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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
II. Das verstärkte Reichs-Eisenbahn-Amt.

Das Gesetz vom 27. Juni 1873 §. 5 Z. 4 (R.-G.-Bl. S.
165) hat folgende Bestimmung:

"Wird gegen eine von dem Reichs-Eisenbahn-Amte verfügte
Maßregel Gegenvorstellung erhoben auf Grund der Behauptung,
daß jene Maßregel in den Gesetzen und rechtsgültigen Vorschriften
nicht begründet sei, so hat das durch Zuziehung von richterlichen
Beamten zu verstärkende Reichs-Eisenbahn-Amt über die Gegen-
vorstellung immer selbstständig und unter eigener Verant-
wortlichkeit
in kollegialer Berathung und Beschlußfassung
zu befinden."

Die Gegenvorstellung kann erhoben werden entweder von der
Kaiserl. Verwaltung der Reichs-Eisenbahnen (resp. dem Reichs-
kanzler-Amt als der vorgesetzten Behörde derselben), oder von der
Verwaltung einer Staats-Eisenbahn (resp. derjenigen Bundesre-
gierung, von welcher dieselbe ressortirt), oder von der Verwaltung
einer Privat-Eisenbahn. Sie ist gerichtet gegen eine vom Reichs-
Eisenbahnamt verfügte Anordnung; die Entscheidung betrifft aber
niemals die Frage der Zweckmäßigkeit oder irgend eine Frage tech-
nischer Natur, sondern lediglich die Rechtsfrage, ob die vom
Reichs-Eisenbahn-Amt erlassene Verfügung in den Gesetzen und
rechtsgültigen Vorschriften begründet sei. Die Entscheidung hat
demnach immer den Charakter eines verwaltungs-gerichtlichen Ur-
theils und das verstärkte Reichs-Eisenbahn-Amt hat bei Fällung
dieses Urtheils die Stellung eines Gerichtshofes. Ueber den kol-
legialischen Geschäftsgang und die dem Präsidenten zustehenden
Befugnisse hat der Bundesrath auf Grund des Gesetzes vom 27.
Juni 1873 ein Regulativ erlassen 1), welches die sehr lückenhaften
Anordnungen des Gesetzes ergänzt.

Die Einleitung des Verfahrens steht dem Reichskanzler zu.
Bei demselben ist die "Gegenvorstellung" d. h. die Beschwerde
über die Rechtswidrigkeit einer Verfügung des Reichs-Eisenbahn-
Amtes zu erheben und der Reichskanzler überweist die Sache an
das verstärkte Reichs-Eisenbahn-Amt 2). Ebenso wird der endgültig

1) Dasselbe ist vom 5. Januar 1874. Abgedruckt im Centralblatt S.
27 ff.
2) Regulativ §. 1.
§. 36. Die richterlichen Reichsbehörden.
II. Das verſtärkte Reichs-Eiſenbahn-Amt.

Das Geſetz vom 27. Juni 1873 §. 5 Z. 4 (R.-G.-Bl. S.
165) hat folgende Beſtimmung:

„Wird gegen eine von dem Reichs-Eiſenbahn-Amte verfügte
Maßregel Gegenvorſtellung erhoben auf Grund der Behauptung,
daß jene Maßregel in den Geſetzen und rechtsgültigen Vorſchriften
nicht begründet ſei, ſo hat das durch Zuziehung von richterlichen
Beamten zu verſtärkende Reichs-Eiſenbahn-Amt über die Gegen-
vorſtellung immer ſelbſtſtändig und unter eigener Verant-
wortlichkeit
in kollegialer Berathung und Beſchlußfaſſung
zu befinden.“

Die Gegenvorſtellung kann erhoben werden entweder von der
Kaiſerl. Verwaltung der Reichs-Eiſenbahnen (reſp. dem Reichs-
kanzler-Amt als der vorgeſetzten Behörde derſelben), oder von der
Verwaltung einer Staats-Eiſenbahn (reſp. derjenigen Bundesre-
gierung, von welcher dieſelbe reſſortirt), oder von der Verwaltung
einer Privat-Eiſenbahn. Sie iſt gerichtet gegen eine vom Reichs-
Eiſenbahnamt verfügte Anordnung; die Entſcheidung betrifft aber
niemals die Frage der Zweckmäßigkeit oder irgend eine Frage tech-
niſcher Natur, ſondern lediglich die Rechtsfrage, ob die vom
Reichs-Eiſenbahn-Amt erlaſſene Verfügung in den Geſetzen und
rechtsgültigen Vorſchriften begründet ſei. Die Entſcheidung hat
demnach immer den Charakter eines verwaltungs-gerichtlichen Ur-
theils und das verſtärkte Reichs-Eiſenbahn-Amt hat bei Fällung
dieſes Urtheils die Stellung eines Gerichtshofes. Ueber den kol-
legialiſchen Geſchäftsgang und die dem Präſidenten zuſtehenden
Befugniſſe hat der Bundesrath auf Grund des Geſetzes vom 27.
Juni 1873 ein Regulativ erlaſſen 1), welches die ſehr lückenhaften
Anordnungen des Geſetzes ergänzt.

Die Einleitung des Verfahrens ſteht dem Reichskanzler zu.
Bei demſelben iſt die „Gegenvorſtellung“ d. h. die Beſchwerde
über die Rechtswidrigkeit einer Verfügung des Reichs-Eiſenbahn-
Amtes zu erheben und der Reichskanzler überweiſt die Sache an
das verſtärkte Reichs-Eiſenbahn-Amt 2). Ebenſo wird der endgültig

1) Daſſelbe iſt vom 5. Januar 1874. Abgedruckt im Centralblatt S.
27 ff.
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[380/0400] §. 36. Die richterlichen Reichsbehörden. II. Das verſtärkte Reichs-Eiſenbahn-Amt. Das Geſetz vom 27. Juni 1873 §. 5 Z. 4 (R.-G.-Bl. S. 165) hat folgende Beſtimmung: „Wird gegen eine von dem Reichs-Eiſenbahn-Amte verfügte Maßregel Gegenvorſtellung erhoben auf Grund der Behauptung, daß jene Maßregel in den Geſetzen und rechtsgültigen Vorſchriften nicht begründet ſei, ſo hat das durch Zuziehung von richterlichen Beamten zu verſtärkende Reichs-Eiſenbahn-Amt über die Gegen- vorſtellung immer ſelbſtſtändig und unter eigener Verant- wortlichkeit in kollegialer Berathung und Beſchlußfaſſung zu befinden.“ Die Gegenvorſtellung kann erhoben werden entweder von der Kaiſerl. Verwaltung der Reichs-Eiſenbahnen (reſp. dem Reichs- kanzler-Amt als der vorgeſetzten Behörde derſelben), oder von der Verwaltung einer Staats-Eiſenbahn (reſp. derjenigen Bundesre- gierung, von welcher dieſelbe reſſortirt), oder von der Verwaltung einer Privat-Eiſenbahn. Sie iſt gerichtet gegen eine vom Reichs- Eiſenbahnamt verfügte Anordnung; die Entſcheidung betrifft aber niemals die Frage der Zweckmäßigkeit oder irgend eine Frage tech- niſcher Natur, ſondern lediglich die Rechtsfrage, ob die vom Reichs-Eiſenbahn-Amt erlaſſene Verfügung in den Geſetzen und rechtsgültigen Vorſchriften begründet ſei. Die Entſcheidung hat demnach immer den Charakter eines verwaltungs-gerichtlichen Ur- theils und das verſtärkte Reichs-Eiſenbahn-Amt hat bei Fällung dieſes Urtheils die Stellung eines Gerichtshofes. Ueber den kol- legialiſchen Geſchäftsgang und die dem Präſidenten zuſtehenden Befugniſſe hat der Bundesrath auf Grund des Geſetzes vom 27. Juni 1873 ein Regulativ erlaſſen 1), welches die ſehr lückenhaften Anordnungen des Geſetzes ergänzt. Die Einleitung des Verfahrens ſteht dem Reichskanzler zu. Bei demſelben iſt die „Gegenvorſtellung“ d. h. die Beſchwerde über die Rechtswidrigkeit einer Verfügung des Reichs-Eiſenbahn- Amtes zu erheben und der Reichskanzler überweiſt die Sache an das verſtärkte Reichs-Eiſenbahn-Amt 2). Ebenſo wird der endgültig 1) Daſſelbe iſt vom 5. Januar 1874. Abgedruckt im Centralblatt S. 27 ff. 2) Regulativ §. 1.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/400>, abgerufen am 19.04.2024.