Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

Bild:
<< vorherige Seite
§. 103. Die Rechtsanwaltschaft.
II. Rechte und Pflichten der Rechtsanwälte.

1. Befugniß zum Gewerbebetrieb. Es sind in
dieser Beziehung drei Kategorien von Rechtssachen zu unter-
scheiden:

a) Insoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, (Ci-
vilproz.Ordn. §. 74; im sogen. Anwaltsprozeß), kann nur
ein bei dem Prozeßgerichte zugelassener Rechtsanwalt die
Vertretung als Prozeßbevollmächtigter
übernehmen;
jedoch ist jeder Rechtsanwalt befugt in der mündlichen Verhand-
lung die Ausführung der Parteirechte und falls ihm der bei dem
Prozeßgericht zum Prozeßbevollmächtigten bestellte Rechtsanwalt
die Vertretung überträgt, auch diese zu übernehmen 1).

b) In denjenigen Sachen, auf welche die Strafprozeßordnung,
die Civilproz.Ordnung und die Konkursordnung Anwendung finden,
ist jeder Rechtsanwalt auf Grund der Zulassung bei einem Gericht
befugt, vor jedem Gericht innerhalb des Reichs Ver-
theidigungen zu führen, als Beistand aufzutreten und soweit eine
Vertretung durch Anwälte nicht geboten ist (vor den Amtsgerichten),
die Vertretung zu übernehmen 2). Durch diese Bestimmung sind
demnach die territorialen Gränzen der Justizhoheit beseitigt; soweit
im ganzen Reich ein einheitliches Verfahren, eine einheitliche Ge-
richtsverfassung, und eine gemeinverbindliche Rechtskraft der gericht-
lichen Urtheile besteht, soweit wirkt auch die von einem Staate
ertheilte Zulassung als Rechtsanwalt auf das ganze Bundesgebiet.
Die sogen. Lokalisirung der Rechtsanwälte schließt nicht den Ge-
werbebetrieb derselben im ganzen Bundesgebiet aus; sie wirkt nur
hinsichtlich der Vertretung im Anwaltsprozeß 3).

c) In denjenigen Sachen, in welchen die drei Reichsprozeß-
gesetze nicht zur Anwendung kommen, gleichviel ob sie vor den

1) R.A.O. §. 27. Nur die bei dem Reichsgericht zugelassenen Rechtsan-
wälte dürfen bei keinem anderen Gerichte auftreten und von einem bei dem
Reichsgericht nicht zugelassenen Rechtsanwalt nicht vertreten werden. R.A.O.
§. 100 Abs. 2. §. 101.
2) R.A.O. §. 26. Ausgenommen die Rechtsanwälte am Reichsgericht.
3) Nur hat die Partei keinen Anspruch auf Ersatz der Mehrkosten,
welche durch die Zuziehung eines nicht am Sitz des Prozeßgerichts wohnhaften
Anwaltes entstehen. R.A.O. §. 18 Abs. 5. Vgl. Civilproz.Ordn. §. 87 Abs. 2.
§. 103. Die Rechtsanwaltſchaft.
II. Rechte und Pflichten der Rechtsanwälte.

1. Befugniß zum Gewerbebetrieb. Es ſind in
dieſer Beziehung drei Kategorien von Rechtsſachen zu unter-
ſcheiden:

a) Inſoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten iſt, (Ci-
vilproz.Ordn. §. 74; im ſogen. Anwaltsprozeß), kann nur
ein bei dem Prozeßgerichte zugelaſſener Rechtsanwalt die
Vertretung als Prozeßbevollmächtigter
übernehmen;
jedoch iſt jeder Rechtsanwalt befugt in der mündlichen Verhand-
lung die Ausführung der Parteirechte und falls ihm der bei dem
Prozeßgericht zum Prozeßbevollmächtigten beſtellte Rechtsanwalt
die Vertretung überträgt, auch dieſe zu übernehmen 1).

b) In denjenigen Sachen, auf welche die Strafprozeßordnung,
die Civilproz.Ordnung und die Konkursordnung Anwendung finden,
iſt jeder Rechtsanwalt auf Grund der Zulaſſung bei einem Gericht
befugt, vor jedem Gericht innerhalb des Reichs Ver-
theidigungen zu führen, als Beiſtand aufzutreten und ſoweit eine
Vertretung durch Anwälte nicht geboten iſt (vor den Amtsgerichten),
die Vertretung zu übernehmen 2). Durch dieſe Beſtimmung ſind
demnach die territorialen Gränzen der Juſtizhoheit beſeitigt; ſoweit
im ganzen Reich ein einheitliches Verfahren, eine einheitliche Ge-
richtsverfaſſung, und eine gemeinverbindliche Rechtskraft der gericht-
lichen Urtheile beſteht, ſoweit wirkt auch die von einem Staate
ertheilte Zulaſſung als Rechtsanwalt auf das ganze Bundesgebiet.
Die ſogen. Lokaliſirung der Rechtsanwälte ſchließt nicht den Ge-
werbebetrieb derſelben im ganzen Bundesgebiet aus; ſie wirkt nur
hinſichtlich der Vertretung im Anwaltsprozeß 3).

c) In denjenigen Sachen, in welchen die drei Reichsprozeß-
geſetze nicht zur Anwendung kommen, gleichviel ob ſie vor den

1) R.A.O. §. 27. Nur die bei dem Reichsgericht zugelaſſenen Rechtsan-
wälte dürfen bei keinem anderen Gerichte auftreten und von einem bei dem
Reichsgericht nicht zugelaſſenen Rechtsanwalt nicht vertreten werden. R.A.O.
§. 100 Abſ. 2. §. 101.
2) R.A.O. §. 26. Ausgenommen die Rechtsanwälte am Reichsgericht.
3) Nur hat die Partei keinen Anſpruch auf Erſatz der Mehrkoſten,
welche durch die Zuziehung eines nicht am Sitz des Prozeßgerichts wohnhaften
Anwaltes entſtehen. R.A.O. §. 18 Abſ. 5. Vgl. Civilproz.Ordn. §. 87 Abſ. 2.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0128" n="118"/>
          <fw place="top" type="header">§. 103. Die Rechtsanwalt&#x017F;chaft.</fw><lb/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#aq">II.</hi><hi rendition="#g">Rechte und Pflichten der Rechtsanwälte</hi>.</head><lb/>
            <p>1. <hi rendition="#g">Befugniß zum Gewerbebetrieb</hi>. Es &#x017F;ind in<lb/>
die&#x017F;er Beziehung <hi rendition="#g">drei</hi> Kategorien von Rechts&#x017F;achen zu unter-<lb/>
&#x017F;cheiden:</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">a)</hi> In&#x017F;oweit eine Vertretung durch Anwälte geboten i&#x017F;t, (Ci-<lb/>
vilproz.Ordn. §. 74; <hi rendition="#g">im &#x017F;ogen. Anwaltsprozeß</hi>), kann nur<lb/>
ein <hi rendition="#g">bei dem Prozeßgerichte</hi> zugela&#x017F;&#x017F;ener Rechtsanwalt <hi rendition="#g">die<lb/>
Vertretung als Prozeßbevollmächtigter</hi> übernehmen;<lb/>
jedoch i&#x017F;t jeder Rechtsanwalt befugt in der mündlichen Verhand-<lb/>
lung die Ausführung der Parteirechte und falls ihm der bei dem<lb/>
Prozeßgericht zum Prozeßbevollmächtigten be&#x017F;tellte Rechtsanwalt<lb/>
die Vertretung überträgt, auch die&#x017F;e zu übernehmen <note place="foot" n="1)">R.A.O. §. 27. Nur die bei dem Reichsgericht zugela&#x017F;&#x017F;enen Rechtsan-<lb/>
wälte dürfen bei keinem anderen Gerichte auftreten und von einem bei dem<lb/>
Reichsgericht nicht zugela&#x017F;&#x017F;enen Rechtsanwalt nicht vertreten werden. R.A.O.<lb/>
§. 100 Ab&#x017F;. 2. §. 101.</note>.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">b)</hi> In denjenigen Sachen, auf welche die Strafprozeßordnung,<lb/>
die Civilproz.Ordnung und die Konkursordnung Anwendung finden,<lb/>
i&#x017F;t jeder Rechtsanwalt auf Grund der Zula&#x017F;&#x017F;ung bei einem Gericht<lb/>
befugt, <hi rendition="#g">vor jedem Gericht innerhalb des Reichs</hi> Ver-<lb/>
theidigungen zu führen, als Bei&#x017F;tand aufzutreten und &#x017F;oweit eine<lb/>
Vertretung durch Anwälte nicht geboten i&#x017F;t (vor den Amtsgerichten),<lb/>
die Vertretung zu übernehmen <note place="foot" n="2)">R.A.O. §. 26. Ausgenommen die Rechtsanwälte am Reichsgericht.</note>. Durch die&#x017F;e Be&#x017F;timmung &#x017F;ind<lb/>
demnach die territorialen Gränzen der Ju&#x017F;tizhoheit be&#x017F;eitigt; &#x017F;oweit<lb/>
im ganzen Reich ein einheitliches Verfahren, eine einheitliche Ge-<lb/>
richtsverfa&#x017F;&#x017F;ung, und eine gemeinverbindliche Rechtskraft der gericht-<lb/>
lichen Urtheile be&#x017F;teht, &#x017F;oweit wirkt auch die von einem Staate<lb/>
ertheilte Zula&#x017F;&#x017F;ung als Rechtsanwalt auf das ganze Bundesgebiet.<lb/>
Die &#x017F;ogen. Lokali&#x017F;irung der Rechtsanwälte &#x017F;chließt nicht den Ge-<lb/>
werbebetrieb der&#x017F;elben im ganzen Bundesgebiet aus; &#x017F;ie wirkt nur<lb/>
hin&#x017F;ichtlich der Vertretung im Anwaltsprozeß <note place="foot" n="3)">Nur hat die <hi rendition="#g">Partei</hi> keinen An&#x017F;pruch auf Er&#x017F;atz der <hi rendition="#g">Mehrko&#x017F;ten</hi>,<lb/>
welche durch die Zuziehung eines nicht am Sitz des Prozeßgerichts wohnhaften<lb/>
Anwaltes ent&#x017F;tehen. R.A.O. §. 18 Ab&#x017F;. 5. Vgl. Civilproz.Ordn. §. 87 Ab&#x017F;. 2.</note>.</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">c)</hi> In denjenigen Sachen, in welchen die drei Reichsprozeß-<lb/>
ge&#x017F;etze nicht zur Anwendung kommen, gleichviel ob &#x017F;ie vor den<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[118/0128] §. 103. Die Rechtsanwaltſchaft. II. Rechte und Pflichten der Rechtsanwälte. 1. Befugniß zum Gewerbebetrieb. Es ſind in dieſer Beziehung drei Kategorien von Rechtsſachen zu unter- ſcheiden: a) Inſoweit eine Vertretung durch Anwälte geboten iſt, (Ci- vilproz.Ordn. §. 74; im ſogen. Anwaltsprozeß), kann nur ein bei dem Prozeßgerichte zugelaſſener Rechtsanwalt die Vertretung als Prozeßbevollmächtigter übernehmen; jedoch iſt jeder Rechtsanwalt befugt in der mündlichen Verhand- lung die Ausführung der Parteirechte und falls ihm der bei dem Prozeßgericht zum Prozeßbevollmächtigten beſtellte Rechtsanwalt die Vertretung überträgt, auch dieſe zu übernehmen 1). b) In denjenigen Sachen, auf welche die Strafprozeßordnung, die Civilproz.Ordnung und die Konkursordnung Anwendung finden, iſt jeder Rechtsanwalt auf Grund der Zulaſſung bei einem Gericht befugt, vor jedem Gericht innerhalb des Reichs Ver- theidigungen zu führen, als Beiſtand aufzutreten und ſoweit eine Vertretung durch Anwälte nicht geboten iſt (vor den Amtsgerichten), die Vertretung zu übernehmen 2). Durch dieſe Beſtimmung ſind demnach die territorialen Gränzen der Juſtizhoheit beſeitigt; ſoweit im ganzen Reich ein einheitliches Verfahren, eine einheitliche Ge- richtsverfaſſung, und eine gemeinverbindliche Rechtskraft der gericht- lichen Urtheile beſteht, ſoweit wirkt auch die von einem Staate ertheilte Zulaſſung als Rechtsanwalt auf das ganze Bundesgebiet. Die ſogen. Lokaliſirung der Rechtsanwälte ſchließt nicht den Ge- werbebetrieb derſelben im ganzen Bundesgebiet aus; ſie wirkt nur hinſichtlich der Vertretung im Anwaltsprozeß 3). c) In denjenigen Sachen, in welchen die drei Reichsprozeß- geſetze nicht zur Anwendung kommen, gleichviel ob ſie vor den 1) R.A.O. §. 27. Nur die bei dem Reichsgericht zugelaſſenen Rechtsan- wälte dürfen bei keinem anderen Gerichte auftreten und von einem bei dem Reichsgericht nicht zugelaſſenen Rechtsanwalt nicht vertreten werden. R.A.O. §. 100 Abſ. 2. §. 101. 2) R.A.O. §. 26. Ausgenommen die Rechtsanwälte am Reichsgericht. 3) Nur hat die Partei keinen Anſpruch auf Erſatz der Mehrkoſten, welche durch die Zuziehung eines nicht am Sitz des Prozeßgerichts wohnhaften Anwaltes entſtehen. R.A.O. §. 18 Abſ. 5. Vgl. Civilproz.Ordn. §. 87 Abſ. 2.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/128
Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/128>, abgerufen am 18.04.2024.