1) Handbuch des Deutſchen Reiches für 1874 S. 37.
2) Vgl. Eger in Gruchot’s Beiträgen zur Erläuterung des Deutſchen
Rechts. Bd 19 (Neue Folge Bd. 4) S. 87 ff.
3) Geſetz §. 45. Das Regulativ iſt vom 6. Januar 1873 datirt und im
Centralblatt für das Deutſche Reich 1873 S. 4 ff. gedruckt.
4) Geſetz §. 44. „Iſt die Zahl der bei der Erledigung einer Sache mit-
wirkenden Mitgliedern eine gerade, ſo führt dasjenige Mitglied, welches zuletzt
ernannt iſt, und bei gleichem Dienſtalter dasjenige, welches der Geburt nach
das jüngere iſt, nur eine berathende Stimme.“
5) Geſetz §. 50 Abſ. 1.
6) Regulativ §. 9.
7) Eine Sammlung der Entſcheidungen des Bundesamtes,
herausgegeben von Wohlers, erſcheint ſeit 1873 in Berlin (Vahlen).
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[379/0399] §. 36. Die richterlichen Reichsbehörden. tiger dem Bundesamt übertragen werde. Von dieſer Ermächtigung haben Gebrauch gemacht: Preußen, Heſſen, Sachſen-Weimar- Eiſenach, Braunſchweig, Sachſen-Altenburg, Sachſen-Coburg-Gotha, Anhalt, beide Schwarzburg, Reuß j. L., Lippe, Lübeck und Lauen- burg 1). Sowohl die materiellen Rechtsgrundſätze als das zu beobach- tende Prozeßverfahren ſind durch das Geſetz vom 6. Juni 1870 geregelt 2); der Geſchäftsgang iſt durch ein Regulativ geordnet, welches das Bundesamt ſelbſt zu entwerfen und dem Bundesrathe zur Beſtätigung einzureichen hatte 3). Eine gültige Entſcheidung des Bundesamtes erfordert die An- weſenheit von mindeſtens drei Mitgliedern, von denen mindeſtens Eines die richterliche Qualifikation haben muß. Die Zahl iſt ſo- nach keine geſchloſſene; in allen Fällen aber muß die Zahl der Mitglieder, welche bei der Faſſung eines Beſchluſſes eine entſchei- dende Stimme führen, eine ungerade ſein 4). Die Entſcheidung des Bundesamtes erfolgt gebührenfrei in öffentlicher Sitzung nach erfolgter Ladung und Anhörung der Par- teien 5). Die Vorſchriften über den Geſchäftsgang, die Leitung des Verfahrens, die Frageſtellung und Abſtimmung, Protokollführung, die Geſchäftscontrolen u. ſ. w., welche das erwähnte Regulativ aufſtellt, entſprechen den für collegialiſche Gerichtsbehörden üblichen Anordnungen. Die endgültigen Entſcheidungen werden „Im Namen des Deutſchen Reichs“ erlaſſen 6). Die wichtigeren derſelben werden im Centralblatt für das deutſche Reich veröffentlicht 7). 1) Handbuch des Deutſchen Reiches für 1874 S. 37. 2) Vgl. Eger in Gruchot’s Beiträgen zur Erläuterung des Deutſchen Rechts. Bd 19 (Neue Folge Bd. 4) S. 87 ff. 3) Geſetz §. 45. Das Regulativ iſt vom 6. Januar 1873 datirt und im Centralblatt für das Deutſche Reich 1873 S. 4 ff. gedruckt. 4) Geſetz §. 44. „Iſt die Zahl der bei der Erledigung einer Sache mit- wirkenden Mitgliedern eine gerade, ſo führt dasjenige Mitglied, welches zuletzt ernannt iſt, und bei gleichem Dienſtalter dasjenige, welches der Geburt nach das jüngere iſt, nur eine berathende Stimme.“ 5) Geſetz §. 50 Abſ. 1. 6) Regulativ §. 9. 7) Eine Sammlung der Entſcheidungen des Bundesamtes, herausgegeben von Wohlers, erſcheint ſeit 1873 in Berlin (Vahlen).

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/399>, abgerufen am 28.03.2024.