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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877.

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§. 61. Reichsgesetzgebung und Landesgesetzgebung.
ersch eint auch in der That der Art 2 nicht anwendbar, da eine
solche Ermächtigung keine Vorschrift ist, welche einen Rechtssatz zum
Inhalt hat.

5) Endlich bedarf der Fall noch der Erwähnung, wenn das
Gesetz einen bestimmten Anfangstermin seiner Geltung enthält, die
Verkündigung desselben aber über diesen Termin hinaus sich ver-
zögert. Da die Verkündigung ein wesentliches Erforderniß für
die Existenz eines Gesetzes ist, so ergibt sich, daß das Gesetz vor
seiner Verkündigung keinerlei Rechtskraft äußern kann und daß
daher auch die Bestimmung über den Beginn seiner Geltung vor
der Verkündigung rechtlich als nicht vorhanden anzusehen ist. In
wie weit aber die in dem Gesetz enthaltenen Rechtsvorschriften nach
Verkündigung des Gesetzes auf Thatbestände oder Rechtsverhält-
nisse zurückzubeziehen sind, welche in der Zwischenzeit zwischen dem
im Gesetz angegebenen Tage der Wirksamkeit und dem Tage der
Verkündigung ihre Entstehung haben, ist lediglich nach dem Inhalt
des Gesetzes zu beurtheilen 1).

§. 61. Reichsgesetzgebung und Landesgesetzgebung.

I. Da im Bundesstaate die Einzelstaaten der staatlichen Herr-
schaft des Bundes unterworfen sind 2), so ergibt sich, daß die
Bundesgesetze nicht blos die rechtlichen Schranken für die Hand-

(B.-G.-Bl. 1870 S. 312. 314.) Das Ges. v. 17. Juli 1871 und die dazu
gehörige Kaiserl. V. vom 19. August 1871 sind in einem und demselben Stück
des Reichsgesetzbl. am 27. Aug. 1871 verkündigt (S. 325. 326) und dieser
27. Aug. 1871 ist zugleich der Tag, an welchem die V. in Kraft trat.
1) In der Gesetzgebungs-Geschichte des Deutschen Reiches ist ein Fall
dieser Art zu erwähnen, der aber allerdings nicht vollkommen hierher gehört.
Der Verfassungs-Bündniß-Vertrag mit Bayern ist am 31.
Januar 1871 verkündigt worden und sollte mit dem 1. Januar 1871 in Wirk-
samkeit treten. Vgl. darüber Bd. I. S. 47. Es ist bereits wiederholt vorge-
kommen, daß sich die Verkündigung einer Rechtsvorschrift bis fast zu dem
Tage verzögerte, an welchem sie in Kraft treten sollte; so die Verordn. vom
29. Juli 1868 (verkündigt am 10. August. B.-G.-Bl. S. 465), die Verordn.
v. 19. Oct. 1868 (verkündigt am 31. Oct. B.-G.-Bl. S. 513); das Ges. vom
11. Juni 1870, welches die Aufhebung des Elbzolls am 1. Juli anordnet, ist
am 29. Juni verkündigt; vergl. ferner die in der vorigen Note erwähnte V.
v. 19. Aug. 1871.
2) Vgl. oben Bd. I. §. 8.

§. 61. Reichsgeſetzgebung und Landesgeſetzgebung.
erſch eint auch in der That der Art 2 nicht anwendbar, da eine
ſolche Ermächtigung keine Vorſchrift iſt, welche einen Rechtsſatz zum
Inhalt hat.

5) Endlich bedarf der Fall noch der Erwähnung, wenn das
Geſetz einen beſtimmten Anfangstermin ſeiner Geltung enthält, die
Verkündigung deſſelben aber über dieſen Termin hinaus ſich ver-
zögert. Da die Verkündigung ein weſentliches Erforderniß für
die Exiſtenz eines Geſetzes iſt, ſo ergibt ſich, daß das Geſetz vor
ſeiner Verkündigung keinerlei Rechtskraft äußern kann und daß
daher auch die Beſtimmung über den Beginn ſeiner Geltung vor
der Verkündigung rechtlich als nicht vorhanden anzuſehen iſt. In
wie weit aber die in dem Geſetz enthaltenen Rechtsvorſchriften nach
Verkündigung des Geſetzes auf Thatbeſtände oder Rechtsverhält-
niſſe zurückzubeziehen ſind, welche in der Zwiſchenzeit zwiſchen dem
im Geſetz angegebenen Tage der Wirkſamkeit und dem Tage der
Verkündigung ihre Entſtehung haben, iſt lediglich nach dem Inhalt
des Geſetzes zu beurtheilen 1).

§. 61. Reichsgeſetzgebung und Landesgeſetzgebung.

I. Da im Bundesſtaate die Einzelſtaaten der ſtaatlichen Herr-
ſchaft des Bundes unterworfen ſind 2), ſo ergibt ſich, daß die
Bundesgeſetze nicht blos die rechtlichen Schranken für die Hand-

(B.-G.-Bl. 1870 S. 312. 314.) Das Geſ. v. 17. Juli 1871 und die dazu
gehörige Kaiſerl. V. vom 19. Auguſt 1871 ſind in einem und demſelben Stück
des Reichsgeſetzbl. am 27. Aug. 1871 verkündigt (S. 325. 326) und dieſer
27. Aug. 1871 iſt zugleich der Tag, an welchem die V. in Kraft trat.
1) In der Geſetzgebungs-Geſchichte des Deutſchen Reiches iſt ein Fall
dieſer Art zu erwähnen, der aber allerdings nicht vollkommen hierher gehört.
Der Verfaſſungs-Bündniß-Vertrag mit Bayern iſt am 31.
Januar 1871 verkündigt worden und ſollte mit dem 1. Januar 1871 in Wirk-
ſamkeit treten. Vgl. darüber Bd. I. S. 47. Es iſt bereits wiederholt vorge-
kommen, daß ſich die Verkündigung einer Rechtsvorſchrift bis faſt zu dem
Tage verzögerte, an welchem ſie in Kraft treten ſollte; ſo die Verordn. vom
29. Juli 1868 (verkündigt am 10. Auguſt. B.-G.-Bl. S. 465), die Verordn.
v. 19. Oct. 1868 (verkündigt am 31. Oct. B.-G.-Bl. S. 513); das Geſ. vom
11. Juni 1870, welches die Aufhebung des Elbzolls am 1. Juli anordnet, iſt
am 29. Juni verkündigt; vergl. ferner die in der vorigen Note erwähnte V.
v. 19. Aug. 1871.
2) Vgl. oben Bd. I. §. 8.
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[106/0120] §. 61. Reichsgeſetzgebung und Landesgeſetzgebung. erſch eint auch in der That der Art 2 nicht anwendbar, da eine ſolche Ermächtigung keine Vorſchrift iſt, welche einen Rechtsſatz zum Inhalt hat. 5) Endlich bedarf der Fall noch der Erwähnung, wenn das Geſetz einen beſtimmten Anfangstermin ſeiner Geltung enthält, die Verkündigung deſſelben aber über dieſen Termin hinaus ſich ver- zögert. Da die Verkündigung ein weſentliches Erforderniß für die Exiſtenz eines Geſetzes iſt, ſo ergibt ſich, daß das Geſetz vor ſeiner Verkündigung keinerlei Rechtskraft äußern kann und daß daher auch die Beſtimmung über den Beginn ſeiner Geltung vor der Verkündigung rechtlich als nicht vorhanden anzuſehen iſt. In wie weit aber die in dem Geſetz enthaltenen Rechtsvorſchriften nach Verkündigung des Geſetzes auf Thatbeſtände oder Rechtsverhält- niſſe zurückzubeziehen ſind, welche in der Zwiſchenzeit zwiſchen dem im Geſetz angegebenen Tage der Wirkſamkeit und dem Tage der Verkündigung ihre Entſtehung haben, iſt lediglich nach dem Inhalt des Geſetzes zu beurtheilen 1). §. 61. Reichsgeſetzgebung und Landesgeſetzgebung. I. Da im Bundesſtaate die Einzelſtaaten der ſtaatlichen Herr- ſchaft des Bundes unterworfen ſind 2), ſo ergibt ſich, daß die Bundesgeſetze nicht blos die rechtlichen Schranken für die Hand- 3) 1) In der Geſetzgebungs-Geſchichte des Deutſchen Reiches iſt ein Fall dieſer Art zu erwähnen, der aber allerdings nicht vollkommen hierher gehört. Der Verfaſſungs-Bündniß-Vertrag mit Bayern iſt am 31. Januar 1871 verkündigt worden und ſollte mit dem 1. Januar 1871 in Wirk- ſamkeit treten. Vgl. darüber Bd. I. S. 47. Es iſt bereits wiederholt vorge- kommen, daß ſich die Verkündigung einer Rechtsvorſchrift bis faſt zu dem Tage verzögerte, an welchem ſie in Kraft treten ſollte; ſo die Verordn. vom 29. Juli 1868 (verkündigt am 10. Auguſt. B.-G.-Bl. S. 465), die Verordn. v. 19. Oct. 1868 (verkündigt am 31. Oct. B.-G.-Bl. S. 513); das Geſ. vom 11. Juni 1870, welches die Aufhebung des Elbzolls am 1. Juli anordnet, iſt am 29. Juni verkündigt; vergl. ferner die in der vorigen Note erwähnte V. v. 19. Aug. 1871. 2) Vgl. oben Bd. I. §. 8. 3) (B.-G.-Bl. 1870 S. 312. 314.) Das Geſ. v. 17. Juli 1871 und die dazu gehörige Kaiſerl. V. vom 19. Auguſt 1871 ſind in einem und demſelben Stück des Reichsgeſetzbl. am 27. Aug. 1871 verkündigt (S. 325. 326) und dieſer 27. Aug. 1871 iſt zugleich der Tag, an welchem die V. in Kraft trat.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 2. Tübingen, 1877, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht02_1878/120>, abgerufen am 19.04.2024.