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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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III. Hauptstück. Erste Grundsätze
1°. Das Gute hat keine bestimmte Einheit.
2°. Das Gute hat drey Dimensionen, die Größe,
die Stärke und die Dauer.
3°. Ohne Realität ist kein positives Gutes.
4°. Der Wille an sich geht auf das Bessere.

Die Postulata aber sind:

1°. Bey jedem Gutem läßt sich ein Größeres ge-
denken.
2°. Das Gute läßt sich als eine Kraft gedenken,
die auf den Willen wirken kann.
3°. Das Gute läßt sich seinen Dimensionen nach
durch Linien vorstellen.
§. 112.

Der erste von den angeführten Grundsätzen giebt
einen merklichen Unterschied des Guten und des
Wahren an. Das Wahre ist eine absolute Einheit,
und unter allen Wahrheiten ist keine mehr oder min-
der wahr, als die andere. Hingegen geht das Gute
nach seinen drey Dimensionen stuffenweise von 0 bis
ins Unendliche. Daher kann der Wille immer noch
auf bessers gelenket werden, da hingegen der Verstand
bey dem Wahren einen absoluten Ruheplatz findet,
und seinen Beyfall schlechthin giebt, versaget, oder
aufschiebt, und die Gründe zum Beyfalle nur bey
dem Wahrscheinlichen ausmisset, und zusammen-
rechnet, bis ihre Summe = 1 ist, oder der absoluten
Einheit gleich wird, bey welcher sich der Verstand
beruhiget. Wir haben in dem fünften Hauptstücke
der Phänomenologie angezeiget, daß das Bewußt-
seyn
in Absicht auf die Gewißheit, eben so eine
absolute Einheit hat, wenn es intensiue genommen
wird.

§. 113.
III. Hauptſtuͤck. Erſte Grundſaͤtze
1°. Das Gute hat keine beſtimmte Einheit.
2°. Das Gute hat drey Dimenſionen, die Groͤße,
die Staͤrke und die Dauer.
3°. Ohne Realitaͤt iſt kein poſitives Gutes.
4°. Der Wille an ſich geht auf das Beſſere.

Die Poſtulata aber ſind:

1°. Bey jedem Gutem laͤßt ſich ein Groͤßeres ge-
denken.
2°. Das Gute laͤßt ſich als eine Kraft gedenken,
die auf den Willen wirken kann.
3°. Das Gute laͤßt ſich ſeinen Dimenſionen nach
durch Linien vorſtellen.
§. 112.

Der erſte von den angefuͤhrten Grundſaͤtzen giebt
einen merklichen Unterſchied des Guten und des
Wahren an. Das Wahre iſt eine abſolute Einheit,
und unter allen Wahrheiten iſt keine mehr oder min-
der wahr, als die andere. Hingegen geht das Gute
nach ſeinen drey Dimenſionen ſtuffenweiſe von 0 bis
ins Unendliche. Daher kann der Wille immer noch
auf beſſers gelenket werden, da hingegen der Verſtand
bey dem Wahren einen abſoluten Ruheplatz findet,
und ſeinen Beyfall ſchlechthin giebt, verſaget, oder
aufſchiebt, und die Gruͤnde zum Beyfalle nur bey
dem Wahrſcheinlichen ausmiſſet, und zuſammen-
rechnet, bis ihre Summe = 1 iſt, oder der abſoluten
Einheit gleich wird, bey welcher ſich der Verſtand
beruhiget. Wir haben in dem fuͤnften Hauptſtuͤcke
der Phaͤnomenologie angezeiget, daß das Bewußt-
ſeyn
in Abſicht auf die Gewißheit, eben ſo eine
abſolute Einheit hat, wenn es intenſiue genommen
wird.

§. 113.
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[82/0118] III. Hauptſtuͤck. Erſte Grundſaͤtze 1°. Das Gute hat keine beſtimmte Einheit. 2°. Das Gute hat drey Dimenſionen, die Groͤße, die Staͤrke und die Dauer. 3°. Ohne Realitaͤt iſt kein poſitives Gutes. 4°. Der Wille an ſich geht auf das Beſſere. Die Poſtulata aber ſind: 1°. Bey jedem Gutem laͤßt ſich ein Groͤßeres ge- denken. 2°. Das Gute laͤßt ſich als eine Kraft gedenken, die auf den Willen wirken kann. 3°. Das Gute laͤßt ſich ſeinen Dimenſionen nach durch Linien vorſtellen. §. 112. Der erſte von den angefuͤhrten Grundſaͤtzen giebt einen merklichen Unterſchied des Guten und des Wahren an. Das Wahre iſt eine abſolute Einheit, und unter allen Wahrheiten iſt keine mehr oder min- der wahr, als die andere. Hingegen geht das Gute nach ſeinen drey Dimenſionen ſtuffenweiſe von 0 bis ins Unendliche. Daher kann der Wille immer noch auf beſſers gelenket werden, da hingegen der Verſtand bey dem Wahren einen abſoluten Ruheplatz findet, und ſeinen Beyfall ſchlechthin giebt, verſaget, oder aufſchiebt, und die Gruͤnde zum Beyfalle nur bey dem Wahrſcheinlichen ausmiſſet, und zuſammen- rechnet, bis ihre Summe = 1 iſt, oder der abſoluten Einheit gleich wird, bey welcher ſich der Verſtand beruhiget. Wir haben in dem fuͤnften Hauptſtuͤcke der Phaͤnomenologie angezeiget, daß das Bewußt- ſeyn in Abſicht auf die Gewißheit, eben ſo eine abſolute Einheit hat, wenn es intenſiue genommen wird. §. 113.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/118>, abgerufen am 29.03.2024.