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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 46. Einfluß des Beamten-Verhältnisses auf and. rechtl. Verhältnisse.
§. 46. Einfluß des Beamten-Verhältnisses auf andere rechtliche
Verhältnisse.

Das Staatsdiener-Verhältniß kann rechtliche Erheblichkeit in
mehrfachen Beziehungen haben, welche nicht mit dem Anstellungs-
Vertrage und den durch denselben begründeten Rechten und Pflich-
ten in nothwendigem, logischem Zusammenhang stehen. Es können
nämlich für Beamte Rechtsregeln aufgestellt sein, welche das zwi-
schen dem Staate und dem Beamten bestehende Rechtsverhältniß
nicht zum Objekt haben, sondern nur zum Motiv; sei es, daß sie die
Anwendbarkeit allgemeiner Rechtssätze auf Beamte ausschließen, weil
durch dieselben die volle Erfüllung der Beamtenpflichten beinträchtigt
werden könnte, sei es, daß sie spezielle Rechtssätze aufstellen, für
deren Anwendung die Beamten-Eigenschaft Voraussetzung ist, um
den thatsächlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen, welche bei
Gelegenheit der Amtsführung entstehen können. Die hier in Be-
tracht kommenden Rechtssätze betreffen theils den Gerichtsstand der
Beamten, theils Befreiungen derselben von allgemeinen staatsbür-
gerlichen Lasten, theils Beschränkungen oder Begünstigungen der-
selben in privatrechtlichen Verhältnissen.

Hinsichtlich des Gerichtsstandes besteht die Nothwendigkeit, für
den Fall, daß der Beamte im Auslande seinen Amtssitz hat, die
Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes anzuordnen, und es kann
ferner im Inlande für den Beamten ein dienstlicher Wohnsitz
(domicilium necessarium) mit der Wirkung bestehen, daß derselbe
einen allgemeinen Gerichtsstand begründet, selbst wenn der Beamte
thatsächlich seinen Wohnsitz in einem andern Gerichtssprengel, etwa
in einem Nachbarorte seines Amtssitzes hat.

In Betreff der Befreiungen von allgemeinen Lasten kommen
in Betracht Begünstigungen oder Befreiungen rücksichtlich der Be-
steuerung, der Verpflichtung zur Uebernahme von Vormundschaften,
von Gemeindeämtern, des Geschworenen-Dienstes.

In privatrechtlichen Verhältnissen betreffen die für Beamte ge-
gebenen Spezialvorschriften Beschränkungen der Zwangsvollstreckung
und der Arrestlegung auf das Diensteinkommen, die Aufhebung von
Mieths-Verträgen im Falle der Versetzung, die Mitwirkung einer
Staatsbehörde bei der Siegelung des Nachlasses eines Staatsbe-
amten, die Nothwendigkeit von Eheconsensen, die Vorrechte des

§. 46. Einfluß des Beamten-Verhältniſſes auf and. rechtl. Verhältniſſe.
§. 46. Einfluß des Beamten-Verhältniſſes auf andere rechtliche
Verhältniſſe.

Das Staatsdiener-Verhältniß kann rechtliche Erheblichkeit in
mehrfachen Beziehungen haben, welche nicht mit dem Anſtellungs-
Vertrage und den durch denſelben begründeten Rechten und Pflich-
ten in nothwendigem, logiſchem Zuſammenhang ſtehen. Es können
nämlich für Beamte Rechtsregeln aufgeſtellt ſein, welche das zwi-
ſchen dem Staate und dem Beamten beſtehende Rechtsverhältniß
nicht zum Objekt haben, ſondern nur zum Motiv; ſei es, daß ſie die
Anwendbarkeit allgemeiner Rechtsſätze auf Beamte ausſchließen, weil
durch dieſelben die volle Erfüllung der Beamtenpflichten beinträchtigt
werden könnte, ſei es, daß ſie ſpezielle Rechtsſätze aufſtellen, für
deren Anwendung die Beamten-Eigenſchaft Vorausſetzung iſt, um
den thatſächlichen Verhältniſſen Rechnung zu tragen, welche bei
Gelegenheit der Amtsführung entſtehen können. Die hier in Be-
tracht kommenden Rechtsſätze betreffen theils den Gerichtsſtand der
Beamten, theils Befreiungen derſelben von allgemeinen ſtaatsbür-
gerlichen Laſten, theils Beſchränkungen oder Begünſtigungen der-
ſelben in privatrechtlichen Verhältniſſen.

Hinſichtlich des Gerichtsſtandes beſteht die Nothwendigkeit, für
den Fall, daß der Beamte im Auslande ſeinen Amtsſitz hat, die
Zuſtändigkeit eines inländiſchen Gerichtes anzuordnen, und es kann
ferner im Inlande für den Beamten ein dienſtlicher Wohnſitz
(domicilium necessarium) mit der Wirkung beſtehen, daß derſelbe
einen allgemeinen Gerichtsſtand begründet, ſelbſt wenn der Beamte
thatſächlich ſeinen Wohnſitz in einem andern Gerichtsſprengel, etwa
in einem Nachbarorte ſeines Amtsſitzes hat.

In Betreff der Befreiungen von allgemeinen Laſten kommen
in Betracht Begünſtigungen oder Befreiungen rückſichtlich der Be-
ſteuerung, der Verpflichtung zur Uebernahme von Vormundſchaften,
von Gemeindeämtern, des Geſchworenen-Dienſtes.

In privatrechtlichen Verhältniſſen betreffen die für Beamte ge-
gebenen Spezialvorſchriften Beſchränkungen der Zwangsvollſtreckung
und der Arreſtlegung auf das Dienſteinkommen, die Aufhebung von
Mieths-Verträgen im Falle der Verſetzung, die Mitwirkung einer
Staatsbehörde bei der Siegelung des Nachlaſſes eines Staatsbe-
amten, die Nothwendigkeit von Eheconſenſen, die Vorrechte des

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[495/0515] §. 46. Einfluß des Beamten-Verhältniſſes auf and. rechtl. Verhältniſſe. §. 46. Einfluß des Beamten-Verhältniſſes auf andere rechtliche Verhältniſſe. Das Staatsdiener-Verhältniß kann rechtliche Erheblichkeit in mehrfachen Beziehungen haben, welche nicht mit dem Anſtellungs- Vertrage und den durch denſelben begründeten Rechten und Pflich- ten in nothwendigem, logiſchem Zuſammenhang ſtehen. Es können nämlich für Beamte Rechtsregeln aufgeſtellt ſein, welche das zwi- ſchen dem Staate und dem Beamten beſtehende Rechtsverhältniß nicht zum Objekt haben, ſondern nur zum Motiv; ſei es, daß ſie die Anwendbarkeit allgemeiner Rechtsſätze auf Beamte ausſchließen, weil durch dieſelben die volle Erfüllung der Beamtenpflichten beinträchtigt werden könnte, ſei es, daß ſie ſpezielle Rechtsſätze aufſtellen, für deren Anwendung die Beamten-Eigenſchaft Vorausſetzung iſt, um den thatſächlichen Verhältniſſen Rechnung zu tragen, welche bei Gelegenheit der Amtsführung entſtehen können. Die hier in Be- tracht kommenden Rechtsſätze betreffen theils den Gerichtsſtand der Beamten, theils Befreiungen derſelben von allgemeinen ſtaatsbür- gerlichen Laſten, theils Beſchränkungen oder Begünſtigungen der- ſelben in privatrechtlichen Verhältniſſen. Hinſichtlich des Gerichtsſtandes beſteht die Nothwendigkeit, für den Fall, daß der Beamte im Auslande ſeinen Amtsſitz hat, die Zuſtändigkeit eines inländiſchen Gerichtes anzuordnen, und es kann ferner im Inlande für den Beamten ein dienſtlicher Wohnſitz (domicilium necessarium) mit der Wirkung beſtehen, daß derſelbe einen allgemeinen Gerichtsſtand begründet, ſelbſt wenn der Beamte thatſächlich ſeinen Wohnſitz in einem andern Gerichtsſprengel, etwa in einem Nachbarorte ſeines Amtsſitzes hat. In Betreff der Befreiungen von allgemeinen Laſten kommen in Betracht Begünſtigungen oder Befreiungen rückſichtlich der Be- ſteuerung, der Verpflichtung zur Uebernahme von Vormundſchaften, von Gemeindeämtern, des Geſchworenen-Dienſtes. In privatrechtlichen Verhältniſſen betreffen die für Beamte ge- gebenen Spezialvorſchriften Beſchränkungen der Zwangsvollſtreckung und der Arreſtlegung auf das Dienſteinkommen, die Aufhebung von Mieths-Verträgen im Falle der Verſetzung, die Mitwirkung einer Staatsbehörde bei der Siegelung des Nachlaſſes eines Staatsbe- amten, die Nothwendigkeit von Eheconſenſen, die Vorrechte des

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/515>, abgerufen am 23.04.2024.