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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung.
II. Die privatrechtlichen Folgen.

Ein Beamter kann durch Pflichtverletzungen eine Verbind-
lichkeit zum Schadens-Ersatz auf sich laden; aber nicht jede Pflicht-
verletzung hat diese Folge. Vor allem muß die Pflichtverletzung
des Beamten eine Vermögens-Beschädigung eines Anderen herbei-
geführt haben, weil es sonst an der wesentlichen Voraussetzung
der Schadens-Ersatzpflicht mangelt 1); überdies aber begründet
nicht jedes pflichtwidrige Verhalten eines Beamten, durch welches
eine Vermögensbeschädigung entstanden ist, in allen Fällen eine
Ersatz-Verbindlichkeit, sondern nur diejenigen welche den im Civil-
recht aufgestellten Voraussetzungen der Schadens-Ersatzpflicht ent-
spricht.

Bei der rechtlichen Beurtheilung dieser Frage, sind nun zwei
Fälle oder Rechtsbeziehungen zu unterscheiden; der Beamte kann
durch sein Verschulden in Führung der amtlichen Geschäfte den
Fiskus selbst beschädigen oder einen Dritten. Mit Dritten
steht der Beamte als solcher in keinerlei Rechtsverhältniß; es kann
demnach keinem Zweifel unterliegen, daß, wenn er durch ein Ver-
sehen einen Dritten beschädigt, nur die Grundsätze von der außer-
kontractlichen
Entschädigungspflicht zur Anwendung kommen
können. Zu dem Staate, der ihn angestellt, steht der Beamte da-
gegen in einem Dienstverhältniß; die sorgfältige Führung der
Amtsgeschäfte gehört zu den, durch den Anstellungsvertrag über-
nommenen Pflichten; ein Versehen in der Amtsführung könnte
daher, soweit es die Vermögens-Verwaltung des Staates angeht,
als contractliche culpa, nach Analogie der vom Mandat oder der
Dienstmiethe geltenden Regeln aufgefaßt werden. Indeß hier
zeigt sich die praktische Consequenz des oben näher ausgeführten
Grundsatzes, daß die Anstellung eines Beamten kein privatrecht-
licher Contract und das dadurch begründete Verhältniß kein obli-
gatorisches ist. Auch darf man nicht zu der Hypothese seine Zu-
flucht nehmen, daß neben der staatsrechtlichen Anstellung durch
die Zuweisung eines mit Vermögensverwaltung verbundenen Amtes
ein Mandat oder Quasi-Mandat ertheilt werde und daß demge-
gemäß der Beamte theils in einem öffentlichrechtlichen theils in
einem kontractlichen Verhältniß zum Staate stehe. Die Uebertra-

1) Vgl. Pfeiffer Prakt. Ausführungen III. S. 372.
§. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung.
II. Die privatrechtlichen Folgen.

Ein Beamter kann durch Pflichtverletzungen eine Verbind-
lichkeit zum Schadens-Erſatz auf ſich laden; aber nicht jede Pflicht-
verletzung hat dieſe Folge. Vor allem muß die Pflichtverletzung
des Beamten eine Vermögens-Beſchädigung eines Anderen herbei-
geführt haben, weil es ſonſt an der weſentlichen Vorausſetzung
der Schadens-Erſatzpflicht mangelt 1); überdies aber begründet
nicht jedes pflichtwidrige Verhalten eines Beamten, durch welches
eine Vermögensbeſchädigung entſtanden iſt, in allen Fällen eine
Erſatz-Verbindlichkeit, ſondern nur diejenigen welche den im Civil-
recht aufgeſtellten Vorausſetzungen der Schadens-Erſatzpflicht ent-
ſpricht.

Bei der rechtlichen Beurtheilung dieſer Frage, ſind nun zwei
Fälle oder Rechtsbeziehungen zu unterſcheiden; der Beamte kann
durch ſein Verſchulden in Führung der amtlichen Geſchäfte den
Fiskus ſelbſt beſchädigen oder einen Dritten. Mit Dritten
ſteht der Beamte als ſolcher in keinerlei Rechtsverhältniß; es kann
demnach keinem Zweifel unterliegen, daß, wenn er durch ein Ver-
ſehen einen Dritten beſchädigt, nur die Grundſätze von der außer-
kontractlichen
Entſchädigungspflicht zur Anwendung kommen
können. Zu dem Staate, der ihn angeſtellt, ſteht der Beamte da-
gegen in einem Dienſtverhältniß; die ſorgfältige Führung der
Amtsgeſchäfte gehört zu den, durch den Anſtellungsvertrag über-
nommenen Pflichten; ein Verſehen in der Amtsführung könnte
daher, ſoweit es die Vermögens-Verwaltung des Staates angeht,
als contractliche culpa, nach Analogie der vom Mandat oder der
Dienſtmiethe geltenden Regeln aufgefaßt werden. Indeß hier
zeigt ſich die praktiſche Conſequenz des oben näher ausgeführten
Grundſatzes, daß die Anſtellung eines Beamten kein privatrecht-
licher Contract und das dadurch begründete Verhältniß kein obli-
gatoriſches iſt. Auch darf man nicht zu der Hypotheſe ſeine Zu-
flucht nehmen, daß neben der ſtaatsrechtlichen Anſtellung durch
die Zuweiſung eines mit Vermögensverwaltung verbundenen Amtes
ein Mandat oder Quaſi-Mandat ertheilt werde und daß demge-
gemäß der Beamte theils in einem öffentlichrechtlichen theils in
einem kontractlichen Verhältniß zum Staate ſtehe. Die Uebertra-

1) Vgl. Pfeiffer Prakt. Ausführungen III. S. 372.
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[439/0459] §. 41. Die Rechtsfolgen der Pflichtverletzung. II. Die privatrechtlichen Folgen. Ein Beamter kann durch Pflichtverletzungen eine Verbind- lichkeit zum Schadens-Erſatz auf ſich laden; aber nicht jede Pflicht- verletzung hat dieſe Folge. Vor allem muß die Pflichtverletzung des Beamten eine Vermögens-Beſchädigung eines Anderen herbei- geführt haben, weil es ſonſt an der weſentlichen Vorausſetzung der Schadens-Erſatzpflicht mangelt 1); überdies aber begründet nicht jedes pflichtwidrige Verhalten eines Beamten, durch welches eine Vermögensbeſchädigung entſtanden iſt, in allen Fällen eine Erſatz-Verbindlichkeit, ſondern nur diejenigen welche den im Civil- recht aufgeſtellten Vorausſetzungen der Schadens-Erſatzpflicht ent- ſpricht. Bei der rechtlichen Beurtheilung dieſer Frage, ſind nun zwei Fälle oder Rechtsbeziehungen zu unterſcheiden; der Beamte kann durch ſein Verſchulden in Führung der amtlichen Geſchäfte den Fiskus ſelbſt beſchädigen oder einen Dritten. Mit Dritten ſteht der Beamte als ſolcher in keinerlei Rechtsverhältniß; es kann demnach keinem Zweifel unterliegen, daß, wenn er durch ein Ver- ſehen einen Dritten beſchädigt, nur die Grundſätze von der außer- kontractlichen Entſchädigungspflicht zur Anwendung kommen können. Zu dem Staate, der ihn angeſtellt, ſteht der Beamte da- gegen in einem Dienſtverhältniß; die ſorgfältige Führung der Amtsgeſchäfte gehört zu den, durch den Anſtellungsvertrag über- nommenen Pflichten; ein Verſehen in der Amtsführung könnte daher, ſoweit es die Vermögens-Verwaltung des Staates angeht, als contractliche culpa, nach Analogie der vom Mandat oder der Dienſtmiethe geltenden Regeln aufgefaßt werden. Indeß hier zeigt ſich die praktiſche Conſequenz des oben näher ausgeführten Grundſatzes, daß die Anſtellung eines Beamten kein privatrecht- licher Contract und das dadurch begründete Verhältniß kein obli- gatoriſches iſt. Auch darf man nicht zu der Hypotheſe ſeine Zu- flucht nehmen, daß neben der ſtaatsrechtlichen Anſtellung durch die Zuweiſung eines mit Vermögensverwaltung verbundenen Amtes ein Mandat oder Quaſi-Mandat ertheilt werde und daß demge- gemäß der Beamte theils in einem öffentlichrechtlichen theils in einem kontractlichen Verhältniß zum Staate ſtehe. Die Uebertra- 1) Vgl. Pfeiffer Prakt. Ausführungen III. S. 372.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/459>, abgerufen am 28.03.2024.