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Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816.

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Entstehung theilen, über die A. W. Schlegel neulich klar
und scharf gesprochen hat.
3) So scheint z. B. die bekannte Stelle im Titurel:
So singent uns die blinden.
Das Sifrid hürnein woere etc.

zwar allerdings auf Volksgesang zu deuten; aber es ist
doch zweifelhaft, ob sie sich eben auf unser Lied oder auf
den Hornsiegfried beziehe.
4) Ein falscher Reim findet sich Z. 1793 f., wo be-
warn
auf gesworn reimt, in einer Strophe, welche die
zweite Hohenemser Handschrift nicht kennt. Außerdem ist
bemerkenswerth, daß Z. 6961 f. bevalch auf marschalch
gereimt ist, welches sonst marschalk heißt. Einmahl, Z.
2621 f, steht noch jetzt durch des Herausgebers Schuld
lieht und niht statt nieht. Für frum aber auf sun
ist Z. 507 und 7728 frun zu lesen; denn so sagte man,
wie troun und boun und dergleichen mehr; auch kommt
anderwärts sogar vor, er gefrunte. Hingegen zeichnet
sich unser Gedicht von anderen aus durch die dreisylbigen
Reime Hagene, ze sagene, ze tragene, ersla-
gene
, denen folgende gleich, das heißt, auch für dreisyl-
big gerechnet werden: Uten, guten, Ute, gute, hu-
ben, uben, trüge, slüge, woeren, moeren, ge-
namen, quamen, solde, wolde
etc. Noch auffallen-
der sind die bloß auf einen kurzen Vocal reimenden Ha-
gene, degene, menige, gademe
. Doch findet sich
diese letzte Reimart einmahl in der Klage Z. 1275 f. Ha-
gene
und gademe, und im Parzifal die Reime we, e,
re, sne
auf Cundrie und Itonie.
Entſtehung theilen, über die A. W. Schlegel neulich klar
und ſcharf geſprochen hat.
3) So ſcheint z. B. die bekannte Stelle im Titurel:
So ſingent uns die blinden.
Das Sifrid hürnein wœre ꝛc.

zwar allerdings auf Volksgeſang zu deuten; aber es iſt
doch zweifelhaft, ob ſie ſich eben auf unſer Lied oder auf
den Hornſiegfried beziehe.
4) Ein falſcher Reim findet ſich Z. 1793 f., wo be-
warn
auf geſworn reimt, in einer Strophe, welche die
zweite Hohenemſer Handſchrift nicht kennt. Außerdem iſt
bemerkenswerth, daß Z. 6961 f. bevalch auf marſchalch
gereimt iſt, welches ſonſt marſchalk heißt. Einmahl, Z.
2621 f, ſteht noch jetzt durch des Herausgebers Schuld
lieht und niht ſtatt nieht. Für frum aber auf ſun
iſt Z. 507 und 7728 frun zu leſen; denn ſo ſagte man,
wie troͧn und boͧn und dergleichen mehr; auch kommt
anderwärts ſogar vor, er gefrunte. Hingegen zeichnet
ſich unſer Gedicht von anderen aus durch die dreiſylbigen
Reime Hagene, ze ſagene, ze tragene, erſla-
gene
, denen folgende gleich, das heißt, auch für dreiſyl-
big gerechnet werden: Ůten, gůten, Ůte, gůte, hů-
ben, ůben, trüge, ſlüge, wœren, mœren, ge-
namen, quamen, ſolde, wolde
ꝛc. Noch auffallen-
der ſind die bloß auf einen kurzen Vocal reimenden Ha-
gene, degene, menige, gademe
. Doch findet ſich
dieſe letzte Reimart einmahl in der Klage Z. 1275 f. Ha-
gene
und gademe, und im Parzifal die Reime we, e,
re, ſne
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[90/0098] ²⁾ Entſtehung theilen, über die A. W. Schlegel neulich klar und ſcharf geſprochen hat. ³⁾ So ſcheint z. B. die bekannte Stelle im Titurel: So ſingent uns die blinden. Das Sifrid hürnein wœre ꝛc. zwar allerdings auf Volksgeſang zu deuten; aber es iſt doch zweifelhaft, ob ſie ſich eben auf unſer Lied oder auf den Hornſiegfried beziehe. ⁴⁾ Ein falſcher Reim findet ſich Z. 1793 f., wo be- warn auf geſworn reimt, in einer Strophe, welche die zweite Hohenemſer Handſchrift nicht kennt. Außerdem iſt bemerkenswerth, daß Z. 6961 f. bevalch auf marſchalch gereimt iſt, welches ſonſt marſchalk heißt. Einmahl, Z. 2621 f, ſteht noch jetzt durch des Herausgebers Schuld lieht und niht ſtatt nieht. Für frum aber auf ſun iſt Z. 507 und 7728 frun zu leſen; denn ſo ſagte man, wie troͧn und boͧn und dergleichen mehr; auch kommt anderwärts ſogar vor, er gefrunte. Hingegen zeichnet ſich unſer Gedicht von anderen aus durch die dreiſylbigen Reime Hagene, ze ſagene, ze tragene, erſla- gene, denen folgende gleich, das heißt, auch für dreiſyl- big gerechnet werden: Ůten, gůten, Ůte, gůte, hů- ben, ůben, trüge, ſlüge, wœren, mœren, ge- namen, quamen, ſolde, wolde ꝛc. Noch auffallen- der ſind die bloß auf einen kurzen Vocal reimenden Ha- gene, degene, menige, gademe. Doch findet ſich dieſe letzte Reimart einmahl in der Klage Z. 1275 f. Ha- gene und gademe, und im Parzifal die Reime we, e, re, ſne auf Cundrie und Itonie.

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Zitationshilfe: Lachmann, Karl: Über die ursprüngliche Gestalt des Gedichts von der Nibelungen Noth. Berlin, 1816, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lachmann_nibelungen_1816/98>, abgerufen am 23.04.2024.