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Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

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Lieder von Grimil[d]s Rache, die in so vielen Punkten mit
unserer Fabel zusammenstimmen, wenigstens einen Theil
gerade jener Lücken in unserer Erzählung ausfüllen. In
allen dreien fragt Haagen das Meerweib, wie es ihm ge-
hen werde, wenn er nach Hven zu seiner Schwester Gri-
mild komme. In dem ersten schlägt er dem Meerweibe,
in dem dritten aber dem Vergen das Haupt ab, und wirft
es ins Meer; worauf er ihm dann den Rumpf nachsendet,
damit sich beide auf dem Grunde zusammen finden mögen.
Dagegen erschlägt er in dem ersten und dritten dieser Lie-
der den Fährmann aus Grimm, weil er ihn nicht überfah-
ren will, dagegen in unserem Liede, wo der Verge Hagen zu-
erst angreift, die Sache besser und vollständiger dargestellt ist.

So wie hier aus der Vergleichung dieser Kioempeviser,
ergibt sich noch manches der Art, besonders aus der Vil-
kinasaga, selbst zum Theil vielleicht für die Geschichte der
einzelnen Lieder unseres Werkes. Wir enthalten uns aber
hier dergleichen anzuführen, weil dabei doch immer zwei-
felhaft ist, ob wir über die Bildung unserer noch vorhan-
denen Gesänge oder über die Gestalt der Sage in anderen
Liedern einen Aufschluß gewonnen haben.

12.

Vielmehr wollen wir uns jetzt nach einem bestimmte-
ren Zeugnisse für unser Werk umsehen, das, wenn ich nicht
sehr irre, die bisher aus einigen Theilen des Liedes selbst
erwiesene Behauptung zur historischen Gewißheit bringen
soll. Dieses Zeugniß finden wir in der bekannten Fort-
setzung der Nibelungennoth, dem Mähre von der Klage.
Um aber zu erforschen, ob das Zeugniß dieses Gedichts

auch

Lieder von Grimil[d]s Rache, die in ſo vielen Punkten mit
unſerer Fabel zuſammenſtimmen, wenigſtens einen Theil
gerade jener Lücken in unſerer Erzählung ausfüllen. In
allen dreien fragt Haagen das Meerweib, wie es ihm ge-
hen werde, wenn er nach Hven zu ſeiner Schweſter Gri-
mild komme. In dem erſten ſchlägt er dem Meerweibe,
in dem dritten aber dem Vergen das Haupt ab, und wirft
es ins Meer; worauf er ihm dann den Rumpf nachſendet,
damit ſich beide auf dem Grunde zuſammen finden mögen.
Dagegen erſchlägt er in dem erſten und dritten dieſer Lie-
der den Fährmann aus Grimm, weil er ihn nicht überfah-
ren will, dagegen in unſerem Liede, wo der Verge Hagen zu-
erſt angreift, die Sache beſſer und vollſtändiger dargeſtellt iſt.

So wie hier aus der Vergleichung dieſer Kiœmpeviſer,
ergibt ſich noch manches der Art, beſonders aus der Vil-
kinaſaga, ſelbſt zum Theil vielleicht für die Geſchichte der
einzelnen Lieder unſeres Werkes. Wir enthalten uns aber
hier dergleichen anzuführen, weil dabei doch immer zwei-
felhaft iſt, ob wir über die Bildung unſerer noch vorhan-
denen Geſänge oder über die Geſtalt der Sage in anderen
Liedern einen Aufſchluß gewonnen haben.

12.

Vielmehr wollen wir uns jetzt nach einem beſtimmte-
ren Zeugniſſe für unſer Werk umſehen, das, wenn ich nicht
ſehr irre, die bisher aus einigen Theilen des Liedes ſelbſt
erwieſene Behauptung zur hiſtoriſchen Gewißheit bringen
ſoll. Dieſes Zeugniß finden wir in der bekannten Fort-
ſetzung der Nibelungennoth, dem Mähre von der Klage.
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[32/0040] Lieder von Grimilds Rache, die in ſo vielen Punkten mit unſerer Fabel zuſammenſtimmen, wenigſtens einen Theil gerade jener Lücken in unſerer Erzählung ausfüllen. In allen dreien fragt Haagen das Meerweib, wie es ihm ge- hen werde, wenn er nach Hven zu ſeiner Schweſter Gri- mild komme. In dem erſten ſchlägt er dem Meerweibe, in dem dritten aber dem Vergen das Haupt ab, und wirft es ins Meer; worauf er ihm dann den Rumpf nachſendet, damit ſich beide auf dem Grunde zuſammen finden mögen. Dagegen erſchlägt er in dem erſten und dritten dieſer Lie- der den Fährmann aus Grimm, weil er ihn nicht überfah- ren will, dagegen in unſerem Liede, wo der Verge Hagen zu- erſt angreift, die Sache beſſer und vollſtändiger dargeſtellt iſt. So wie hier aus der Vergleichung dieſer Kiœmpeviſer, ergibt ſich noch manches der Art, beſonders aus der Vil- kinaſaga, ſelbſt zum Theil vielleicht für die Geſchichte der einzelnen Lieder unſeres Werkes. Wir enthalten uns aber hier dergleichen anzuführen, weil dabei doch immer zwei- felhaft iſt, ob wir über die Bildung unſerer noch vorhan- denen Geſänge oder über die Geſtalt der Sage in anderen Liedern einen Aufſchluß gewonnen haben. 12. Vielmehr wollen wir uns jetzt nach einem beſtimmte- ren Zeugniſſe für unſer Werk umſehen, das, wenn ich nicht ſehr irre, die bisher aus einigen Theilen des Liedes ſelbſt erwieſene Behauptung zur hiſtoriſchen Gewißheit bringen ſoll. Dieſes Zeugniß finden wir in der bekannten Fort- ſetzung der Nibelungennoth, dem Mähre von der Klage. Um aber zu erforſchen, ob das Zeugniß dieſes Gedichts auch

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Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/40>, abgerufen am 28.03.2024.