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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 44. Versetzung, Stellung zur Disposition, Suspension.
anderes Amt eine Aufhebung des bisherigen Verhältnisses und die
gleichzeitige Neubegründung eines anderen, also ein Analogon zur
Novation, annehmen. Hinsichtlich der einstweiligen Versetzung in
den Ruhestand endlich ist vom Standpunkte dieser Theorie aus
jede juristische Erklärung unmöglich, da hier offenbar Rechte
und Pflichten der Beamten fortdauern, trotzdem die Führung eines
Amtes aufhört; man begnügt sich daher mit einigen politischen
Erwägungen de lege ferenda oder mit dem einfachen Hinweise
auf die positiven Bestimmungen der Staatsdiener-Gesetze 1).

Es ist vielmehr davon auszugehen, daß die Führung eines
Amtes nur der Zweck ist, zu welchem Beamte angestellt werden
und daß die aus der Anstellung selbst hervorgehenden Rechte und
Pflichten unabhängig davon, daß der Beamte ein bestimmtes Amt
thatsächlich führt, fortbestehen können. Sowie aber die Regierung
gehindert ist, Beamte anzustellen, namentlich besoldete, die sie nicht
bedarf oder für welche etatsmäßige Stellen nicht bestehen, so ist
sie auch beschränkt darin, angestellten Beamten die Führung der
Amtsgeschäfte abzunehmen. Nicht rechtliche, sondern politische,
namentlich finanzielle Gründe 2) sind es, auf denen diese Beschrän-
kungen beruhen. Die Rücksicht auf das Interesse des Beamten
selbst, auf die Wahrung seiner Unabhängigkeit, auf die Sicherung
seiner Lebensstellung kömmt dabei wohl wesentlich mit in Betracht;
aber das Recht des Staates seinen Beamten die ihnen übertra-
genen Aemter zu entziehen, ist nicht durch das ihm gegenüberstehende
subjektive Recht des Beamten beschränkt, sondern durch den eigenen
Willen des Staates, durch eine auf politischen Erwägungen be-
ruhende, gesetzlich ausgesprochene Selbstbeschränkung des Staates,
welche für die Regierung allerdings maaßgebend und bindend
ist wie jeder gesetzlich erklärte Staatswille.

Von diesem Gesichtspunkte aus ergiebt sich eine Unterscheidung
zwischen den rechtlichen Schranken, welche der Disposition der Re-
gierung über die Beamten aus Gründen des öffentlichen Rechtes

1) Zachariä II. §. 143--145. v. Mohl II. §. 164 fg. v. Pözl
§. 205. Schulze I. 102. Fast ohne Ausnahme werden in allen Darstel-
lungen des Staatsdiener-Rechts die Versetzung in den Ruhestand und die Sus-
pension als Beendigungs- Arten des Staatsdiener-Verhältnisses behandelt,
wodurch sie unter einen ganz unrichtigen Gesichtspunkt gebracht werden.
2) Vgl. auch v. Gerber Grundz. §. 38.

§. 44. Verſetzung, Stellung zur Dispoſition, Suspenſion.
anderes Amt eine Aufhebung des bisherigen Verhältniſſes und die
gleichzeitige Neubegründung eines anderen, alſo ein Analogon zur
Novation, annehmen. Hinſichtlich der einſtweiligen Verſetzung in
den Ruheſtand endlich iſt vom Standpunkte dieſer Theorie aus
jede juriſtiſche Erklärung unmöglich, da hier offenbar Rechte
und Pflichten der Beamten fortdauern, trotzdem die Führung eines
Amtes aufhört; man begnügt ſich daher mit einigen politiſchen
Erwägungen de lege ferenda oder mit dem einfachen Hinweiſe
auf die poſitiven Beſtimmungen der Staatsdiener-Geſetze 1).

Es iſt vielmehr davon auszugehen, daß die Führung eines
Amtes nur der Zweck iſt, zu welchem Beamte angeſtellt werden
und daß die aus der Anſtellung ſelbſt hervorgehenden Rechte und
Pflichten unabhängig davon, daß der Beamte ein beſtimmtes Amt
thatſächlich führt, fortbeſtehen können. Sowie aber die Regierung
gehindert iſt, Beamte anzuſtellen, namentlich beſoldete, die ſie nicht
bedarf oder für welche etatsmäßige Stellen nicht beſtehen, ſo iſt
ſie auch beſchränkt darin, angeſtellten Beamten die Führung der
Amtsgeſchäfte abzunehmen. Nicht rechtliche, ſondern politiſche,
namentlich finanzielle Gründe 2) ſind es, auf denen dieſe Beſchrän-
kungen beruhen. Die Rückſicht auf das Intereſſe des Beamten
ſelbſt, auf die Wahrung ſeiner Unabhängigkeit, auf die Sicherung
ſeiner Lebensſtellung kömmt dabei wohl weſentlich mit in Betracht;
aber das Recht des Staates ſeinen Beamten die ihnen übertra-
genen Aemter zu entziehen, iſt nicht durch das ihm gegenüberſtehende
ſubjektive Recht des Beamten beſchränkt, ſondern durch den eigenen
Willen des Staates, durch eine auf politiſchen Erwägungen be-
ruhende, geſetzlich ausgeſprochene Selbſtbeſchränkung des Staates,
welche für die Regierung allerdings maaßgebend und bindend
iſt wie jeder geſetzlich erklärte Staatswille.

Von dieſem Geſichtspunkte aus ergiebt ſich eine Unterſcheidung
zwiſchen den rechtlichen Schranken, welche der Dispoſition der Re-
gierung über die Beamten aus Gründen des öffentlichen Rechtes

1) Zachariä II. §. 143—145. v. Mohl II. §. 164 fg. v. Pözl
§. 205. Schulze I. 102. Faſt ohne Ausnahme werden in allen Darſtel-
lungen des Staatsdiener-Rechts die Verſetzung in den Ruheſtand und die Suſ-
penſion als Beendigungs- Arten des Staatsdiener-Verhältniſſes behandelt,
wodurch ſie unter einen ganz unrichtigen Geſichtspunkt gebracht werden.
2) Vgl. auch v. Gerber Grundz. §. 38.
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[479/0499] §. 44. Verſetzung, Stellung zur Dispoſition, Suspenſion. anderes Amt eine Aufhebung des bisherigen Verhältniſſes und die gleichzeitige Neubegründung eines anderen, alſo ein Analogon zur Novation, annehmen. Hinſichtlich der einſtweiligen Verſetzung in den Ruheſtand endlich iſt vom Standpunkte dieſer Theorie aus jede juriſtiſche Erklärung unmöglich, da hier offenbar Rechte und Pflichten der Beamten fortdauern, trotzdem die Führung eines Amtes aufhört; man begnügt ſich daher mit einigen politiſchen Erwägungen de lege ferenda oder mit dem einfachen Hinweiſe auf die poſitiven Beſtimmungen der Staatsdiener-Geſetze 1). Es iſt vielmehr davon auszugehen, daß die Führung eines Amtes nur der Zweck iſt, zu welchem Beamte angeſtellt werden und daß die aus der Anſtellung ſelbſt hervorgehenden Rechte und Pflichten unabhängig davon, daß der Beamte ein beſtimmtes Amt thatſächlich führt, fortbeſtehen können. Sowie aber die Regierung gehindert iſt, Beamte anzuſtellen, namentlich beſoldete, die ſie nicht bedarf oder für welche etatsmäßige Stellen nicht beſtehen, ſo iſt ſie auch beſchränkt darin, angeſtellten Beamten die Führung der Amtsgeſchäfte abzunehmen. Nicht rechtliche, ſondern politiſche, namentlich finanzielle Gründe 2) ſind es, auf denen dieſe Beſchrän- kungen beruhen. Die Rückſicht auf das Intereſſe des Beamten ſelbſt, auf die Wahrung ſeiner Unabhängigkeit, auf die Sicherung ſeiner Lebensſtellung kömmt dabei wohl weſentlich mit in Betracht; aber das Recht des Staates ſeinen Beamten die ihnen übertra- genen Aemter zu entziehen, iſt nicht durch das ihm gegenüberſtehende ſubjektive Recht des Beamten beſchränkt, ſondern durch den eigenen Willen des Staates, durch eine auf politiſchen Erwägungen be- ruhende, geſetzlich ausgeſprochene Selbſtbeſchränkung des Staates, welche für die Regierung allerdings maaßgebend und bindend iſt wie jeder geſetzlich erklärte Staatswille. Von dieſem Geſichtspunkte aus ergiebt ſich eine Unterſcheidung zwiſchen den rechtlichen Schranken, welche der Dispoſition der Re- gierung über die Beamten aus Gründen des öffentlichen Rechtes 1) Zachariä II. §. 143—145. v. Mohl II. §. 164 fg. v. Pözl §. 205. Schulze I. 102. Faſt ohne Ausnahme werden in allen Darſtel- lungen des Staatsdiener-Rechts die Verſetzung in den Ruheſtand und die Suſ- penſion als Beendigungs- Arten des Staatsdiener-Verhältniſſes behandelt, wodurch ſie unter einen ganz unrichtigen Geſichtspunkt gebracht werden. 2) Vgl. auch v. Gerber Grundz. §. 38.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/499>, abgerufen am 28.03.2024.