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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 44. Versetzung, Stellung zur Disposition, Suspension.
gezogen sind, und den thatsächlichen Schranken, welche durch die
auf dem Anstellungsvertrage beruhenden Rechte des Beamten
gegeben sind. Diese thatsächlichen Schranken bestehen nun darin,
daß die Regierung dem Beamten, falls sie ihm das Amt abnimmt,
das ihm gebührende Diensteinkommen fortgewähren muß und daß
sie seine Ehre nicht durch eine Degradation antasten darf; die
rechtlichen Schranken dagegen bestimmen die gesetzlichen Voraus-
setzungen
, unter denen der Regierung es gestattet oder geboten
ist, einem Beamten die Führung eines Amtes zu entziehen. Es
sind in dieser Beziehung folgende Fälle zu unterscheiden.

I. Versetzung in ein anderes Amt.

1) Jeder Reichsbeamte muß sich die Versetzung in ein anderes
Amt gefallen lassen, wenn dasselbe von nicht geringerem Range
und etatsmäßigem Diensteinkommen ist. R.-G. §. 23. Die Um-
zugskosten sind dem Beamten zu vergüten, falls nicht die Ver-
setzung auf seinen eigenen Antrag erfolgt ist.

Unter dem Range ist der dienstliche Rang des Amtes zu
verstehen; der sogen. persönliche Rang ist auch hier rechtlich uner-
heblich und der Beamte ist nicht genöthigt, in eine niedrigere Stelle
einzutreten, wenngleich ihm zugesichert wird, daß er persönlich auch
fortan zu den Räthen der oder jener "Klasse" gehören soll. Unter
dem Diensteinkommen ist, wie oben ausgeführt wurde, die
Entschädigung für besondere Dienstunkosten nicht mit begriffen und
ebenso wenig kommt es in Betracht, ob dem Beamten durch die
Versetzung die Gelegenheit zur Verwaltung von Nebenämtern ent-
zogen wird.

2) Die Regierung ist berechtigt, die Versetzung zu verfügen,
"wenn es das dienstliche Bedürfniß erfordert", d. h. sie ist hierin
unbeschränkt, da sie allein über die Bedürfnisse des Dienstes zu
entscheiden hat.

3) Das Recht der Reichsregierung ist auch den mittelbaren
Beamten gegenüber ohne Einschränkung anerkannt; sie haben da-
her kein Recht des Widerspruchs, wenn sie in das Gebiet eines
anderen Bundesstaates versetzt werden. Zu unterscheiden davon ist
das Verhältniß des Reiches zur Regierung des Einzelstaates. Der
Staat, aus dessen Gebiet der Beamte versetzt wird, hat kein Wider-
spruchsrecht, daß ihm der Beamte durch Versetzung nicht entzogen
werde; dagegen kann die Versetzung nicht in ein solches Amt er-

§. 44. Verſetzung, Stellung zur Dispoſition, Suspenſion.
gezogen ſind, und den thatſächlichen Schranken, welche durch die
auf dem Anſtellungsvertrage beruhenden Rechte des Beamten
gegeben ſind. Dieſe thatſächlichen Schranken beſtehen nun darin,
daß die Regierung dem Beamten, falls ſie ihm das Amt abnimmt,
das ihm gebührende Dienſteinkommen fortgewähren muß und daß
ſie ſeine Ehre nicht durch eine Degradation antaſten darf; die
rechtlichen Schranken dagegen beſtimmen die geſetzlichen Voraus-
ſetzungen
, unter denen der Regierung es geſtattet oder geboten
iſt, einem Beamten die Führung eines Amtes zu entziehen. Es
ſind in dieſer Beziehung folgende Fälle zu unterſcheiden.

I. Verſetzung in ein anderes Amt.

1) Jeder Reichsbeamte muß ſich die Verſetzung in ein anderes
Amt gefallen laſſen, wenn daſſelbe von nicht geringerem Range
und etatsmäßigem Dienſteinkommen iſt. R.-G. §. 23. Die Um-
zugskoſten ſind dem Beamten zu vergüten, falls nicht die Ver-
ſetzung auf ſeinen eigenen Antrag erfolgt iſt.

Unter dem Range iſt der dienſtliche Rang des Amtes zu
verſtehen; der ſogen. perſönliche Rang iſt auch hier rechtlich uner-
heblich und der Beamte iſt nicht genöthigt, in eine niedrigere Stelle
einzutreten, wenngleich ihm zugeſichert wird, daß er perſönlich auch
fortan zu den Räthen der oder jener „Klaſſe“ gehören ſoll. Unter
dem Dienſteinkommen iſt, wie oben ausgeführt wurde, die
Entſchädigung für beſondere Dienſtunkoſten nicht mit begriffen und
ebenſo wenig kommt es in Betracht, ob dem Beamten durch die
Verſetzung die Gelegenheit zur Verwaltung von Nebenämtern ent-
zogen wird.

2) Die Regierung iſt berechtigt, die Verſetzung zu verfügen,
„wenn es das dienſtliche Bedürfniß erfordert“, d. h. ſie iſt hierin
unbeſchränkt, da ſie allein über die Bedürfniſſe des Dienſtes zu
entſcheiden hat.

3) Das Recht der Reichsregierung iſt auch den mittelbaren
Beamten gegenüber ohne Einſchränkung anerkannt; ſie haben da-
her kein Recht des Widerſpruchs, wenn ſie in das Gebiet eines
anderen Bundesſtaates verſetzt werden. Zu unterſcheiden davon iſt
das Verhältniß des Reiches zur Regierung des Einzelſtaates. Der
Staat, aus deſſen Gebiet der Beamte verſetzt wird, hat kein Wider-
ſpruchsrecht, daß ihm der Beamte durch Verſetzung nicht entzogen
werde; dagegen kann die Verſetzung nicht in ein ſolches Amt er-

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[480/0500] §. 44. Verſetzung, Stellung zur Dispoſition, Suspenſion. gezogen ſind, und den thatſächlichen Schranken, welche durch die auf dem Anſtellungsvertrage beruhenden Rechte des Beamten gegeben ſind. Dieſe thatſächlichen Schranken beſtehen nun darin, daß die Regierung dem Beamten, falls ſie ihm das Amt abnimmt, das ihm gebührende Dienſteinkommen fortgewähren muß und daß ſie ſeine Ehre nicht durch eine Degradation antaſten darf; die rechtlichen Schranken dagegen beſtimmen die geſetzlichen Voraus- ſetzungen, unter denen der Regierung es geſtattet oder geboten iſt, einem Beamten die Führung eines Amtes zu entziehen. Es ſind in dieſer Beziehung folgende Fälle zu unterſcheiden. I. Verſetzung in ein anderes Amt. 1) Jeder Reichsbeamte muß ſich die Verſetzung in ein anderes Amt gefallen laſſen, wenn daſſelbe von nicht geringerem Range und etatsmäßigem Dienſteinkommen iſt. R.-G. §. 23. Die Um- zugskoſten ſind dem Beamten zu vergüten, falls nicht die Ver- ſetzung auf ſeinen eigenen Antrag erfolgt iſt. Unter dem Range iſt der dienſtliche Rang des Amtes zu verſtehen; der ſogen. perſönliche Rang iſt auch hier rechtlich uner- heblich und der Beamte iſt nicht genöthigt, in eine niedrigere Stelle einzutreten, wenngleich ihm zugeſichert wird, daß er perſönlich auch fortan zu den Räthen der oder jener „Klaſſe“ gehören ſoll. Unter dem Dienſteinkommen iſt, wie oben ausgeführt wurde, die Entſchädigung für beſondere Dienſtunkoſten nicht mit begriffen und ebenſo wenig kommt es in Betracht, ob dem Beamten durch die Verſetzung die Gelegenheit zur Verwaltung von Nebenämtern ent- zogen wird. 2) Die Regierung iſt berechtigt, die Verſetzung zu verfügen, „wenn es das dienſtliche Bedürfniß erfordert“, d. h. ſie iſt hierin unbeſchränkt, da ſie allein über die Bedürfniſſe des Dienſtes zu entſcheiden hat. 3) Das Recht der Reichsregierung iſt auch den mittelbaren Beamten gegenüber ohne Einſchränkung anerkannt; ſie haben da- her kein Recht des Widerſpruchs, wenn ſie in das Gebiet eines anderen Bundesſtaates verſetzt werden. Zu unterſcheiden davon iſt das Verhältniß des Reiches zur Regierung des Einzelſtaates. Der Staat, aus deſſen Gebiet der Beamte verſetzt wird, hat kein Wider- ſpruchsrecht, daß ihm der Beamte durch Verſetzung nicht entzogen werde; dagegen kann die Verſetzung nicht in ein ſolches Amt er-

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/500>, abgerufen am 28.03.2024.