Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

Bild:
<< vorherige Seite

würden, und was Hagen dazu gesagt habe. Sie ant-
worten:
Der kom zer sprache an einem morgen fru;
Lutzel guter spruche reder' er derzu,
Do si du reise lobten her in Hunenlant;
Daz was dem grimmen Hagene gar zem tode ge-
nant.
Ez kument uwer bruder, die kunige alle dri,
In herlichem mute; wer mer damite si,
Der moere ich endeclichen wizzen nine kan.
Ez lobte mit in riten Volker der küne spileman.

Vergleicht man nun damit die vorhergehende Erzählung,
die nach meiner Meinung in demselben Liede enthalten ist,
so findet man darin nicht, daß Günther und die Seinen
sich gerade an einem Morgen früh zum Rath versammelt,
daß aber Wärbel und Swemmel nicht wohl wissen konn-
ten, was Hagen dabei gesagt hatte, weil sie über sieben
Tage wieder zum Könige beschieden waren und bis dahin
in der Herberge blieben.

Nun mag aber eine andere Stelle erwähnt werden, in
der keinesweges ein Widerspruch, sondern eine unnöthige
und deshalb eben so verdächtige Wiederhohlung zu finden
ist. In dem Liede, bei dem wir uns so eben aufhielten,
wirft in der Berathung über die Reise (Z. 5865 -- 5872)
Giselher dem Hagen vor, er widerrathe die Reise, weil er
sich schuldig wisse; worauf dieser zornig erwidert, man
werde wohl sehen, daß niemand mit größerem Muthe mit
ihnen reise. Zum klaren Beweis nun, daß wir da, wo
wir die Abreise der Burgunden erzählt lesen, uns in einem
anderen Liede, welches das vorhergehende nicht als be-
kannt voraussetzte, befinden, 22) kommt hier die ganze

würden, und was Hagen dazu geſagt habe. Sie ant-
worten:
Der kom zer ſprache an einem morgen frů;
Lu̓tzel gůter ſpru̓che reder’ er derzů,
Do ſi du̓ reiſe lobten her in Hu̓nenlant;
Daz was dem grimmen Hagene gar zem tode ge-
nant.
Ez kument u̓wer brůder, die ku̓nige alle dri,
In herlichem můte; wer mer damite ſi,
Der mœre ich endeclichen wizzen nine kan.
Ez lobte mit in riten Volker der küne ſpileman.

Vergleicht man nun damit die vorhergehende Erzählung,
die nach meiner Meinung in demſelben Liede enthalten iſt,
ſo findet man darin nicht, daß Günther und die Seinen
ſich gerade an einem Morgen früh zum Rath verſammelt,
daß aber Wärbel und Swemmel nicht wohl wiſſen konn-
ten, was Hagen dabei geſagt hatte, weil ſie über ſieben
Tage wieder zum Könige beſchieden waren und bis dahin
in der Herberge blieben.

Nun mag aber eine andere Stelle erwähnt werden, in
der keinesweges ein Widerſpruch, ſondern eine unnöthige
und deshalb eben ſo verdächtige Wiederhohlung zu finden
iſt. In dem Liede, bei dem wir uns ſo eben aufhielten,
wirft in der Berathung über die Reiſe (Z. 5865 — 5872)
Giſelher dem Hagen vor, er widerrathe die Reiſe, weil er
ſich ſchuldig wiſſe; worauf dieſer zornig erwidert, man
werde wohl ſehen, daß niemand mit größerem Muthe mit
ihnen reiſe. Zum klaren Beweis nun, daß wir da, wo
wir die Abreiſe der Burgunden erzählt leſen, uns in einem
anderen Liede, welches das vorhergehende nicht als be-
kannt vorausſetzte, befinden, 22) kommt hier die ganze

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0037" n="29"/>
würden, und was Hagen dazu ge&#x017F;agt habe. Sie ant-<lb/>
worten:<lb/><quote xml:lang="gmh"><hi rendition="#et">Der kom zer &#x017F;prache an einem morgen fr&#x016F;;</hi><lb/>
Lu&#x0313;tzel g&#x016F;ter &#x017F;pru&#x0313;che reder&#x2019; er derz&#x016F;,<lb/>
Do &#x017F;i du&#x0313; rei&#x017F;e lobten her in Hu&#x0313;nenlant;<lb/>
Daz was dem grimmen Hagene gar zem tode ge-<lb/><hi rendition="#et2">nant.</hi><lb/><hi rendition="#et">Ez kument u&#x0313;wer br&#x016F;der, die ku&#x0313;nige alle dri,</hi><lb/>
In herlichem m&#x016F;te; wer mer damite &#x017F;i,<lb/>
Der m&#x0153;re ich endeclichen wizzen nine kan.<lb/>
Ez lobte mit in riten Volker der küne &#x017F;pileman.</quote><lb/>
Vergleicht man nun damit die vorhergehende Erzählung,<lb/>
die nach meiner Meinung in dem&#x017F;elben Liede enthalten i&#x017F;t,<lb/>
&#x017F;o findet man darin nicht, daß Günther und die Seinen<lb/>
&#x017F;ich gerade an einem Morgen früh zum Rath ver&#x017F;ammelt,<lb/>
daß aber Wärbel und Swemmel nicht wohl wi&#x017F;&#x017F;en konn-<lb/>
ten, was Hagen dabei ge&#x017F;agt hatte, weil &#x017F;ie über &#x017F;ieben<lb/>
Tage wieder zum Könige be&#x017F;chieden waren und bis dahin<lb/>
in der Herberge blieben.</p><lb/>
        <p>Nun mag aber eine andere Stelle erwähnt werden, in<lb/>
der keinesweges ein Wider&#x017F;pruch, &#x017F;ondern eine unnöthige<lb/>
und deshalb eben &#x017F;o verdächtige Wiederhohlung zu finden<lb/>
i&#x017F;t. In dem Liede, bei dem wir uns &#x017F;o eben aufhielten,<lb/>
wirft in der Berathung über die Rei&#x017F;e (Z. 5865 &#x2014; 5872)<lb/>
Gi&#x017F;elher dem Hagen vor, er widerrathe die Rei&#x017F;e, weil er<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;chuldig wi&#x017F;&#x017F;e; worauf die&#x017F;er zornig erwidert, man<lb/>
werde wohl &#x017F;ehen, daß niemand mit größerem Muthe mit<lb/>
ihnen rei&#x017F;e. Zum klaren Beweis nun, daß wir da, wo<lb/>
wir die Abrei&#x017F;e der Burgunden erzählt le&#x017F;en, uns in einem<lb/>
anderen Liede, welches das vorhergehende nicht als be-<lb/>
kannt voraus&#x017F;etzte, befinden, <note xml:id="en22" next="#en22-text" place="end" n="22)"/> kommt hier die ganze<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0037] würden, und was Hagen dazu geſagt habe. Sie ant- worten: Der kom zer ſprache an einem morgen frů; Lu̓tzel gůter ſpru̓che reder’ er derzů, Do ſi du̓ reiſe lobten her in Hu̓nenlant; Daz was dem grimmen Hagene gar zem tode ge- nant. Ez kument u̓wer brůder, die ku̓nige alle dri, In herlichem můte; wer mer damite ſi, Der mœre ich endeclichen wizzen nine kan. Ez lobte mit in riten Volker der küne ſpileman. Vergleicht man nun damit die vorhergehende Erzählung, die nach meiner Meinung in demſelben Liede enthalten iſt, ſo findet man darin nicht, daß Günther und die Seinen ſich gerade an einem Morgen früh zum Rath verſammelt, daß aber Wärbel und Swemmel nicht wohl wiſſen konn- ten, was Hagen dabei geſagt hatte, weil ſie über ſieben Tage wieder zum Könige beſchieden waren und bis dahin in der Herberge blieben. Nun mag aber eine andere Stelle erwähnt werden, in der keinesweges ein Widerſpruch, ſondern eine unnöthige und deshalb eben ſo verdächtige Wiederhohlung zu finden iſt. In dem Liede, bei dem wir uns ſo eben aufhielten, wirft in der Berathung über die Reiſe (Z. 5865 — 5872) Giſelher dem Hagen vor, er widerrathe die Reiſe, weil er ſich ſchuldig wiſſe; worauf dieſer zornig erwidert, man werde wohl ſehen, daß niemand mit größerem Muthe mit ihnen reiſe. Zum klaren Beweis nun, daß wir da, wo wir die Abreiſe der Burgunden erzählt leſen, uns in einem anderen Liede, welches das vorhergehende nicht als be- kannt vorausſetzte, befinden, ²²⁾ kommt hier die ganze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/37
Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/37>, abgerufen am 29.03.2024.