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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 100. Die Verpflichtung zur Rechtshülfe.

6. Die Bundesstaaten sind verpflichtet, die gerichtliche Rechts-
hülfe einander unentgeldlich zu leisten. Nur die baaren
Auslagen
, welche durch eine Ablieferung oder Strafvollstreckung
entstehen, sind der ersuchten Behörde von der ersuchenden zu er-
statten, wenn diese Behörden verschiedenen Staaten angehören; in
allen anderen Fällen können weder Gebühren noch baare Auslagen
liquidirt werden. Auch bei der Strafvollstreckung darf für die
allgemeinen Kosten der Gefängnißverwaltung u. dgl. Aufwendungen
Nichts in Anrechnung gebracht werden, weil diese Kosten nicht
baare Auslagen sind, welche durch die Strafvollstreckung in dem
einzelnen concreten Falle entstehen 1). Dieser Grundsatz gilt aber
nur für das Verhältniß der Staaten zu einander, nicht für die
Verpflichtung der Parteien zur Tragung der Kosten des Ver-
fahrens. Wenn eine zahlungspflichtige Partei vorhanden ist, was
bei bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten regelmäßig, bei Strafsachen
dann der Fall ist, wenn der Angeklagte rechtskräftig verurtheilt
worden ist, so sind von derselben die Kosten der Rechtshülfe zu
ersetzen und die ersuchende Behörde ist verpflichtet, die Kosten ein-
zuziehen und den eingezogenen Betrag der ersuchten Behörde zu
übersenden 2).

II. Rechtshülfe in Sachen der streitigen Gerichts-
barkeit, welche zur Zuständigkeit der besonderen
Gerichte gehören
*).

1. Die Pflicht der Gerichte des Bundesgebietes, sich gegen-
seitig Rechtshülfe zu leisten, ist auch hinsichtlich derjenigen bürger-

1) Gerichtsverf.Ges. §. 165 Abs. 1 u. 2. Es ist noch besonders in Rück-
sicht auf die Länder mit französ. Einregistrirungs-System hervorgehoben, daß
"Stempel-Einregistrirungsgebühren oder andere öffentliche Abgaben, welchen
die von der ersuchenden Behörde übersendeten Schriftstücke nach dem Rechte
der ersuchten Behörde unterliegen, außer Ansatz bleiben." eod. Abs. 4.
2) Gerichtsverf.Ges. §. 165 Abs. 3. Soweit die Einziehung der Kosten
nicht gelingt, trägt die ersuchte Behörde den Ausfall; ebenso sind die Kosten
der Rechtshülfe in Strafsachen für sie verloren, wenn der Angeschuldigte wäh-
rend des Verfahrens stirbt, wenn das Verfahren eingestellt wird oder wenn
es zur Freisprechung führt u. s. w., weil es in allen diesen Fällen an einer
ersatzpflichtigen Partei fehlt.
*) Vgl. Endemann, Die Rechtshülfe im Norddeutschen Bunde. In
der Zeitschrift f. Gesetzgebung u. Rechtspflege in Preußen Bd. 3 S. 398 ff.
(Auch besonders erschienen.)
§. 100. Die Verpflichtung zur Rechtshülfe.

6. Die Bundesſtaaten ſind verpflichtet, die gerichtliche Rechts-
hülfe einander unentgeldlich zu leiſten. Nur die baaren
Auslagen
, welche durch eine Ablieferung oder Strafvollſtreckung
entſtehen, ſind der erſuchten Behörde von der erſuchenden zu er-
ſtatten, wenn dieſe Behörden verſchiedenen Staaten angehören; in
allen anderen Fällen können weder Gebühren noch baare Auslagen
liquidirt werden. Auch bei der Strafvollſtreckung darf für die
allgemeinen Koſten der Gefängnißverwaltung u. dgl. Aufwendungen
Nichts in Anrechnung gebracht werden, weil dieſe Koſten nicht
baare Auslagen ſind, welche durch die Strafvollſtreckung in dem
einzelnen concreten Falle entſtehen 1). Dieſer Grundſatz gilt aber
nur für das Verhältniß der Staaten zu einander, nicht für die
Verpflichtung der Parteien zur Tragung der Koſten des Ver-
fahrens. Wenn eine zahlungspflichtige Partei vorhanden iſt, was
bei bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten regelmäßig, bei Strafſachen
dann der Fall iſt, wenn der Angeklagte rechtskräftig verurtheilt
worden iſt, ſo ſind von derſelben die Koſten der Rechtshülfe zu
erſetzen und die erſuchende Behörde iſt verpflichtet, die Koſten ein-
zuziehen und den eingezogenen Betrag der erſuchten Behörde zu
überſenden 2).

II. Rechtshülfe in Sachen der ſtreitigen Gerichts-
barkeit, welche zur Zuſtändigkeit der beſonderen
Gerichte gehören
*).

1. Die Pflicht der Gerichte des Bundesgebietes, ſich gegen-
ſeitig Rechtshülfe zu leiſten, iſt auch hinſichtlich derjenigen bürger-

1) Gerichtsverf.Geſ. §. 165 Abſ. 1 u. 2. Es iſt noch beſonders in Rück-
ſicht auf die Länder mit franzöſ. Einregiſtrirungs-Syſtem hervorgehoben, daß
„Stempel-Einregiſtrirungsgebühren oder andere öffentliche Abgaben, welchen
die von der erſuchenden Behörde überſendeten Schriftſtücke nach dem Rechte
der erſuchten Behörde unterliegen, außer Anſatz bleiben.“ eod. Abſ. 4.
2) Gerichtsverf.Geſ. §. 165 Abſ. 3. Soweit die Einziehung der Koſten
nicht gelingt, trägt die erſuchte Behörde den Ausfall; ebenſo ſind die Koſten
der Rechtshülfe in Strafſachen für ſie verloren, wenn der Angeſchuldigte wäh-
rend des Verfahrens ſtirbt, wenn das Verfahren eingeſtellt wird oder wenn
es zur Freiſprechung führt u. ſ. w., weil es in allen dieſen Fällen an einer
erſatzpflichtigen Partei fehlt.
*) Vgl. Endemann, Die Rechtshülfe im Norddeutſchen Bunde. In
der Zeitſchrift f. Geſetzgebung u. Rechtspflege in Preußen Bd. 3 S. 398 ff.
(Auch beſonders erſchienen.)
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[73/0083] §. 100. Die Verpflichtung zur Rechtshülfe. 6. Die Bundesſtaaten ſind verpflichtet, die gerichtliche Rechts- hülfe einander unentgeldlich zu leiſten. Nur die baaren Auslagen, welche durch eine Ablieferung oder Strafvollſtreckung entſtehen, ſind der erſuchten Behörde von der erſuchenden zu er- ſtatten, wenn dieſe Behörden verſchiedenen Staaten angehören; in allen anderen Fällen können weder Gebühren noch baare Auslagen liquidirt werden. Auch bei der Strafvollſtreckung darf für die allgemeinen Koſten der Gefängnißverwaltung u. dgl. Aufwendungen Nichts in Anrechnung gebracht werden, weil dieſe Koſten nicht baare Auslagen ſind, welche durch die Strafvollſtreckung in dem einzelnen concreten Falle entſtehen 1). Dieſer Grundſatz gilt aber nur für das Verhältniß der Staaten zu einander, nicht für die Verpflichtung der Parteien zur Tragung der Koſten des Ver- fahrens. Wenn eine zahlungspflichtige Partei vorhanden iſt, was bei bürgerlichen Rechtsſtreitigkeiten regelmäßig, bei Strafſachen dann der Fall iſt, wenn der Angeklagte rechtskräftig verurtheilt worden iſt, ſo ſind von derſelben die Koſten der Rechtshülfe zu erſetzen und die erſuchende Behörde iſt verpflichtet, die Koſten ein- zuziehen und den eingezogenen Betrag der erſuchten Behörde zu überſenden 2). II. Rechtshülfe in Sachen der ſtreitigen Gerichts- barkeit, welche zur Zuſtändigkeit der beſonderen Gerichte gehören *). 1. Die Pflicht der Gerichte des Bundesgebietes, ſich gegen- ſeitig Rechtshülfe zu leiſten, iſt auch hinſichtlich derjenigen bürger- 1) Gerichtsverf.Geſ. §. 165 Abſ. 1 u. 2. Es iſt noch beſonders in Rück- ſicht auf die Länder mit franzöſ. Einregiſtrirungs-Syſtem hervorgehoben, daß „Stempel-Einregiſtrirungsgebühren oder andere öffentliche Abgaben, welchen die von der erſuchenden Behörde überſendeten Schriftſtücke nach dem Rechte der erſuchten Behörde unterliegen, außer Anſatz bleiben.“ eod. Abſ. 4. 2) Gerichtsverf.Geſ. §. 165 Abſ. 3. Soweit die Einziehung der Koſten nicht gelingt, trägt die erſuchte Behörde den Ausfall; ebenſo ſind die Koſten der Rechtshülfe in Strafſachen für ſie verloren, wenn der Angeſchuldigte wäh- rend des Verfahrens ſtirbt, wenn das Verfahren eingeſtellt wird oder wenn es zur Freiſprechung führt u. ſ. w., weil es in allen dieſen Fällen an einer erſatzpflichtigen Partei fehlt. *) Vgl. Endemann, Die Rechtshülfe im Norddeutſchen Bunde. In der Zeitſchrift f. Geſetzgebung u. Rechtspflege in Preußen Bd. 3 S. 398 ff. (Auch beſonders erſchienen.)

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/83>, abgerufen am 18.04.2024.