Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 80. Die Gemeinschaft d. Lasten u. Ausgaben f. d. bewaffnete Macht.
belegenen festen Plätze und sonstigen Fortifikationen inbegriffen,
ausschließlich und allein trägt".

Die von den Einzelstaaten zu machenden Leistungen für die
Armee sind von zweierlei Art; sie bestehen theils in der Hergabe
von dienstfähiger Mannschaft (Rekruten- oder Ersatzleistung) theils
in der Hergabe von Geld (Finanzleistung).

I. Die Stellung des Ersatzbedarfes.

1. Art. 60 der R.V. enthält außer der Bestimmung über die
Friedens-Präsenzstärke des Deutschen Heeres bis zum 31. Dez.
1871 die Vorschrift, daß die Mannschaften pro rata der Bevölke-
rung von den einzelnen Bundesstaaten gestellt werden. Derselbe
Grundsatz ist als dauernde, von der Präsenzstärke unabhängige
Rechtsregel in dem Wehrgesetz v. 9. Nov. 1867 §. 9 sanctionirt
und in dem Militärgesetz §. 9 bestätigt und weiter ausgeführt
worden. Auf Grund der gesetzlich festgesetzten Präsenzstärke wird
alljährlich der für Heer und Flotte erforderliche Rekrutenbedarf vom
Kaiser bestimmt 1) und demnächst durch den Bundesausschuß für

1) Das Recht des Kaisers zur Feststellung des Rekrutenbedarfs ist im We-
sentlichen ein nur formelles, denn durch die gesetzlich festgestellte Friedensprä-
senzstärke (vgl. §. 83 II) und die bestehende Heeresorganisation ist der jährliche
Bedarf an Rekruten materiell bestimmt. Nach einer dem Reichstage vorge-
legten Berechnung (Drucks. 1874 I. Sess. Beilage zu Nr. 106) beträgt derselbe
für das ganze Heer jährlich 130,000 Mann, dazu circa 10 % Nachersatz 13,000
M. und für die Marine 2,500 M., sonach im Ganzen 145,500 Rekruten. Da
jedoch die gesetzliche Präsenzstärke mit der effectiven Präsenzstärke nicht über-
einstimmt, die letztere vielmehr durch Beurlaubungen, spätere Rekruteneinstel-
lungen, und andere "Manquements" zeitweise erheblich niedriger ist und da
die Zeit, welche der einzelne Wehrpflichtige bei den Fahnen gehalten wird, va-
riabel ist und bisweilen erheblich unter die normale Dauer verkürzt wird, so
kann andererseits die Rekrutenquote relativ höher bemessen werden, um die für
die Kriegsstärke erforderlichen Jahresraten von Beurlaubten zu beschaffen.
Insbesondere aber ist der Kaiser befugt, den Präsenzstand in den einzelnen
Kadres (unter Festhaltung der gesetzlich festgestellten Maximal-Präsenzstärke des
ganzen Heeres) anzuordnen und den Termin der Entlassung der ausgedienten
Mannschaften und der Einstellung der Rekruten zu bestimmen. Der thatsäch-
liche Geschäftsgang ist der, daß bei jedem einzelnen Truppen- und Marinetheil
der zur Kompletirung der etatsmäßigen Stärke erforderliche Bedarf zu er-
mitteln und dem Preuß. Kriegsministerium mitzutheilen ist, welches nach Fest-
setzung des Gesammtbedarfs denselben dem Bundesraths-Ausschuß anzeigt.

§. 80. Die Gemeinſchaft d. Laſten u. Ausgaben f. d. bewaffnete Macht.
belegenen feſten Plätze und ſonſtigen Fortifikationen inbegriffen,
ausſchließlich und allein trägt“.

Die von den Einzelſtaaten zu machenden Leiſtungen für die
Armee ſind von zweierlei Art; ſie beſtehen theils in der Hergabe
von dienſtfähiger Mannſchaft (Rekruten- oder Erſatzleiſtung) theils
in der Hergabe von Geld (Finanzleiſtung).

I. Die Stellung des Erſatzbedarfes.

1. Art. 60 der R.V. enthält außer der Beſtimmung über die
Friedens-Präſenzſtärke des Deutſchen Heeres bis zum 31. Dez.
1871 die Vorſchrift, daß die Mannſchaften pro rata der Bevölke-
rung von den einzelnen Bundesſtaaten geſtellt werden. Derſelbe
Grundſatz iſt als dauernde, von der Präſenzſtärke unabhängige
Rechtsregel in dem Wehrgeſetz v. 9. Nov. 1867 §. 9 ſanctionirt
und in dem Militärgeſetz §. 9 beſtätigt und weiter ausgeführt
worden. Auf Grund der geſetzlich feſtgeſetzten Präſenzſtärke wird
alljährlich der für Heer und Flotte erforderliche Rekrutenbedarf vom
Kaiſer beſtimmt 1) und demnächſt durch den Bundesausſchuß für

1) Das Recht des Kaiſers zur Feſtſtellung des Rekrutenbedarfs iſt im We-
ſentlichen ein nur formelles, denn durch die geſetzlich feſtgeſtellte Friedensprä-
ſenzſtärke (vgl. §. 83 II) und die beſtehende Heeresorganiſation iſt der jährliche
Bedarf an Rekruten materiell beſtimmt. Nach einer dem Reichstage vorge-
legten Berechnung (Druckſ. 1874 I. Seſſ. Beilage zu Nr. 106) beträgt derſelbe
für das ganze Heer jährlich 130,000 Mann, dazu circa 10 % Nacherſatz 13,000
M. und für die Marine 2,500 M., ſonach im Ganzen 145,500 Rekruten. Da
jedoch die geſetzliche Präſenzſtärke mit der effectiven Präſenzſtärke nicht über-
einſtimmt, die letztere vielmehr durch Beurlaubungen, ſpätere Rekruteneinſtel-
lungen, und andere „Manquements“ zeitweiſe erheblich niedriger iſt und da
die Zeit, welche der einzelne Wehrpflichtige bei den Fahnen gehalten wird, va-
riabel iſt und bisweilen erheblich unter die normale Dauer verkürzt wird, ſo
kann andererſeits die Rekrutenquote relativ höher bemeſſen werden, um die für
die Kriegsſtärke erforderlichen Jahresraten von Beurlaubten zu beſchaffen.
Insbeſondere aber iſt der Kaiſer befugt, den Präſenzſtand in den einzelnen
Kadres (unter Feſthaltung der geſetzlich feſtgeſtellten Maximal-Präſenzſtärke des
ganzen Heeres) anzuordnen und den Termin der Entlaſſung der ausgedienten
Mannſchaften und der Einſtellung der Rekruten zu beſtimmen. Der thatſäch-
liche Geſchäftsgang iſt der, daß bei jedem einzelnen Truppen- und Marinetheil
der zur Kompletirung der etatsmäßigen Stärke erforderliche Bedarf zu er-
mitteln und dem Preuß. Kriegsminiſterium mitzutheilen iſt, welches nach Feſt-
ſetzung des Geſammtbedarfs denſelben dem Bundesraths-Ausſchuß anzeigt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0060" n="50"/><fw place="top" type="header">§. 80. Die Gemein&#x017F;chaft d. La&#x017F;ten u. Ausgaben f. d. bewaffnete Macht.</fw><lb/>
belegenen fe&#x017F;ten Plätze und &#x017F;on&#x017F;tigen Fortifikationen inbegriffen,<lb/><hi rendition="#g">aus&#x017F;chließlich und allein trägt</hi>&#x201C;.</p><lb/>
            <p>Die von den Einzel&#x017F;taaten zu machenden Lei&#x017F;tungen für die<lb/>
Armee &#x017F;ind von zweierlei Art; &#x017F;ie be&#x017F;tehen theils in der Hergabe<lb/>
von dien&#x017F;tfähiger Mann&#x017F;chaft (Rekruten- oder Er&#x017F;atzlei&#x017F;tung) theils<lb/>
in der Hergabe von Geld (Finanzlei&#x017F;tung).</p><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#aq">I.</hi><hi rendition="#g">Die Stellung des Er&#x017F;atzbedarfes</hi>.</head><lb/>
              <p>1. Art. 60 der R.V. enthält außer der Be&#x017F;timmung über die<lb/>
Friedens-Prä&#x017F;enz&#x017F;tärke des Deut&#x017F;chen Heeres bis zum 31. Dez.<lb/>
1871 die Vor&#x017F;chrift, daß die Mann&#x017F;chaften <hi rendition="#aq">pro rata</hi> der Bevölke-<lb/>
rung von den einzelnen Bundes&#x017F;taaten ge&#x017F;tellt werden. Der&#x017F;elbe<lb/>
Grund&#x017F;atz i&#x017F;t als dauernde, von der Prä&#x017F;enz&#x017F;tärke unabhängige<lb/>
Rechtsregel in dem Wehrge&#x017F;etz v. 9. Nov. 1867 §. 9 &#x017F;anctionirt<lb/>
und in dem Militärge&#x017F;etz §. 9 be&#x017F;tätigt und weiter ausgeführt<lb/>
worden. Auf Grund der ge&#x017F;etzlich fe&#x017F;tge&#x017F;etzten Prä&#x017F;enz&#x017F;tärke wird<lb/>
alljährlich der für Heer und Flotte erforderliche Rekrutenbedarf vom<lb/>
Kai&#x017F;er be&#x017F;timmt <note xml:id="seg2pn_4_1" next="#seg2pn_4_2" place="foot" n="1)">Das Recht des Kai&#x017F;ers zur Fe&#x017F;t&#x017F;tellung des Rekrutenbedarfs i&#x017F;t im We-<lb/>
&#x017F;entlichen ein nur formelles, denn durch die ge&#x017F;etzlich fe&#x017F;tge&#x017F;tellte Friedensprä-<lb/>
&#x017F;enz&#x017F;tärke (vgl. §. 83 <hi rendition="#aq">II</hi>) und die be&#x017F;tehende Heeresorgani&#x017F;ation i&#x017F;t der jährliche<lb/>
Bedarf an Rekruten materiell be&#x017F;timmt. Nach einer dem Reichstage vorge-<lb/>
legten Berechnung (Druck&#x017F;. 1874 <hi rendition="#aq">I.</hi> Se&#x017F;&#x017F;. Beilage zu Nr. 106) beträgt der&#x017F;elbe<lb/>
für das ganze Heer jährlich 130,000 Mann, dazu circa 10 % Nacher&#x017F;atz 13,000<lb/>
M. und für die Marine 2,500 M., &#x017F;onach im Ganzen 145,500 Rekruten. Da<lb/>
jedoch die ge&#x017F;etzliche Prä&#x017F;enz&#x017F;tärke mit der effectiven Prä&#x017F;enz&#x017F;tärke nicht über-<lb/>
ein&#x017F;timmt, die letztere vielmehr durch Beurlaubungen, &#x017F;pätere Rekrutenein&#x017F;tel-<lb/>
lungen, und andere &#x201E;Manquements&#x201C; zeitwei&#x017F;e erheblich niedriger i&#x017F;t und da<lb/>
die Zeit, welche der einzelne Wehrpflichtige bei den Fahnen gehalten wird, va-<lb/>
riabel i&#x017F;t und bisweilen erheblich unter die normale Dauer verkürzt wird, &#x017F;o<lb/>
kann anderer&#x017F;eits die Rekrutenquote relativ höher beme&#x017F;&#x017F;en werden, um die für<lb/>
die <hi rendition="#g">Kriegs&#x017F;tärke</hi> erforderlichen Jahresraten von Beurlaubten zu be&#x017F;chaffen.<lb/>
Insbe&#x017F;ondere aber i&#x017F;t der Kai&#x017F;er befugt, den Prä&#x017F;enz&#x017F;tand in den <hi rendition="#g">einzelnen</hi><lb/>
Kadres (unter Fe&#x017F;thaltung der ge&#x017F;etzlich fe&#x017F;tge&#x017F;tellten Maximal-Prä&#x017F;enz&#x017F;tärke des<lb/>
ganzen Heeres) anzuordnen und den Termin der Entla&#x017F;&#x017F;ung der ausgedienten<lb/>
Mann&#x017F;chaften und der Ein&#x017F;tellung der Rekruten zu be&#x017F;timmen. Der that&#x017F;äch-<lb/>
liche Ge&#x017F;chäftsgang i&#x017F;t der, daß bei jedem einzelnen Truppen- und Marinetheil<lb/>
der zur Kompletirung der etatsmäßigen Stärke erforderliche Bedarf zu er-<lb/>
mitteln und dem Preuß. Kriegsmini&#x017F;terium mitzutheilen i&#x017F;t, welches nach Fe&#x017F;t-<lb/>
&#x017F;etzung des Ge&#x017F;ammtbedarfs den&#x017F;elben dem Bundesraths-Aus&#x017F;chuß anzeigt.</note> und demnäch&#x017F;t durch den Bundesaus&#x017F;chuß für<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0060] §. 80. Die Gemeinſchaft d. Laſten u. Ausgaben f. d. bewaffnete Macht. belegenen feſten Plätze und ſonſtigen Fortifikationen inbegriffen, ausſchließlich und allein trägt“. Die von den Einzelſtaaten zu machenden Leiſtungen für die Armee ſind von zweierlei Art; ſie beſtehen theils in der Hergabe von dienſtfähiger Mannſchaft (Rekruten- oder Erſatzleiſtung) theils in der Hergabe von Geld (Finanzleiſtung). I. Die Stellung des Erſatzbedarfes. 1. Art. 60 der R.V. enthält außer der Beſtimmung über die Friedens-Präſenzſtärke des Deutſchen Heeres bis zum 31. Dez. 1871 die Vorſchrift, daß die Mannſchaften pro rata der Bevölke- rung von den einzelnen Bundesſtaaten geſtellt werden. Derſelbe Grundſatz iſt als dauernde, von der Präſenzſtärke unabhängige Rechtsregel in dem Wehrgeſetz v. 9. Nov. 1867 §. 9 ſanctionirt und in dem Militärgeſetz §. 9 beſtätigt und weiter ausgeführt worden. Auf Grund der geſetzlich feſtgeſetzten Präſenzſtärke wird alljährlich der für Heer und Flotte erforderliche Rekrutenbedarf vom Kaiſer beſtimmt 1) und demnächſt durch den Bundesausſchuß für 1) Das Recht des Kaiſers zur Feſtſtellung des Rekrutenbedarfs iſt im We- ſentlichen ein nur formelles, denn durch die geſetzlich feſtgeſtellte Friedensprä- ſenzſtärke (vgl. §. 83 II) und die beſtehende Heeresorganiſation iſt der jährliche Bedarf an Rekruten materiell beſtimmt. Nach einer dem Reichstage vorge- legten Berechnung (Druckſ. 1874 I. Seſſ. Beilage zu Nr. 106) beträgt derſelbe für das ganze Heer jährlich 130,000 Mann, dazu circa 10 % Nacherſatz 13,000 M. und für die Marine 2,500 M., ſonach im Ganzen 145,500 Rekruten. Da jedoch die geſetzliche Präſenzſtärke mit der effectiven Präſenzſtärke nicht über- einſtimmt, die letztere vielmehr durch Beurlaubungen, ſpätere Rekruteneinſtel- lungen, und andere „Manquements“ zeitweiſe erheblich niedriger iſt und da die Zeit, welche der einzelne Wehrpflichtige bei den Fahnen gehalten wird, va- riabel iſt und bisweilen erheblich unter die normale Dauer verkürzt wird, ſo kann andererſeits die Rekrutenquote relativ höher bemeſſen werden, um die für die Kriegsſtärke erforderlichen Jahresraten von Beurlaubten zu beſchaffen. Insbeſondere aber iſt der Kaiſer befugt, den Präſenzſtand in den einzelnen Kadres (unter Feſthaltung der geſetzlich feſtgeſtellten Maximal-Präſenzſtärke des ganzen Heeres) anzuordnen und den Termin der Entlaſſung der ausgedienten Mannſchaften und der Einſtellung der Rekruten zu beſtimmen. Der thatſäch- liche Geſchäftsgang iſt der, daß bei jedem einzelnen Truppen- und Marinetheil der zur Kompletirung der etatsmäßigen Stärke erforderliche Bedarf zu er- mitteln und dem Preuß. Kriegsminiſterium mitzutheilen iſt, welches nach Feſt- ſetzung des Geſammtbedarfs denſelben dem Bundesraths-Ausſchuß anzeigt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/60
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 1. Tübingen, 1880, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0301_1880/60>, abgerufen am 19.04.2024.