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Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882.

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§. 114. Die Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern.
gebiets zur Erhebung der im Art. 35 der R.V. aufgeführten Ab-
gaben befugt. Auch durch die Worte "soweit derselbe sie bisher
ausgeübt hat" wird keine Kompetenz für das Reich reservirt,
sondern die Fortgeltung derjenigen Beschränkungen einzelner Bundes-
staaten und der diesen entsprechenden Machterweiterungen anderer
Bundesglieder anerkannt, welche durch die Zollvereinsverträge und
durch die unter den Mitgliedern des Zollvereins abgeschlossenen
Separatverträge begründet sind. Die unter den Bundesstaaten
abgeschlossenen Zoll- und Steuerkonventionen sind inner-
halb der von der Verfassung aufgestellten Rechtsschranken aufrecht
erhalten und zugelassen, wie die Post-, Militair- und Gerichts-
Konventionen 1). Unter den Zoll- und Steuerkonventionen sind
ganz ebenso wie unter den Gerichtskonventionen zwei Arten zu
unterscheiden; entweder ist durch dieselben unter mehreren Staaten
eine gemeinschaftliche Zoll- und Steuer-Verwaltung errichtet
worden, oder es ist die Verwaltung eines Gebietes einem andern
Staate übertragen worden. Das erste ist geschehen durch den
Vertrag wegen Errichtung des Thüringischen Zoll- und Handels-
Vereins 2), das andere durch eine Anzahl von Verabredungen,
durch welche einige kleinere Gebiete der Preußischen Zollverwaltung
angeschlossen worden sind 3).

Eine Modifikation des Prinzips, daß jedem Staat in seinem
Gebiete die Verwaltung der Zölle und Steuern zusteht, ist ferner
dadurch herbeigeführt worden, daß das Reichsgebiet mit dem Zoll-
gebiet nicht zusammenfällt, nämlich in den Hansestädten. In den-
selben sind auf Grund von Uebereinkünften mit diesen Städten
durch Bundesrathsbeschlüsse Kaiserliche Hauptzollämter

1) Siehe Bd. II S. 289. Bd. III. 1. S. 26. Bd. III. 2. S. 45.
2) Der ursprüngliche Vertrag ist vom 10. Mai 1833; die letzte Festsetzung
vom 27. Juni 1864.
3) Die Worte "innerhalb seines Gebietes" im Art. 36 Abs. 1 sind be-
deutungslos und streng genommen im Widerspruch mit den vorhergehenden
Worten "soweit derselbe sie bisher ausgeübt hat", da die letzteren gerade den
Fall betreffen, daß ein Bundesstaat außerhalb seines Gebietes Verwaltungs-
befugnisse ausübt. Die Gebiete, in denen Preußen vertragsmäßig die
Reichssteuern erhebt, sind einige mecklenburgische Ortschaften, der größere Theil
des Oldenburg. Fürstenthums Lübeck, Gebietstheile von Hamburg und Bremen
und die Fürstenthümer Lippe, Waldeck und Pyrmont, und Schaumburg-Lippe.
Vgl. Erläuterungen zum Reichs-Etat f. 1882/83. XIV S. 3.

§. 114. Die Verwaltung der Zölle und Verbrauchsſteuern.
gebiets zur Erhebung der im Art. 35 der R.V. aufgeführten Ab-
gaben befugt. Auch durch die Worte „ſoweit derſelbe ſie bisher
ausgeübt hat“ wird keine Kompetenz für das Reich reſervirt,
ſondern die Fortgeltung derjenigen Beſchränkungen einzelner Bundes-
ſtaaten und der dieſen entſprechenden Machterweiterungen anderer
Bundesglieder anerkannt, welche durch die Zollvereinsverträge und
durch die unter den Mitgliedern des Zollvereins abgeſchloſſenen
Separatverträge begründet ſind. Die unter den Bundesſtaaten
abgeſchloſſenen Zoll- und Steuerkonventionen ſind inner-
halb der von der Verfaſſung aufgeſtellten Rechtsſchranken aufrecht
erhalten und zugelaſſen, wie die Poſt-, Militair- und Gerichts-
Konventionen 1). Unter den Zoll- und Steuerkonventionen ſind
ganz ebenſo wie unter den Gerichtskonventionen zwei Arten zu
unterſcheiden; entweder iſt durch dieſelben unter mehreren Staaten
eine gemeinſchaftliche Zoll- und Steuer-Verwaltung errichtet
worden, oder es iſt die Verwaltung eines Gebietes einem andern
Staate übertragen worden. Das erſte iſt geſchehen durch den
Vertrag wegen Errichtung des Thüringiſchen Zoll- und Handels-
Vereins 2), das andere durch eine Anzahl von Verabredungen,
durch welche einige kleinere Gebiete der Preußiſchen Zollverwaltung
angeſchloſſen worden ſind 3).

Eine Modifikation des Prinzips, daß jedem Staat in ſeinem
Gebiete die Verwaltung der Zölle und Steuern zuſteht, iſt ferner
dadurch herbeigeführt worden, daß das Reichsgebiet mit dem Zoll-
gebiet nicht zuſammenfällt, nämlich in den Hanſeſtädten. In den-
ſelben ſind auf Grund von Uebereinkünften mit dieſen Städten
durch Bundesrathsbeſchlüſſe Kaiſerliche Hauptzollämter

1) Siehe Bd. II S. 289. Bd. III. 1. S. 26. Bd. III. 2. S. 45.
2) Der urſprüngliche Vertrag iſt vom 10. Mai 1833; die letzte Feſtſetzung
vom 27. Juni 1864.
3) Die Worte „innerhalb ſeines Gebietes“ im Art. 36 Abſ. 1 ſind be-
deutungslos und ſtreng genommen im Widerſpruch mit den vorhergehenden
Worten „ſoweit derſelbe ſie bisher ausgeübt hat“, da die letzteren gerade den
Fall betreffen, daß ein Bundesſtaat außerhalb ſeines Gebietes Verwaltungs-
befugniſſe ausübt. Die Gebiete, in denen Preußen vertragsmäßig die
Reichsſteuern erhebt, ſind einige mecklenburgiſche Ortſchaften, der größere Theil
des Oldenburg. Fürſtenthums Lübeck, Gebietstheile von Hamburg und Bremen
und die Fürſtenthümer Lippe, Waldeck und Pyrmont, und Schaumburg-Lippe.
Vgl. Erläuterungen zum Reichs-Etat f. 1882/83. XIV S. 3.
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[284/0294] §. 114. Die Verwaltung der Zölle und Verbrauchsſteuern. gebiets zur Erhebung der im Art. 35 der R.V. aufgeführten Ab- gaben befugt. Auch durch die Worte „ſoweit derſelbe ſie bisher ausgeübt hat“ wird keine Kompetenz für das Reich reſervirt, ſondern die Fortgeltung derjenigen Beſchränkungen einzelner Bundes- ſtaaten und der dieſen entſprechenden Machterweiterungen anderer Bundesglieder anerkannt, welche durch die Zollvereinsverträge und durch die unter den Mitgliedern des Zollvereins abgeſchloſſenen Separatverträge begründet ſind. Die unter den Bundesſtaaten abgeſchloſſenen Zoll- und Steuerkonventionen ſind inner- halb der von der Verfaſſung aufgeſtellten Rechtsſchranken aufrecht erhalten und zugelaſſen, wie die Poſt-, Militair- und Gerichts- Konventionen 1). Unter den Zoll- und Steuerkonventionen ſind ganz ebenſo wie unter den Gerichtskonventionen zwei Arten zu unterſcheiden; entweder iſt durch dieſelben unter mehreren Staaten eine gemeinſchaftliche Zoll- und Steuer-Verwaltung errichtet worden, oder es iſt die Verwaltung eines Gebietes einem andern Staate übertragen worden. Das erſte iſt geſchehen durch den Vertrag wegen Errichtung des Thüringiſchen Zoll- und Handels- Vereins 2), das andere durch eine Anzahl von Verabredungen, durch welche einige kleinere Gebiete der Preußiſchen Zollverwaltung angeſchloſſen worden ſind 3). Eine Modifikation des Prinzips, daß jedem Staat in ſeinem Gebiete die Verwaltung der Zölle und Steuern zuſteht, iſt ferner dadurch herbeigeführt worden, daß das Reichsgebiet mit dem Zoll- gebiet nicht zuſammenfällt, nämlich in den Hanſeſtädten. In den- ſelben ſind auf Grund von Uebereinkünften mit dieſen Städten durch Bundesrathsbeſchlüſſe Kaiſerliche Hauptzollämter 1) Siehe Bd. II S. 289. Bd. III. 1. S. 26. Bd. III. 2. S. 45. 2) Der urſprüngliche Vertrag iſt vom 10. Mai 1833; die letzte Feſtſetzung vom 27. Juni 1864. 3) Die Worte „innerhalb ſeines Gebietes“ im Art. 36 Abſ. 1 ſind be- deutungslos und ſtreng genommen im Widerſpruch mit den vorhergehenden Worten „ſoweit derſelbe ſie bisher ausgeübt hat“, da die letzteren gerade den Fall betreffen, daß ein Bundesſtaat außerhalb ſeines Gebietes Verwaltungs- befugniſſe ausübt. Die Gebiete, in denen Preußen vertragsmäßig die Reichsſteuern erhebt, ſind einige mecklenburgiſche Ortſchaften, der größere Theil des Oldenburg. Fürſtenthums Lübeck, Gebietstheile von Hamburg und Bremen und die Fürſtenthümer Lippe, Waldeck und Pyrmont, und Schaumburg-Lippe. Vgl. Erläuterungen zum Reichs-Etat f. 1882/83. XIV S. 3.

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Zitationshilfe: Laband, Paul: Das Staatsrecht des Deutschen Reiches. Bd. 3, Abt. 2. Freiburg (Breisgau) u. a., 1882, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laband_staatsrecht0302_1882/294>, abgerufen am 19.04.2024.