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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung.
Schwere der Verletzung sein und dem entsprechend die Größe der
Disciplinarstrafe abgestuft werden.

Die criminell strafbaren Verletzungen der Amtspflicht zer-
fallen aber wieder in zwei Klassen 1). Sie können nämlich ent-
weder bestehen in Handlungen, welche an sich und allgemein straf-
bar sind, welche aber mit einer größeren Strafe bedroht sind, falls ein
Beamter sie verübt, so daß der Umstand, daß ein Beamter der Thäter
ist, einen Qualifikationsgrund, einen erschwerenden Umstand, bildet.
Oder sie können in Handlungen bestehen, welche nur dann strafbar
sind, wenn ein Beamter sie verübt, oder welche thatsächlich nur von
Beamten verübt werden können, so daß es zum wesentlichen Thatbe-
stand des Delicts gehört, daß ein Beamter Thäter ist. Die ersteren
nennt man uneigentliche, die letzteren eigentliche Amtsdelicte 2).

1. Die uneigentlichen Amtsdelicte.

Die Unmöglichkeit, durch eine logische Begriffsbestimmung die
Grenze der Amtsdelicte zu bestimmen, tritt bei den uneigentlichen
Amtsdelicten am deutlichsten hervor; denn bei jeder strafbaren
Handlung ohne Ausnahme kann der Umstand, daß ein Staatsbe-
amter sie verübt hat, für den Richter ein Strafausmessungsmoment,
und mithin auch ein Erschwerungsgrund sein. Der Gesetzgeber
wird es daher bei vielen, ja bei den meisten Kategorien von straf-
baren Handlungen dem Ermessen des Richters überlassen können,
in wie weit dem Umstande, daß ein Staatsbeamter der Thäter ist,
für die Würdigung der subjektiven Schuld Gewicht beizulegen sei.
Nur wenn der Gesetzgeber für diesen Fall eine erheblich schwerere
Strafe androhen will, als sie sonst auf die strafbare Handlung
gesetzt ist, insbesondere die Nebenstrafe der Unfähigkeit zur Be-
kleidung öffentlicher Aemter, oder wenn er auf den Richter einen

1) Vgl. Dollman im Bluntschli-Brater'schen Staatswörterb. I. S. 219.
Ueber die systematische Stellung der Amtsvergehen ist zu vgl. Alois Zucker
Skizze zu einer Monographie der Amtsverbrechen. Prag 1870. -- Für die
staatsrechtliche Seite dieser Lehre enthält die Schrift Nichts.
2) Die Grenzlinie zwischen beiden ist aber eine schwankende und es hängt
vielfach von subjectiven Auffassungen ab, ob ein Delict zu der einen oder an-
deren Klasse gezählt wird, da man jede Qualification eines verbreche-
rischen Thatbestandes auch als besondere Verbrechens-Art bezeichnen und be-
handeln kann. Vgl. Rüdorff Kommentar zum St.-G.-B. S. 450. Meves
in v. Holtzend. Handb. des Strafrechts III. S. 946. Ferner Schütze a. a. O.
Berner Lehrbuch des Deutschen Strafrechts S. 548 ff.

§. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung.
Schwere der Verletzung ſein und dem entſprechend die Größe der
Disciplinarſtrafe abgeſtuft werden.

Die criminell ſtrafbaren Verletzungen der Amtspflicht zer-
fallen aber wieder in zwei Klaſſen 1). Sie können nämlich ent-
weder beſtehen in Handlungen, welche an ſich und allgemein ſtraf-
bar ſind, welche aber mit einer größeren Strafe bedroht ſind, falls ein
Beamter ſie verübt, ſo daß der Umſtand, daß ein Beamter der Thäter
iſt, einen Qualifikationsgrund, einen erſchwerenden Umſtand, bildet.
Oder ſie können in Handlungen beſtehen, welche nur dann ſtrafbar
ſind, wenn ein Beamter ſie verübt, oder welche thatſächlich nur von
Beamten verübt werden können, ſo daß es zum weſentlichen Thatbe-
ſtand des Delicts gehört, daß ein Beamter Thäter iſt. Die erſteren
nennt man uneigentliche, die letzteren eigentliche Amtsdelicte 2).

1. Die uneigentlichen Amtsdelicte.

Die Unmöglichkeit, durch eine logiſche Begriffsbeſtimmung die
Grenze der Amtsdelicte zu beſtimmen, tritt bei den uneigentlichen
Amtsdelicten am deutlichſten hervor; denn bei jeder ſtrafbaren
Handlung ohne Ausnahme kann der Umſtand, daß ein Staatsbe-
amter ſie verübt hat, für den Richter ein Strafausmeſſungsmoment,
und mithin auch ein Erſchwerungsgrund ſein. Der Geſetzgeber
wird es daher bei vielen, ja bei den meiſten Kategorien von ſtraf-
baren Handlungen dem Ermeſſen des Richters überlaſſen können,
in wie weit dem Umſtande, daß ein Staatsbeamter der Thäter iſt,
für die Würdigung der ſubjektiven Schuld Gewicht beizulegen ſei.
Nur wenn der Geſetzgeber für dieſen Fall eine erheblich ſchwerere
Strafe androhen will, als ſie ſonſt auf die ſtrafbare Handlung
geſetzt iſt, insbeſondere die Nebenſtrafe der Unfähigkeit zur Be-
kleidung öffentlicher Aemter, oder wenn er auf den Richter einen

1) Vgl. Dollman im Bluntſchli-Brater’ſchen Staatswörterb. I. S. 219.
Ueber die ſyſtematiſche Stellung der Amtsvergehen iſt zu vgl. Alois Zucker
Skizze zu einer Monographie der Amtsverbrechen. Prag 1870. — Für die
ſtaatsrechtliche Seite dieſer Lehre enthält die Schrift Nichts.
2) Die Grenzlinie zwiſchen beiden iſt aber eine ſchwankende und es hängt
vielfach von ſubjectiven Auffaſſungen ab, ob ein Delict zu der einen oder an-
deren Klaſſe gezählt wird, da man jede Qualification eines verbreche-
riſchen Thatbeſtandes auch als beſondere Verbrechens-Art bezeichnen und be-
handeln kann. Vgl. Rüdorff Kommentar zum St.-G.-B. S. 450. Meves
in v. Holtzend. Handb. des Strafrechts III. S. 946. Ferner Schütze a. a. O.
Berner Lehrbuch des Deutſchen Strafrechts S. 548 ff.
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[434/0454] §. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. Schwere der Verletzung ſein und dem entſprechend die Größe der Disciplinarſtrafe abgeſtuft werden. Die criminell ſtrafbaren Verletzungen der Amtspflicht zer- fallen aber wieder in zwei Klaſſen 1). Sie können nämlich ent- weder beſtehen in Handlungen, welche an ſich und allgemein ſtraf- bar ſind, welche aber mit einer größeren Strafe bedroht ſind, falls ein Beamter ſie verübt, ſo daß der Umſtand, daß ein Beamter der Thäter iſt, einen Qualifikationsgrund, einen erſchwerenden Umſtand, bildet. Oder ſie können in Handlungen beſtehen, welche nur dann ſtrafbar ſind, wenn ein Beamter ſie verübt, oder welche thatſächlich nur von Beamten verübt werden können, ſo daß es zum weſentlichen Thatbe- ſtand des Delicts gehört, daß ein Beamter Thäter iſt. Die erſteren nennt man uneigentliche, die letzteren eigentliche Amtsdelicte 2). 1. Die uneigentlichen Amtsdelicte. Die Unmöglichkeit, durch eine logiſche Begriffsbeſtimmung die Grenze der Amtsdelicte zu beſtimmen, tritt bei den uneigentlichen Amtsdelicten am deutlichſten hervor; denn bei jeder ſtrafbaren Handlung ohne Ausnahme kann der Umſtand, daß ein Staatsbe- amter ſie verübt hat, für den Richter ein Strafausmeſſungsmoment, und mithin auch ein Erſchwerungsgrund ſein. Der Geſetzgeber wird es daher bei vielen, ja bei den meiſten Kategorien von ſtraf- baren Handlungen dem Ermeſſen des Richters überlaſſen können, in wie weit dem Umſtande, daß ein Staatsbeamter der Thäter iſt, für die Würdigung der ſubjektiven Schuld Gewicht beizulegen ſei. Nur wenn der Geſetzgeber für dieſen Fall eine erheblich ſchwerere Strafe androhen will, als ſie ſonſt auf die ſtrafbare Handlung geſetzt iſt, insbeſondere die Nebenſtrafe der Unfähigkeit zur Be- kleidung öffentlicher Aemter, oder wenn er auf den Richter einen 1) Vgl. Dollman im Bluntſchli-Brater’ſchen Staatswörterb. I. S. 219. Ueber die ſyſtematiſche Stellung der Amtsvergehen iſt zu vgl. Alois Zucker Skizze zu einer Monographie der Amtsverbrechen. Prag 1870. — Für die ſtaatsrechtliche Seite dieſer Lehre enthält die Schrift Nichts. 2) Die Grenzlinie zwiſchen beiden iſt aber eine ſchwankende und es hängt vielfach von ſubjectiven Auffaſſungen ab, ob ein Delict zu der einen oder an- deren Klaſſe gezählt wird, da man jede Qualification eines verbreche- riſchen Thatbeſtandes auch als beſondere Verbrechens-Art bezeichnen und be- handeln kann. Vgl. Rüdorff Kommentar zum St.-G.-B. S. 450. Meves in v. Holtzend. Handb. des Strafrechts III. S. 946. Ferner Schütze a. a. O. Berner Lehrbuch des Deutſchen Strafrechts S. 548 ff.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/454>, abgerufen am 25.04.2024.