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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 112. Die Einheit des Zollgebietes.
Gebietstheile einbegriffen, welche dem Zoll- und Handelssysteme
der vertragenden Theile oder eines von ihnen angeschlossen sind,
unter Berücksichtigung ihrer auf den Anschlußverträgen beruhenden
besonderen Verhältnisse." Hierdurch wird nicht nur die Ausdeh-
nung des Zollgebietes auf außerdeutsche Gebiete anerkannt, son-
dern zugleich auch die Berücksichtigung der Anschlußverträge hin-
sichtlich dieser Gebiete zugestanden 1). Der Artikel unterscheidet
zwei Arten von Annexen, je nachdem dieselben dem Zoll- und
Handelssystem der Gesammtheit oder einem der betheiligten
Staaten angeschlossen sind; beide Kategorien sind thatsächlich vor-
handen, aber freilich nur in je einem Anwendungsfalle.

a) Das Großherzogthum Luxemburg ist durch Staatsver-
trag 2) "dem Zollsystem des Königreichs Preußen und der mit
diesem zu einem Zollverein verbundenen Staaten" beigetreten und
hat gleichzeitig auf jede Mitwirkung bei der Verwaltung und Ent-
wicklung der Zollvereinsangelegenheiten verzichtet, seine Vertretung
in dieser Hinsicht vielmehr Preußen übertragen. Der Luxembur-
gische Anschlußvertrag ist aber von Preußen zugleich im Namen
der übrigen Zollvereinsstaaten abgeschlossen und von den letzteren
ratifizirt worden; er begründete demnach ein Gemeinschaftsver-
hältniß zwischen Luxemburg und sämmtlichen Vereinsmitglie-
dern. Nach Einführung der Reichsverf. trat an die Stelle der letz-
teren das Reich, d. h. an die Stelle des Vereins der Bundesstaat.
Anerkannt wurde die Fortdauer des Rechtsverhältnisses in dieser
Gestalt implicite durch die Uebereinkunft v. 11. Juni 1872 wegen
Uebernahme der Wilhelm-Luxemb. Eisenbahnen § 14, indem zu-
gleich die Kündigung desselben ausgeschlossen wurde, so lange die
erwähnten Eisenbahnen von einer Reichsbehörde verwaltet und
betrieben werden 3). Durch den Vertrag ist zwischen dem Reich
und Luxemburg der gegenseitige Anspruch auf freien Verkehr und
Gemeinschaft der Zollerträge begründet.


1) Ueber die Bedeutung, welche der Artikel in den früheren Zollver-
einsverträgen hatte, vgl. Delbrück S. 8. Die Behauptung, daß wegen
dieser Zollannexe
neben dem Reichsverbande unter den Bundesstaaten
noch ein vertragsmäßiges Zollvereins-Verhältniß fortdauere, ist haltlos und
von Hänel und Delbrück bereits in überzeugender Weise widerlegt worden.
2) Der erste Anschlußvertrag des Großherzogthums ist vom 8. Febr. 1842,
der letzte vom 20/25. Oktober 1865.
3) R.G.Bl. 1872 S. 337.

§. 112. Die Einheit des Zollgebietes.
Gebietstheile einbegriffen, welche dem Zoll- und Handelsſyſteme
der vertragenden Theile oder eines von ihnen angeſchloſſen ſind,
unter Berückſichtigung ihrer auf den Anſchlußverträgen beruhenden
beſonderen Verhältniſſe.“ Hierdurch wird nicht nur die Ausdeh-
nung des Zollgebietes auf außerdeutſche Gebiete anerkannt, ſon-
dern zugleich auch die Berückſichtigung der Anſchlußverträge hin-
ſichtlich dieſer Gebiete zugeſtanden 1). Der Artikel unterſcheidet
zwei Arten von Annexen, je nachdem dieſelben dem Zoll- und
Handelsſyſtem der Geſammtheit oder einem der betheiligten
Staaten angeſchloſſen ſind; beide Kategorien ſind thatſächlich vor-
handen, aber freilich nur in je einem Anwendungsfalle.

a) Das Großherzogthum Luxemburg iſt durch Staatsver-
trag 2) „dem Zollſyſtem des Königreichs Preußen und der mit
dieſem zu einem Zollverein verbundenen Staaten“ beigetreten und
hat gleichzeitig auf jede Mitwirkung bei der Verwaltung und Ent-
wicklung der Zollvereinsangelegenheiten verzichtet, ſeine Vertretung
in dieſer Hinſicht vielmehr Preußen übertragen. Der Luxembur-
giſche Anſchlußvertrag iſt aber von Preußen zugleich im Namen
der übrigen Zollvereinsſtaaten abgeſchloſſen und von den letzteren
ratifizirt worden; er begründete demnach ein Gemeinſchaftsver-
hältniß zwiſchen Luxemburg und ſämmtlichen Vereinsmitglie-
dern. Nach Einführung der Reichsverf. trat an die Stelle der letz-
teren das Reich, d. h. an die Stelle des Vereins der Bundesſtaat.
Anerkannt wurde die Fortdauer des Rechtsverhältniſſes in dieſer
Geſtalt implicite durch die Uebereinkunft v. 11. Juni 1872 wegen
Uebernahme der Wilhelm-Luxemb. Eiſenbahnen § 14, indem zu-
gleich die Kündigung deſſelben ausgeſchloſſen wurde, ſo lange die
erwähnten Eiſenbahnen von einer Reichsbehörde verwaltet und
betrieben werden 3). Durch den Vertrag iſt zwiſchen dem Reich
und Luxemburg der gegenſeitige Anſpruch auf freien Verkehr und
Gemeinſchaft der Zollerträge begründet.


1) Ueber die Bedeutung, welche der Artikel in den früheren Zollver-
einsverträgen hatte, vgl. Delbrück S. 8. Die Behauptung, daß wegen
dieſer Zollannexe
neben dem Reichsverbande unter den Bundesſtaaten
noch ein vertragsmäßiges Zollvereins-Verhältniß fortdauere, iſt haltlos und
von Hänel und Delbrück bereits in überzeugender Weiſe widerlegt worden.
2) Der erſte Anſchlußvertrag des Großherzogthums iſt vom 8. Febr. 1842,
der letzte vom 20/25. Oktober 1865.
3) R.G.Bl. 1872 S. 337.
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[252/0262] §. 112. Die Einheit des Zollgebietes. Gebietstheile einbegriffen, welche dem Zoll- und Handelsſyſteme der vertragenden Theile oder eines von ihnen angeſchloſſen ſind, unter Berückſichtigung ihrer auf den Anſchlußverträgen beruhenden beſonderen Verhältniſſe.“ Hierdurch wird nicht nur die Ausdeh- nung des Zollgebietes auf außerdeutſche Gebiete anerkannt, ſon- dern zugleich auch die Berückſichtigung der Anſchlußverträge hin- ſichtlich dieſer Gebiete zugeſtanden 1). Der Artikel unterſcheidet zwei Arten von Annexen, je nachdem dieſelben dem Zoll- und Handelsſyſtem der Geſammtheit oder einem der betheiligten Staaten angeſchloſſen ſind; beide Kategorien ſind thatſächlich vor- handen, aber freilich nur in je einem Anwendungsfalle. a) Das Großherzogthum Luxemburg iſt durch Staatsver- trag 2) „dem Zollſyſtem des Königreichs Preußen und der mit dieſem zu einem Zollverein verbundenen Staaten“ beigetreten und hat gleichzeitig auf jede Mitwirkung bei der Verwaltung und Ent- wicklung der Zollvereinsangelegenheiten verzichtet, ſeine Vertretung in dieſer Hinſicht vielmehr Preußen übertragen. Der Luxembur- giſche Anſchlußvertrag iſt aber von Preußen zugleich im Namen der übrigen Zollvereinsſtaaten abgeſchloſſen und von den letzteren ratifizirt worden; er begründete demnach ein Gemeinſchaftsver- hältniß zwiſchen Luxemburg und ſämmtlichen Vereinsmitglie- dern. Nach Einführung der Reichsverf. trat an die Stelle der letz- teren das Reich, d. h. an die Stelle des Vereins der Bundesſtaat. Anerkannt wurde die Fortdauer des Rechtsverhältniſſes in dieſer Geſtalt implicite durch die Uebereinkunft v. 11. Juni 1872 wegen Uebernahme der Wilhelm-Luxemb. Eiſenbahnen § 14, indem zu- gleich die Kündigung deſſelben ausgeſchloſſen wurde, ſo lange die erwähnten Eiſenbahnen von einer Reichsbehörde verwaltet und betrieben werden 3). Durch den Vertrag iſt zwiſchen dem Reich und Luxemburg der gegenſeitige Anſpruch auf freien Verkehr und Gemeinſchaft der Zollerträge begründet. 1) Ueber die Bedeutung, welche der Artikel in den früheren Zollver- einsverträgen hatte, vgl. Delbrück S. 8. Die Behauptung, daß wegen dieſer Zollannexe neben dem Reichsverbande unter den Bundesſtaaten noch ein vertragsmäßiges Zollvereins-Verhältniß fortdauere, iſt haltlos und von Hänel und Delbrück bereits in überzeugender Weiſe widerlegt worden. 2) Der erſte Anſchlußvertrag des Großherzogthums iſt vom 8. Febr. 1842, der letzte vom 20/25. Oktober 1865. 3) R.G.Bl. 1872 S. 337.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/262>, abgerufen am 23.04.2024.