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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

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§. 93. Die Friedensleistungen.
Forderung wegen Schadensersatzes beträgt die Anmeldungsfrist vier
Wochen von dem Eintritte der behaupteten Beschädigung an 1).

VI. Transportleistungen der Eisenbahnen.

Die Verpflichtung der Eisenbahnverwaltungen zur Beförderung
der bewaffneten Macht und des Materials des Landheeres und
der Marine kann an sich als eine besondere Militairlast nicht
erachtet werden; denn Eisenbahnen, welche der Benutzung des Pu-
blikums übergeben sind, haben den Charakter öffentlicher
Verkehrsanstalten, ihre Benutzung darf daher Niemandem verwei-
gert werden, der sich den allgemeinen Vorschriften und Reglements
unterwirft, mithin darf sie auch der Militairverwaltung weder ver-
sagt noch durch besondere Bedingungen erschwert werden. Anderer-
seits ist die Militair- und Marineverwaltung verbunden, sich
den Vorschriften der Betriebs- und Polizeireglements zu unter-
werfen und sie kann keine Transportleistungen verlangen, die mit
den allgemeinen Betriebseinrichtungen und der Ausrüstung der
Eisenbahn unvereinbar sind.

Eine besondere Verpflichtung ist den Eisenbahnverwaltungen
nur insoferne auferlegt worden, als sie das Militair und alles
Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen zu befördern
verpflichtet sind. Diese Last ist in der Reichsverfassung
Art. 47 anerkannt 2). Die Reichsverf. hat aber nicht bestimmt,
wie diese ermäßigten Sätze festzustellen sind; sie verordnet nur, daß
die Eisenbahn-Verwaltungen nicht berechtigt sind, für Militair-
transporte die gewöhnlichen tarifmäßigen Sätze zu liquidiren und
daß die zu gewährende Vergütung für sämmtliche Eisenbahnen
gleich sein soll. In dieser Beziehung ist Art. 47 der R.V. nä-
her ausgeführt worden durch § 15 des Naturalleist.Ges., welcher
bestimmt, daß der allgemeine Tarif vom Bundesrath zu er-
lassen und von Zeit zu Zeit zu revidiren sei 3). Der Tarif ist
sonach nicht mit den Eisenbahn-Verwaltungen zu vereinbaren, son-

1) Naturall.Ges. §. 16.
2) Vgl. Bd. II S. 378 fg.
3) Außerdem ist durch das Naturall.Ges. außer Zweifel gestellt, daß dieser
ermäßigte Tarif nicht nur zu Gunsten der Militairverwaltung, sondern auch
zu Gunsten der Marineverwaltung eintritt, was nach dem Wortlaut des
Art. 47 der R.V. in Zweifel gezogen werden könnte.

§. 93. Die Friedensleiſtungen.
Forderung wegen Schadenserſatzes beträgt die Anmeldungsfriſt vier
Wochen von dem Eintritte der behaupteten Beſchädigung an 1).

VI. Transportleiſtungen der Eiſenbahnen.

Die Verpflichtung der Eiſenbahnverwaltungen zur Beförderung
der bewaffneten Macht und des Materials des Landheeres und
der Marine kann an ſich als eine beſondere Militairlaſt nicht
erachtet werden; denn Eiſenbahnen, welche der Benutzung des Pu-
blikums übergeben ſind, haben den Charakter öffentlicher
Verkehrsanſtalten, ihre Benutzung darf daher Niemandem verwei-
gert werden, der ſich den allgemeinen Vorſchriften und Reglements
unterwirft, mithin darf ſie auch der Militairverwaltung weder ver-
ſagt noch durch beſondere Bedingungen erſchwert werden. Anderer-
ſeits iſt die Militair- und Marineverwaltung verbunden, ſich
den Vorſchriften der Betriebs- und Polizeireglements zu unter-
werfen und ſie kann keine Transportleiſtungen verlangen, die mit
den allgemeinen Betriebseinrichtungen und der Ausrüſtung der
Eiſenbahn unvereinbar ſind.

Eine beſondere Verpflichtung iſt den Eiſenbahnverwaltungen
nur inſoferne auferlegt worden, als ſie das Militair und alles
Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen zu befördern
verpflichtet ſind. Dieſe Laſt iſt in der Reichsverfaſſung
Art. 47 anerkannt 2). Die Reichsverf. hat aber nicht beſtimmt,
wie dieſe ermäßigten Sätze feſtzuſtellen ſind; ſie verordnet nur, daß
die Eiſenbahn-Verwaltungen nicht berechtigt ſind, für Militair-
transporte die gewöhnlichen tarifmäßigen Sätze zu liquidiren und
daß die zu gewährende Vergütung für ſämmtliche Eiſenbahnen
gleich ſein ſoll. In dieſer Beziehung iſt Art. 47 der R.V. nä-
her ausgeführt worden durch § 15 des Naturalleiſt.Geſ., welcher
beſtimmt, daß der allgemeine Tarif vom Bundesrath zu er-
laſſen und von Zeit zu Zeit zu revidiren ſei 3). Der Tarif iſt
ſonach nicht mit den Eiſenbahn-Verwaltungen zu vereinbaren, ſon-

1) Naturall.Geſ. §. 16.
2) Vgl. Bd. II S. 378 fg.
3) Außerdem iſt durch das Naturall.Geſ. außer Zweifel geſtellt, daß dieſer
ermäßigte Tarif nicht nur zu Gunſten der Militairverwaltung, ſondern auch
zu Gunſten der Marineverwaltung eintritt, was nach dem Wortlaut des
Art. 47 der R.V. in Zweifel gezogen werden könnte.
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[338/0348] §. 93. Die Friedensleiſtungen. Forderung wegen Schadenserſatzes beträgt die Anmeldungsfriſt vier Wochen von dem Eintritte der behaupteten Beſchädigung an 1). VI. Transportleiſtungen der Eiſenbahnen. Die Verpflichtung der Eiſenbahnverwaltungen zur Beförderung der bewaffneten Macht und des Materials des Landheeres und der Marine kann an ſich als eine beſondere Militairlaſt nicht erachtet werden; denn Eiſenbahnen, welche der Benutzung des Pu- blikums übergeben ſind, haben den Charakter öffentlicher Verkehrsanſtalten, ihre Benutzung darf daher Niemandem verwei- gert werden, der ſich den allgemeinen Vorſchriften und Reglements unterwirft, mithin darf ſie auch der Militairverwaltung weder ver- ſagt noch durch beſondere Bedingungen erſchwert werden. Anderer- ſeits iſt die Militair- und Marineverwaltung verbunden, ſich den Vorſchriften der Betriebs- und Polizeireglements zu unter- werfen und ſie kann keine Transportleiſtungen verlangen, die mit den allgemeinen Betriebseinrichtungen und der Ausrüſtung der Eiſenbahn unvereinbar ſind. Eine beſondere Verpflichtung iſt den Eiſenbahnverwaltungen nur inſoferne auferlegt worden, als ſie das Militair und alles Kriegsmaterial zu gleichen ermäßigten Sätzen zu befördern verpflichtet ſind. Dieſe Laſt iſt in der Reichsverfaſſung Art. 47 anerkannt 2). Die Reichsverf. hat aber nicht beſtimmt, wie dieſe ermäßigten Sätze feſtzuſtellen ſind; ſie verordnet nur, daß die Eiſenbahn-Verwaltungen nicht berechtigt ſind, für Militair- transporte die gewöhnlichen tarifmäßigen Sätze zu liquidiren und daß die zu gewährende Vergütung für ſämmtliche Eiſenbahnen gleich ſein ſoll. In dieſer Beziehung iſt Art. 47 der R.V. nä- her ausgeführt worden durch § 15 des Naturalleiſt.Geſ., welcher beſtimmt, daß der allgemeine Tarif vom Bundesrath zu er- laſſen und von Zeit zu Zeit zu revidiren ſei 3). Der Tarif iſt ſonach nicht mit den Eiſenbahn-Verwaltungen zu vereinbaren, ſon- 1) Naturall.Geſ. §. 16. 2) Vgl. Bd. II S. 378 fg. 3) Außerdem iſt durch das Naturall.Geſ. außer Zweifel geſtellt, daß dieſer ermäßigte Tarif nicht nur zu Gunſten der Militairverwaltung, ſondern auch zu Gunſten der Marineverwaltung eintritt, was nach dem Wortlaut des Art. 47 der R.V. in Zweifel gezogen werden könnte.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/348>, abgerufen am 19.04.2024.