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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 106. Die Kosten und Gebühren.
der Gerichtsorganisation und des gerichtlichen Verfahrens gleich-
mäßig geregelt werden mußten, von den Prozeßkosten. Um das
Verhältniß der Autonomie der Einzelstaaten zu der Gesetzgebung
des Reiches zu bestimmen, ist daher im Wesentlichen folgende
Unterscheidung zu machen:

Die Autonomie der Einzelstaaten besteht hinsichtlich aller der-
jenigen Kosten, welche als Staatsverwaltungskosten von den
Staatskassen
zu tragen sind, da in dieser Hinsicht für das
Reich keine Veranlassung zur Bevormundung der Einzelstaaten
gegeben war; dagegen greift die Reichsgesetzgebung Platz hinsicht-
lich aller derjenigen Kosten, welche von den Parteien zu tragen
sind, und zwar auch dann, wenn die Beträge zunächst von der
Staatskasse zu zahlen und von den Parteien nur eventuell ihr zu
ersetzen sind, wie z. B. Gebühren für Zeugen und Sachverständige.

Aus diesem Prinzip ergiebt sich, daß sich die Autonomie
der Einzelstaaten
erstreckt: auf alle sächlichen Ausgaben der
Gerichtsverwaltung, auf die Höhe der Reisekosten, welche den
Schöffen, Geschworenen und Mitgliedern des Ausschusses zur Auf-
stellung der Dienstlisten zu gewähren sind, und insbesondere auf
die Normirung der Gehalte und anderen Diensteinkünfte sowie
der Pensionsverhältnisse aller im Justizdienste berufsmäßig ange-
stellten Beamten mit Einschluß der richterlichen. Für die Justiz-
beamten giebt es keine vom Reiche aufgestellten Normalbesoldungs-
sätze wie für die Offiziere und Militärbeamten.

Dagegen erstreckt sich die Reichsgesetzgebung unter Ausschluß
der einzelstaatlichen Autonomie für den Bereich der ordentlichen
streitigen Gerichtsbarkeit auf folgende Punkte:

1. Die Verpflichtungsgründe zur Zahlung oder
zur Erstattung von Prozeßkosten. Dieselben sind in den Prozeß-
Ordnungen bestimmt 1). Die Frage, wer zur Tragung der Prozeß-
kosten verpflichtet ist, bildet einen Nebenbestandtheil jeder rechts-
hängigen Sache und ist in jedem einzelnen Falle ex officio durch
richterliche Entscheidung festzustellen 2). Eine nähere Erörterung
dieser Verpflichtungsgründe ist ohne staatsrechtliches Interesse; sie

1) Strafproz.O. §§. 497--505. Civilproz.O. §. 87 ff. u. a. O. Gerichts-
kostengesetz §. 86 ff.
2) Strafproz.O. §. 496. Civilproz.O. §. 279 Abs. 2.

§. 106. Die Koſten und Gebühren.
der Gerichtsorganiſation und des gerichtlichen Verfahrens gleich-
mäßig geregelt werden mußten, von den Prozeßkoſten. Um das
Verhältniß der Autonomie der Einzelſtaaten zu der Geſetzgebung
des Reiches zu beſtimmen, iſt daher im Weſentlichen folgende
Unterſcheidung zu machen:

Die Autonomie der Einzelſtaaten beſteht hinſichtlich aller der-
jenigen Koſten, welche als Staatsverwaltungskoſten von den
Staatskaſſen
zu tragen ſind, da in dieſer Hinſicht für das
Reich keine Veranlaſſung zur Bevormundung der Einzelſtaaten
gegeben war; dagegen greift die Reichsgeſetzgebung Platz hinſicht-
lich aller derjenigen Koſten, welche von den Parteien zu tragen
ſind, und zwar auch dann, wenn die Beträge zunächſt von der
Staatskaſſe zu zahlen und von den Parteien nur eventuell ihr zu
erſetzen ſind, wie z. B. Gebühren für Zeugen und Sachverſtändige.

Aus dieſem Prinzip ergiebt ſich, daß ſich die Autonomie
der Einzelſtaaten
erſtreckt: auf alle ſächlichen Ausgaben der
Gerichtsverwaltung, auf die Höhe der Reiſekoſten, welche den
Schöffen, Geſchworenen und Mitgliedern des Ausſchuſſes zur Auf-
ſtellung der Dienſtliſten zu gewähren ſind, und insbeſondere auf
die Normirung der Gehalte und anderen Dienſteinkünfte ſowie
der Penſionsverhältniſſe aller im Juſtizdienſte berufsmäßig ange-
ſtellten Beamten mit Einſchluß der richterlichen. Für die Juſtiz-
beamten giebt es keine vom Reiche aufgeſtellten Normalbeſoldungs-
ſätze wie für die Offiziere und Militärbeamten.

Dagegen erſtreckt ſich die Reichsgeſetzgebung unter Ausſchluß
der einzelſtaatlichen Autonomie für den Bereich der ordentlichen
ſtreitigen Gerichtsbarkeit auf folgende Punkte:

1. Die Verpflichtungsgründe zur Zahlung oder
zur Erſtattung von Prozeßkoſten. Dieſelben ſind in den Prozeß-
Ordnungen beſtimmt 1). Die Frage, wer zur Tragung der Prozeß-
koſten verpflichtet iſt, bildet einen Nebenbeſtandtheil jeder rechts-
hängigen Sache und iſt in jedem einzelnen Falle ex officio durch
richterliche Entſcheidung feſtzuſtellen 2). Eine nähere Erörterung
dieſer Verpflichtungsgründe iſt ohne ſtaatsrechtliches Intereſſe; ſie

1) Strafproz.O. §§. 497—505. Civilproz.O. §. 87 ff. u. a. O. Gerichts-
koſtengeſetz §. 86 ff.
2) Strafproz.O. §. 496. Civilproz.O. §. 279 Abſ. 2.
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[184/0194] §. 106. Die Koſten und Gebühren. der Gerichtsorganiſation und des gerichtlichen Verfahrens gleich- mäßig geregelt werden mußten, von den Prozeßkoſten. Um das Verhältniß der Autonomie der Einzelſtaaten zu der Geſetzgebung des Reiches zu beſtimmen, iſt daher im Weſentlichen folgende Unterſcheidung zu machen: Die Autonomie der Einzelſtaaten beſteht hinſichtlich aller der- jenigen Koſten, welche als Staatsverwaltungskoſten von den Staatskaſſen zu tragen ſind, da in dieſer Hinſicht für das Reich keine Veranlaſſung zur Bevormundung der Einzelſtaaten gegeben war; dagegen greift die Reichsgeſetzgebung Platz hinſicht- lich aller derjenigen Koſten, welche von den Parteien zu tragen ſind, und zwar auch dann, wenn die Beträge zunächſt von der Staatskaſſe zu zahlen und von den Parteien nur eventuell ihr zu erſetzen ſind, wie z. B. Gebühren für Zeugen und Sachverſtändige. Aus dieſem Prinzip ergiebt ſich, daß ſich die Autonomie der Einzelſtaaten erſtreckt: auf alle ſächlichen Ausgaben der Gerichtsverwaltung, auf die Höhe der Reiſekoſten, welche den Schöffen, Geſchworenen und Mitgliedern des Ausſchuſſes zur Auf- ſtellung der Dienſtliſten zu gewähren ſind, und insbeſondere auf die Normirung der Gehalte und anderen Dienſteinkünfte ſowie der Penſionsverhältniſſe aller im Juſtizdienſte berufsmäßig ange- ſtellten Beamten mit Einſchluß der richterlichen. Für die Juſtiz- beamten giebt es keine vom Reiche aufgeſtellten Normalbeſoldungs- ſätze wie für die Offiziere und Militärbeamten. Dagegen erſtreckt ſich die Reichsgeſetzgebung unter Ausſchluß der einzelſtaatlichen Autonomie für den Bereich der ordentlichen ſtreitigen Gerichtsbarkeit auf folgende Punkte: 1. Die Verpflichtungsgründe zur Zahlung oder zur Erſtattung von Prozeßkoſten. Dieſelben ſind in den Prozeß- Ordnungen beſtimmt 1). Die Frage, wer zur Tragung der Prozeß- koſten verpflichtet iſt, bildet einen Nebenbeſtandtheil jeder rechts- hängigen Sache und iſt in jedem einzelnen Falle ex officio durch richterliche Entſcheidung feſtzuſtellen 2). Eine nähere Erörterung dieſer Verpflichtungsgründe iſt ohne ſtaatsrechtliches Intereſſe; ſie 1) Strafproz.O. §§. 497—505. Civilproz.O. §. 87 ff. u. a. O. Gerichts- koſtengeſetz §. 86 ff. 2) Strafproz.O. §. 496. Civilproz.O. §. 279 Abſ. 2.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/194>, abgerufen am 18.04.2024.