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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 90. Einfluß d. Militairdienst-Verhältnisses auf and. Rechtsverhältnisse.
allgemeinen staatsbürgerlichen Lasten oder Rechten, theils endlich Be-
schränkungen oder Begünstigungen in privatrechtlichen Verhältnissen.

I. Besondere Vorschriften hinsichtlich der
Rechtsverfolgung
.

1. In Strafsachen unterliegen Militairpersonen einer be-
sonderen Gerichtsbarkeit. Dieselbe soll durch Reichsgesetz geregelt
werden 1). Bisher ist die reichsgesetzliche Regelung jedoch noch
nicht erfolgt und ein übereinstimmendes Recht im Bundesgebiet
noch nicht hergestellt. Die Militair-Strafgerichts-Ordnung für das
Preußische Heer v. 3. April 1845 ist auf Grund des Art. 61
der Bundes-Verf. im ganzen Gebiet des Norddeutschen Bundes
durch Verordnung vom 29. Dezemb. 1867 (B. G.Bl. S. 185),
in Südhessen auf Grund der Militairkonvention v. 4. April 1867
Art. 14 und bei der Errichtung des Deutschen Reiches in Baden
eingeführt worden 2); ausgeschlossen wurde ihre Einführung in
Württemberg 3) und Bayern 4). In Elsaß-Lothringen ist die Ein-
führung erfolgt durch das Gesetz v. 23. Januar 1872 5). Es be-
stehen sonach zur Zeit im Reich drei verschiedene Militair-Straf-
gerichts-Ordnungen, die Preußische v. 3. April 1845, die Bayerische
v. 29. April 1869 6) und die Württembergische v. 20. Juli 1818.
Die Militair-Gerichtsbarkeit umfaßt nicht blos die spezifisch mili-
tairischen Delicte, sondern alle Strafsachen 7) und sie umfaßt auch

1) Milit.Gesetz §. 39 Abs. 1.
2) Reichsverf. Art. 61. Verordn. v. 24. Nov. 1872. R.G.Bl. S. 401.
3) Mil.Konvent. Art. 10 Abs. 3. (B.G.Bl. 1870 S. 660.)
4) Vertr. v. 23. Nov. 1870. III §. 5. R.G.Bl. 1871 S. 19.
5) Gesetzbl. f. Els.-Lothr. 1872 S. 83.
6) Dieselbe ist revidirt und von Neuem verkundigt worden durch Verordn.
v. 6. Nov. 1872. Bayer. Mil.V.Bl. 1872 S. 453.
7) Auch die in den §§. 69 und 77 der R.Strafproceß-Ordn. normirten.
Nach der Preuß. Mil.Strafger.Ordn. §. 3 sind jedoch ausgenommen Kontra-
ventionen gegen Finanz- und Polizeigesetze und gegen Jagd- und Fischerei-
Verordnungen in dem Falle, wenn die Kontravention im Gesetz nur mit Geld-
buße oder Konfiskation bedroht ist. Wenn dagegen auf Freiheitsstrafe erkannt
werden kann, so sind die Militairgerichte ausschließlich kompetent. -- Vgl.
hierzu die Verf. des General-Auditoriats v. 10. März 1868 bei v. Helldorff
IV. 4. S. 74. Zu den Kontraventionen gegen Finanzgesetze im Sinne des
§. 3 cit. gehören auch die Post- und Portodefraudationen. -- Uebereinstimmend
Bayer. Mil.St.G.O. Art. 2 Abs. 2.

§. 90. Einfluß d. Militairdienſt-Verhältniſſes auf and. Rechtsverhältniſſe.
allgemeinen ſtaatsbürgerlichen Laſten oder Rechten, theils endlich Be-
ſchränkungen oder Begünſtigungen in privatrechtlichen Verhältniſſen.

I. Beſondere Vorſchriften hinſichtlich der
Rechtsverfolgung
.

1. In Strafſachen unterliegen Militairperſonen einer be-
ſonderen Gerichtsbarkeit. Dieſelbe ſoll durch Reichsgeſetz geregelt
werden 1). Bisher iſt die reichsgeſetzliche Regelung jedoch noch
nicht erfolgt und ein übereinſtimmendes Recht im Bundesgebiet
noch nicht hergeſtellt. Die Militair-Strafgerichts-Ordnung für das
Preußiſche Heer v. 3. April 1845 iſt auf Grund des Art. 61
der Bundes-Verf. im ganzen Gebiet des Norddeutſchen Bundes
durch Verordnung vom 29. Dezemb. 1867 (B. G.Bl. S. 185),
in Südheſſen auf Grund der Militairkonvention v. 4. April 1867
Art. 14 und bei der Errichtung des Deutſchen Reiches in Baden
eingeführt worden 2); ausgeſchloſſen wurde ihre Einführung in
Württemberg 3) und Bayern 4). In Elſaß-Lothringen iſt die Ein-
führung erfolgt durch das Geſetz v. 23. Januar 1872 5). Es be-
ſtehen ſonach zur Zeit im Reich drei verſchiedene Militair-Straf-
gerichts-Ordnungen, die Preußiſche v. 3. April 1845, die Bayeriſche
v. 29. April 1869 6) und die Württembergiſche v. 20. Juli 1818.
Die Militair-Gerichtsbarkeit umfaßt nicht blos die ſpezifiſch mili-
tairiſchen Delicte, ſondern alle Strafſachen 7) und ſie umfaßt auch

1) Milit.Geſetz §. 39 Abſ. 1.
2) Reichsverf. Art. 61. Verordn. v. 24. Nov. 1872. R.G.Bl. S. 401.
3) Mil.Konvent. Art. 10 Abſ. 3. (B.G.Bl. 1870 S. 660.)
4) Vertr. v. 23. Nov. 1870. III §. 5. R.G.Bl. 1871 S. 19.
5) Geſetzbl. f. Elſ.-Lothr. 1872 S. 83.
6) Dieſelbe iſt revidirt und von Neuem verkundigt worden durch Verordn.
v. 6. Nov. 1872. Bayer. Mil.V.Bl. 1872 S. 453.
7) Auch die in den §§. 69 und 77 der R.Strafproceß-Ordn. normirten.
Nach der Preuß. Mil.Strafger.Ordn. §. 3 ſind jedoch ausgenommen Kontra-
ventionen gegen Finanz- und Polizeigeſetze und gegen Jagd- und Fiſcherei-
Verordnungen in dem Falle, wenn die Kontravention im Geſetz nur mit Geld-
buße oder Konfiskation bedroht iſt. Wenn dagegen auf Freiheitsſtrafe erkannt
werden kann, ſo ſind die Militairgerichte ausſchließlich kompetent. — Vgl.
hierzu die Verf. des General-Auditoriats v. 10. März 1868 bei v. Helldorff
IV. 4. S. 74. Zu den Kontraventionen gegen Finanzgeſetze im Sinne des
§. 3 cit. gehören auch die Poſt- und Portodefraudationen. — Uebereinſtimmend
Bayer. Mil.St.G.O. Art. 2 Abſ. 2.
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[253/0263] §. 90. Einfluß d. Militairdienſt-Verhältniſſes auf and. Rechtsverhältniſſe. allgemeinen ſtaatsbürgerlichen Laſten oder Rechten, theils endlich Be- ſchränkungen oder Begünſtigungen in privatrechtlichen Verhältniſſen. I. Beſondere Vorſchriften hinſichtlich der Rechtsverfolgung. 1. In Strafſachen unterliegen Militairperſonen einer be- ſonderen Gerichtsbarkeit. Dieſelbe ſoll durch Reichsgeſetz geregelt werden 1). Bisher iſt die reichsgeſetzliche Regelung jedoch noch nicht erfolgt und ein übereinſtimmendes Recht im Bundesgebiet noch nicht hergeſtellt. Die Militair-Strafgerichts-Ordnung für das Preußiſche Heer v. 3. April 1845 iſt auf Grund des Art. 61 der Bundes-Verf. im ganzen Gebiet des Norddeutſchen Bundes durch Verordnung vom 29. Dezemb. 1867 (B. G.Bl. S. 185), in Südheſſen auf Grund der Militairkonvention v. 4. April 1867 Art. 14 und bei der Errichtung des Deutſchen Reiches in Baden eingeführt worden 2); ausgeſchloſſen wurde ihre Einführung in Württemberg 3) und Bayern 4). In Elſaß-Lothringen iſt die Ein- führung erfolgt durch das Geſetz v. 23. Januar 1872 5). Es be- ſtehen ſonach zur Zeit im Reich drei verſchiedene Militair-Straf- gerichts-Ordnungen, die Preußiſche v. 3. April 1845, die Bayeriſche v. 29. April 1869 6) und die Württembergiſche v. 20. Juli 1818. Die Militair-Gerichtsbarkeit umfaßt nicht blos die ſpezifiſch mili- tairiſchen Delicte, ſondern alle Strafſachen 7) und ſie umfaßt auch 1) Milit.Geſetz §. 39 Abſ. 1. 2) Reichsverf. Art. 61. Verordn. v. 24. Nov. 1872. R.G.Bl. S. 401. 3) Mil.Konvent. Art. 10 Abſ. 3. (B.G.Bl. 1870 S. 660.) 4) Vertr. v. 23. Nov. 1870. III §. 5. R.G.Bl. 1871 S. 19. 5) Geſetzbl. f. Elſ.-Lothr. 1872 S. 83. 6) Dieſelbe iſt revidirt und von Neuem verkundigt worden durch Verordn. v. 6. Nov. 1872. Bayer. Mil.V.Bl. 1872 S. 453. 7) Auch die in den §§. 69 und 77 der R.Strafproceß-Ordn. normirten. Nach der Preuß. Mil.Strafger.Ordn. §. 3 ſind jedoch ausgenommen Kontra- ventionen gegen Finanz- und Polizeigeſetze und gegen Jagd- und Fiſcherei- Verordnungen in dem Falle, wenn die Kontravention im Geſetz nur mit Geld- buße oder Konfiskation bedroht iſt. Wenn dagegen auf Freiheitsſtrafe erkannt werden kann, ſo ſind die Militairgerichte ausſchließlich kompetent. — Vgl. hierzu die Verf. des General-Auditoriats v. 10. März 1868 bei v. Helldorff IV. 4. S. 74. Zu den Kontraventionen gegen Finanzgeſetze im Sinne des §. 3 cit. gehören auch die Poſt- und Portodefraudationen. — Uebereinſtimmend Bayer. Mil.St.G.O. Art. 2 Abſ. 2.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/263>, abgerufen am 28.03.2024.