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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollwesens.
von der verwaltungsrechtlichen Ordnung dieser Einnahmequellen
die Rede ist, während ihre Bedeutung und rechtliche Stellung in
der Finanz wirthschaft des Reiches im folgenden Abschnitt zu
erörtern sein wird.

A. Die Zölle und Herbrauchssteuern*).
§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen.

I. Durch übereinstimmende Zollgesetze, gleichartige Einrich-
tungen der Zollverwaltung und Gemeinschaftlichkeit der Zollein-
nahmen war für den größten Theil des jetzigen Bundesgebietes
schon lange vor der Gründung des Norddeutschen Bundes die
materielle Einheit des Zollwesens hergestellt. Der Deutsche Zoll-
verein
war nicht nur ein kräftiges Band, welches die Mehrzahl
der Deutschen Staaten in der Zeit, als sie souverain waren, zu-
sammenhielt; er war nicht nur in wirthschaftlicher und politischer
Hinsicht eine Vorstufe, von der aus die staatliche Neugestaltung
Deutschlands angebahnt wurde, sondern die in dem Zollverein aus-
gebildeten Einrichtungen wurden auch zum großen Theil in die
Bundesverfassung herübergenommen und bilden theilweise noch jetzt
einen Bestandtheil des Reichsstaatsrechts. Die Geschichte des Zoll-
vereins kann man mit Recht als die Vorgeschichte des Deutschen
Reichs bezeichnen 1).

Durch die Gründung des Norddeutschen Bundes wurde der
Zollverein, wie er zuletzt durch den Vertrag vom 16. Mai 1865
constituirt war, allerdings in sehr erheblicher Weise umgestaltet
und zwar ebensowohl hinsichtlich der in den Norddeutschen Bund
eintretenden Staaten als hinsichtlich der Süddeutschen Staaten.
In Betreff der ersteren wurde das Vereinsverhältniß ersetzt durch
ein staatliches; an die Stelle der Vereinbarung trat die Verfas-
sung, an die Stelle der Kündbarkeit und des Abschlusses auf be-
stimmte Zeit die Unkündbarkeit und ewige Dauer, an die Stelle
des Erfordernisses der Einstimmigkeit zu allen Abänderungen der

*) v. Aufseß in Hirth's Annalen des Deutschen Reiches Bd. 13 (1880)
S. 609--831. Rud. Delbrück Der Artikel 40 der Reichsverf. Berlin 1881.
1) Ueber die Geschichte und die Verfassung des Zollvereins vrgl. nament-
lich v. Festenberg-Packisch Die Geschichte des Zollvereins. Leipzig 1869
und Weber Der Deutsche Zollverein. Leipzig 1869. 2. Aufl. 1872.

§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens.
von der verwaltungsrechtlichen Ordnung dieſer Einnahmequellen
die Rede iſt, während ihre Bedeutung und rechtliche Stellung in
der Finanz wirthſchaft des Reiches im folgenden Abſchnitt zu
erörtern ſein wird.

A. Die Zölle und Herbrauchsſteuern*).
§. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen.

I. Durch übereinſtimmende Zollgeſetze, gleichartige Einrich-
tungen der Zollverwaltung und Gemeinſchaftlichkeit der Zollein-
nahmen war für den größten Theil des jetzigen Bundesgebietes
ſchon lange vor der Gründung des Norddeutſchen Bundes die
materielle Einheit des Zollweſens hergeſtellt. Der Deutſche Zoll-
verein
war nicht nur ein kräftiges Band, welches die Mehrzahl
der Deutſchen Staaten in der Zeit, als ſie ſouverain waren, zu-
ſammenhielt; er war nicht nur in wirthſchaftlicher und politiſcher
Hinſicht eine Vorſtufe, von der aus die ſtaatliche Neugeſtaltung
Deutſchlands angebahnt wurde, ſondern die in dem Zollverein aus-
gebildeten Einrichtungen wurden auch zum großen Theil in die
Bundesverfaſſung herübergenommen und bilden theilweiſe noch jetzt
einen Beſtandtheil des Reichsſtaatsrechts. Die Geſchichte des Zoll-
vereins kann man mit Recht als die Vorgeſchichte des Deutſchen
Reichs bezeichnen 1).

Durch die Gründung des Norddeutſchen Bundes wurde der
Zollverein, wie er zuletzt durch den Vertrag vom 16. Mai 1865
conſtituirt war, allerdings in ſehr erheblicher Weiſe umgeſtaltet
und zwar ebenſowohl hinſichtlich der in den Norddeutſchen Bund
eintretenden Staaten als hinſichtlich der Süddeutſchen Staaten.
In Betreff der erſteren wurde das Vereinsverhältniß erſetzt durch
ein ſtaatliches; an die Stelle der Vereinbarung trat die Verfaſ-
ſung, an die Stelle der Kündbarkeit und des Abſchluſſes auf be-
ſtimmte Zeit die Unkündbarkeit und ewige Dauer, an die Stelle
des Erforderniſſes der Einſtimmigkeit zu allen Abänderungen der

*) v. Aufſeß in Hirth’s Annalen des Deutſchen Reiches Bd. 13 (1880)
S. 609—831. Rud. Delbrück Der Artikel 40 der Reichsverf. Berlin 1881.
1) Ueber die Geſchichte und die Verfaſſung des Zollvereins vrgl. nament-
lich v. Feſtenberg-Packiſch Die Geſchichte des Zollvereins. Leipzig 1869
und Weber Der Deutſche Zollverein. Leipzig 1869. 2. Aufl. 1872.
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[242/0252] §. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen des Zollweſens. von der verwaltungsrechtlichen Ordnung dieſer Einnahmequellen die Rede iſt, während ihre Bedeutung und rechtliche Stellung in der Finanz wirthſchaft des Reiches im folgenden Abſchnitt zu erörtern ſein wird. A. Die Zölle und Herbrauchsſteuern *). §. 111. Allgemeine Rechtsgrundlagen. I. Durch übereinſtimmende Zollgeſetze, gleichartige Einrich- tungen der Zollverwaltung und Gemeinſchaftlichkeit der Zollein- nahmen war für den größten Theil des jetzigen Bundesgebietes ſchon lange vor der Gründung des Norddeutſchen Bundes die materielle Einheit des Zollweſens hergeſtellt. Der Deutſche Zoll- verein war nicht nur ein kräftiges Band, welches die Mehrzahl der Deutſchen Staaten in der Zeit, als ſie ſouverain waren, zu- ſammenhielt; er war nicht nur in wirthſchaftlicher und politiſcher Hinſicht eine Vorſtufe, von der aus die ſtaatliche Neugeſtaltung Deutſchlands angebahnt wurde, ſondern die in dem Zollverein aus- gebildeten Einrichtungen wurden auch zum großen Theil in die Bundesverfaſſung herübergenommen und bilden theilweiſe noch jetzt einen Beſtandtheil des Reichsſtaatsrechts. Die Geſchichte des Zoll- vereins kann man mit Recht als die Vorgeſchichte des Deutſchen Reichs bezeichnen 1). Durch die Gründung des Norddeutſchen Bundes wurde der Zollverein, wie er zuletzt durch den Vertrag vom 16. Mai 1865 conſtituirt war, allerdings in ſehr erheblicher Weiſe umgeſtaltet und zwar ebenſowohl hinſichtlich der in den Norddeutſchen Bund eintretenden Staaten als hinſichtlich der Süddeutſchen Staaten. In Betreff der erſteren wurde das Vereinsverhältniß erſetzt durch ein ſtaatliches; an die Stelle der Vereinbarung trat die Verfaſ- ſung, an die Stelle der Kündbarkeit und des Abſchluſſes auf be- ſtimmte Zeit die Unkündbarkeit und ewige Dauer, an die Stelle des Erforderniſſes der Einſtimmigkeit zu allen Abänderungen der *) v. Aufſeß in Hirth’s Annalen des Deutſchen Reiches Bd. 13 (1880) S. 609—831. Rud. Delbrück Der Artikel 40 der Reichsverf. Berlin 1881. 1) Ueber die Geſchichte und die Verfaſſung des Zollvereins vrgl. nament- lich v. Feſtenberg-Packiſch Die Geſchichte des Zollvereins. Leipzig 1869 und Weber Der Deutſche Zollverein. Leipzig 1869. 2. Aufl. 1872.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/252>, abgerufen am 28.03.2024.