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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876.

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§. 3. Das Verhältniß des nordd. Bundes zu den südd. Staaten.
§ 3. Das Verhältniß des Norddeutschen Bundes zu den
süddeutschen Staaten.

Durch den Prager Frieden Art. IV hatte Preußen sich
Oesterreich gegenüber verpflichtet, das "engere Bundesverhältniß"
nach Süden hin nicht über die Linie des Mains auszudehnen;
den süddeutschen Staaten sollte vielmehr freistehen, in einen
Verein zusammenzutreten, der mit dem norddeutschen Bunde zwar
über eine "nationale Verbindung" sich sollte "verständigen" dür-
fen, aber "eine internationale, unabhängige Existenz haben" sollte.

Zur Bildung des Südbundes kam es nicht und daher auch
nicht zur "näheren Verständigung" des Südbundes und Nordbun-
des; wol aber gelang alsbald eine sehr nahe Verständigung zwi-
schen dem Norddeutschen Bunde und den einzelnen süddeutschen
Staaten, welche ein ungleich festeres Einheitsband um alle deut-
schen Staaten (mit Ausnahme Oesterreichs) schlang als es jemals
zu den Zeiten des alten Deutschen Bundes bestanden hatte 1).
Da diese Zustände nur vorübergehende Bedeutung hatten, so ge-
nügt es, dieselben ganz kurz zu scizziren.


Maaße zu; rechtlich war er nur eine Versammlung, vom Volke gewählter
politischer Vertrauensmänner oder Sachverständiger, welche über den von den
verbündeten Regierungen vorgelegten Verfassungsentwurf ein Gutachten abzu-
geben hatte. Die "Vereinbarung" zwischen den Bundesregierungen und dem
Reichstage war nur die Ausgleichung der Ansichten über die dem Bunde
zu gebende Verfassung, welche aber allerdings für die Erfüllung des August-
bündnisses eine wesentliche Voraussetzung war. Eine Vereinbarung im Sinne
des Vertrages schlossen lediglich die Regierungen unter einander. In derselben
Richtung wie Thudichum argumentirt Westerkamp S. 21 u. 28; er
nimmt aber 3 Klassen von "Kontrahenten bei der Norddeutschen Bundesver-
fassung" an, nämlich "1. die Fürsten und die freien Städte. 2. die Bevöl-
kerungen der einzelnen Staaten, repräsentirt durch ihre gesetzlichen Vertreter;
3. das Norddeutsche Volk in seiner Gesammtheit, repräsentirt durch den kon-
stituirenden Reichstag." Richtig betont die blos berathende Function des
Reichstages G. Meyer, Staatsrechtliche Erörterungen S. 57 Note 3; eine
entgegengesetzte Theorie versucht Hänel I. S. 71 zu begründen.
1) Von den zahllosen verläumderischen Vorwürfen, mit denen die Preu-
ßische Politik von 1866 überschüttet wurde, ist keiner von der Wahrheit weiter
entfernt, als der, daß die Mainlinie eine Zerreißung Deutschlands bewirkt
habe; sie bedeutete nur einen graduellen Unterschied in der Vereinigung
Deutschlands, in dem die Staaten nördlich des Mains enger unter einander
verbunden waren, als mit den Staaten südlich des Mains und diese unter
sich. Im Vergleich zu dem, was der Deutsche Bund gewährte, war auch diese
weniger enge Verbindung ein unermeßlicher Fortschritt.
§. 3. Das Verhältniß des nordd. Bundes zu den ſüdd. Staaten.
§ 3. Das Verhältniß des Norddeutſchen Bundes zu den
ſüddeutſchen Staaten.

Durch den Prager Frieden Art. IV hatte Preußen ſich
Oeſterreich gegenüber verpflichtet, das „engere Bundesverhältniß“
nach Süden hin nicht über die Linie des Mains auszudehnen;
den ſüddeutſchen Staaten ſollte vielmehr freiſtehen, in einen
Verein zuſammenzutreten, der mit dem norddeutſchen Bunde zwar
über eine „nationale Verbindung“ ſich ſollte „verſtändigen“ dür-
fen, aber „eine internationale, unabhängige Exiſtenz haben“ ſollte.

Zur Bildung des Südbundes kam es nicht und daher auch
nicht zur „näheren Verſtändigung“ des Südbundes und Nordbun-
des; wol aber gelang alsbald eine ſehr nahe Verſtändigung zwi-
ſchen dem Norddeutſchen Bunde und den einzelnen ſüddeutſchen
Staaten, welche ein ungleich feſteres Einheitsband um alle deut-
ſchen Staaten (mit Ausnahme Oeſterreichs) ſchlang als es jemals
zu den Zeiten des alten Deutſchen Bundes beſtanden hatte 1).
Da dieſe Zuſtände nur vorübergehende Bedeutung hatten, ſo ge-
nügt es, dieſelben ganz kurz zu ſcizziren.


Maaße zu; rechtlich war er nur eine Verſammlung, vom Volke gewählter
politiſcher Vertrauensmänner oder Sachverſtändiger, welche über den von den
verbündeten Regierungen vorgelegten Verfaſſungsentwurf ein Gutachten abzu-
geben hatte. Die „Vereinbarung“ zwiſchen den Bundesregierungen und dem
Reichstage war nur die Ausgleichung der Anſichten über die dem Bunde
zu gebende Verfaſſung, welche aber allerdings für die Erfüllung des Auguſt-
bündniſſes eine weſentliche Vorausſetzung war. Eine Vereinbarung im Sinne
des Vertrages ſchloſſen lediglich die Regierungen unter einander. In derſelben
Richtung wie Thudichum argumentirt Weſterkamp S. 21 u. 28; er
nimmt aber 3 Klaſſen von „Kontrahenten bei der Norddeutſchen Bundesver-
faſſung“ an, nämlich „1. die Fürſten und die freien Städte. 2. die Bevöl-
kerungen der einzelnen Staaten, repräſentirt durch ihre geſetzlichen Vertreter;
3. das Norddeutſche Volk in ſeiner Geſammtheit, repräſentirt durch den kon-
ſtituirenden Reichstag.“ Richtig betont die blos berathende Function des
Reichstages G. Meyer, Staatsrechtliche Erörterungen S. 57 Note 3; eine
entgegengeſetzte Theorie verſucht Hänel I. S. 71 zu begründen.
1) Von den zahlloſen verläumderiſchen Vorwürfen, mit denen die Preu-
ßiſche Politik von 1866 überſchüttet wurde, iſt keiner von der Wahrheit weiter
entfernt, als der, daß die Mainlinie eine Zerreißung Deutſchlands bewirkt
habe; ſie bedeutete nur einen graduellen Unterſchied in der Vereinigung
Deutſchlands, in dem die Staaten nördlich des Mains enger unter einander
verbunden waren, als mit den Staaten ſüdlich des Mains und dieſe unter
ſich. Im Vergleich zu dem, was der Deutſche Bund gewährte, war auch dieſe
weniger enge Verbindung ein unermeßlicher Fortſchritt.
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[34/0054] §. 3. Das Verhältniß des nordd. Bundes zu den ſüdd. Staaten. § 3. Das Verhältniß des Norddeutſchen Bundes zu den ſüddeutſchen Staaten. Durch den Prager Frieden Art. IV hatte Preußen ſich Oeſterreich gegenüber verpflichtet, das „engere Bundesverhältniß“ nach Süden hin nicht über die Linie des Mains auszudehnen; den ſüddeutſchen Staaten ſollte vielmehr freiſtehen, in einen Verein zuſammenzutreten, der mit dem norddeutſchen Bunde zwar über eine „nationale Verbindung“ ſich ſollte „verſtändigen“ dür- fen, aber „eine internationale, unabhängige Exiſtenz haben“ ſollte. Zur Bildung des Südbundes kam es nicht und daher auch nicht zur „näheren Verſtändigung“ des Südbundes und Nordbun- des; wol aber gelang alsbald eine ſehr nahe Verſtändigung zwi- ſchen dem Norddeutſchen Bunde und den einzelnen ſüddeutſchen Staaten, welche ein ungleich feſteres Einheitsband um alle deut- ſchen Staaten (mit Ausnahme Oeſterreichs) ſchlang als es jemals zu den Zeiten des alten Deutſchen Bundes beſtanden hatte 1). Da dieſe Zuſtände nur vorübergehende Bedeutung hatten, ſo ge- nügt es, dieſelben ganz kurz zu ſcizziren. 2) 1) Von den zahlloſen verläumderiſchen Vorwürfen, mit denen die Preu- ßiſche Politik von 1866 überſchüttet wurde, iſt keiner von der Wahrheit weiter entfernt, als der, daß die Mainlinie eine Zerreißung Deutſchlands bewirkt habe; ſie bedeutete nur einen graduellen Unterſchied in der Vereinigung Deutſchlands, in dem die Staaten nördlich des Mains enger unter einander verbunden waren, als mit den Staaten ſüdlich des Mains und dieſe unter ſich. Im Vergleich zu dem, was der Deutſche Bund gewährte, war auch dieſe weniger enge Verbindung ein unermeßlicher Fortſchritt. 2) Maaße zu; rechtlich war er nur eine Verſammlung, vom Volke gewählter politiſcher Vertrauensmänner oder Sachverſtändiger, welche über den von den verbündeten Regierungen vorgelegten Verfaſſungsentwurf ein Gutachten abzu- geben hatte. Die „Vereinbarung“ zwiſchen den Bundesregierungen und dem Reichstage war nur die Ausgleichung der Anſichten über die dem Bunde zu gebende Verfaſſung, welche aber allerdings für die Erfüllung des Auguſt- bündniſſes eine weſentliche Vorausſetzung war. Eine Vereinbarung im Sinne des Vertrages ſchloſſen lediglich die Regierungen unter einander. In derſelben Richtung wie Thudichum argumentirt Weſterkamp S. 21 u. 28; er nimmt aber 3 Klaſſen von „Kontrahenten bei der Norddeutſchen Bundesver- faſſung“ an, nämlich „1. die Fürſten und die freien Städte. 2. die Bevöl- kerungen der einzelnen Staaten, repräſentirt durch ihre geſetzlichen Vertreter; 3. das Norddeutſche Volk in ſeiner Geſammtheit, repräſentirt durch den kon- ſtituirenden Reichstag.“ Richtig betont die blos berathende Function des Reichstages G. Meyer, Staatsrechtliche Erörterungen S. 57 Note 3; eine entgegengeſetzte Theorie verſucht Hänel I. S. 71 zu begründen.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 1. Tübingen, 1876, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht01_1876/54>, abgerufen am 19.04.2024.