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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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III. Hauptstück. Erste Grundsätze
geben. Was wir in der Körperwelt finden,
eignen wir den daher genommenen Begriffen
zu, und dehnen es sodann auch auf die ab-
stracten Begriffe aus.
Auf diese Art entwickeln
wir mit der Sache auch die Begriffe oder Empfin-
dungen
der bey der Entwickelung zum Vorscheine
kommenden und aus einander gelegten Theile der
Sache.
Und so kömmt uns auch vor, daß wir ab-
stracte und nicht unter die Sinnen fallende Begriffe
entwickeln, und ihre Theile aus einander setzen.
Sind nun solche Vergleichungen richtig getroffen, und
allgemein, so läßt sich die Sache umkehren, und es
können auch abstracte Begriffe unter sinnlichen Bil-
dern und etwann gar wissenschaftlich vorgestellet wer-
den. Auf diese Art habe ich in der Dianoiologie die
Ausdehnung der Begriffe durch Linien vorgestellet,
und sie ganz oder zum Theil unter und neben ein-
ander gezeichnet, und die Theorie der Schlüsse darauf
gegründet, und gleichsam vor Augen gemahlet. Da-
bey habe ich gleichfalls angemerket, daß die Verhält-
nisse in und außer einander noch eine andere Dimen-
sion von Begriffen angeben, wozu aber unsere derma-
lige Erkenntniß noch zu unreif ist.

§. 82.

Jnsonderheit aber wird alles, was eine oder meh-
rere Dimensionen hat, vermittelst der Dimensionen
des Raumes auf eine in die Augen fallende Art vor-
gestellet. Und darauf gründet sich ein großer Theil der
angewandten Mathematik. Wo die Zeit, die Ge-
schwindigkeit, das Gewicht, die Dichtigkeit, die Stärke
und Größe des Lichtes etc. durch Linien und Räume
vorgestellet, und die Sätze der Geometrie dabey ange-
wandt werden. Und dieses geht allerdings an, weil
man dabey nur auf die Dimension sieht.

§. 83.

III. Hauptſtuͤck. Erſte Grundſaͤtze
geben. Was wir in der Koͤrperwelt finden,
eignen wir den daher genommenen Begriffen
zu, und dehnen es ſodann auch auf die ab-
ſtracten Begriffe aus.
Auf dieſe Art entwickeln
wir mit der Sache auch die Begriffe oder Empfin-
dungen
der bey der Entwickelung zum Vorſcheine
kommenden und aus einander gelegten Theile der
Sache.
Und ſo koͤmmt uns auch vor, daß wir ab-
ſtracte und nicht unter die Sinnen fallende Begriffe
entwickeln, und ihre Theile aus einander ſetzen.
Sind nun ſolche Vergleichungen richtig getroffen, und
allgemein, ſo laͤßt ſich die Sache umkehren, und es
koͤnnen auch abſtracte Begriffe unter ſinnlichen Bil-
dern und etwann gar wiſſenſchaftlich vorgeſtellet wer-
den. Auf dieſe Art habe ich in der Dianoiologie die
Ausdehnung der Begriffe durch Linien vorgeſtellet,
und ſie ganz oder zum Theil unter und neben ein-
ander gezeichnet, und die Theorie der Schluͤſſe darauf
gegruͤndet, und gleichſam vor Augen gemahlet. Da-
bey habe ich gleichfalls angemerket, daß die Verhaͤlt-
niſſe in und außer einander noch eine andere Dimen-
ſion von Begriffen angeben, wozu aber unſere derma-
lige Erkenntniß noch zu unreif iſt.

§. 82.

Jnſonderheit aber wird alles, was eine oder meh-
rere Dimenſionen hat, vermittelſt der Dimenſionen
des Raumes auf eine in die Augen fallende Art vor-
geſtellet. Und darauf gruͤndet ſich ein großer Theil der
angewandten Mathematik. Wo die Zeit, die Ge-
ſchwindigkeit, das Gewicht, die Dichtigkeit, die Staͤrke
und Groͤße des Lichtes ꝛc. durch Linien und Raͤume
vorgeſtellet, und die Saͤtze der Geometrie dabey ange-
wandt werden. Und dieſes geht allerdings an, weil
man dabey nur auf die Dimenſion ſieht.

§. 83.
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[64/0100] III. Hauptſtuͤck. Erſte Grundſaͤtze geben. Was wir in der Koͤrperwelt finden, eignen wir den daher genommenen Begriffen zu, und dehnen es ſodann auch auf die ab- ſtracten Begriffe aus. Auf dieſe Art entwickeln wir mit der Sache auch die Begriffe oder Empfin- dungen der bey der Entwickelung zum Vorſcheine kommenden und aus einander gelegten Theile der Sache. Und ſo koͤmmt uns auch vor, daß wir ab- ſtracte und nicht unter die Sinnen fallende Begriffe entwickeln, und ihre Theile aus einander ſetzen. Sind nun ſolche Vergleichungen richtig getroffen, und allgemein, ſo laͤßt ſich die Sache umkehren, und es koͤnnen auch abſtracte Begriffe unter ſinnlichen Bil- dern und etwann gar wiſſenſchaftlich vorgeſtellet wer- den. Auf dieſe Art habe ich in der Dianoiologie die Ausdehnung der Begriffe durch Linien vorgeſtellet, und ſie ganz oder zum Theil unter und neben ein- ander gezeichnet, und die Theorie der Schluͤſſe darauf gegruͤndet, und gleichſam vor Augen gemahlet. Da- bey habe ich gleichfalls angemerket, daß die Verhaͤlt- niſſe in und außer einander noch eine andere Dimen- ſion von Begriffen angeben, wozu aber unſere derma- lige Erkenntniß noch zu unreif iſt. §. 82. Jnſonderheit aber wird alles, was eine oder meh- rere Dimenſionen hat, vermittelſt der Dimenſionen des Raumes auf eine in die Augen fallende Art vor- geſtellet. Und darauf gruͤndet ſich ein großer Theil der angewandten Mathematik. Wo die Zeit, die Ge- ſchwindigkeit, das Gewicht, die Dichtigkeit, die Staͤrke und Groͤße des Lichtes ꝛc. durch Linien und Raͤume vorgeſtellet, und die Saͤtze der Geometrie dabey ange- wandt werden. Und dieſes geht allerdings an, weil man dabey nur auf die Dimenſion ſieht. §. 83.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/100>, abgerufen am 23.04.2024.