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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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Das Veränderliche und Fortdauernde.
Sache leidet. Der Begriff der Veränderung giebt
es an sich mit, daß, wenn eine Sache verändert wird,
sie nicht mehr durchaus, in allen Theilen, Bestim-
mungen und Verhältnissen eben dieselbe Sache sey,
die sie vor der Veränderung war. Jch sage in allen
Theilen, Bestimmungen und Verhältnissen, weil es
gar wohl möglich ist, daß die Veränderung nicht in
allen vorgegangen, und folglich die Sache in einigen,
und wenn die Veränderung geringe war, in den mei-
sten und fürnehmsten dieser Stücke noch eben dieselbe
seyn kann. Wie aber auch immer die Veränderung
mag gewesen seyn, so erstreckt sie sich auch ganz auf
die Vorstellung oder den Begriff der Sache, wenn
wir nämlich diesen durchaus und in allen Absichten
vollständig setzen. Denn da muß der Begriff immer
nach der Sache eingerichtet seyn. Unsere Begriffe
sind es allerdings nicht immer, weil wir die kleinern
Veränderungen nicht bemerken, andere nicht achten etc.
Wie ferne hingegen die Veränderungen der Sache
auch die Veränderung des Namens nach sich ziehen,
ist eine ganz andere Frage, weil wir den Namen nicht
nach jeden kleinern Veränderungen richten.

§. 204.

Wir merken demnach an, daß die Verhältnisse
einer Sache zu andern geändert werden, es sey, daß
diese andern Sachen, oder die Sache selbst, oder
beyde sich ändern. Demnach zieht nicht jede Aende-
rung der Verhältnisse eine Aenderung in der Sache
selbst nach sich, und in so fern haben wir den Begriff
der Sache, an sich betrachtet, von dem Begriffe der-
selben, in Verhältniß mit andern Sachen betrachtet,
zu unterscheiden, und werden daher fürnehmlich die
in | der Sache selbst vorgehenden Veränderungen in
Betrachtung ziehen.

§. 205.
L 3

Das Veraͤnderliche und Fortdauernde.
Sache leidet. Der Begriff der Veraͤnderung giebt
es an ſich mit, daß, wenn eine Sache veraͤndert wird,
ſie nicht mehr durchaus, in allen Theilen, Beſtim-
mungen und Verhaͤltniſſen eben dieſelbe Sache ſey,
die ſie vor der Veraͤnderung war. Jch ſage in allen
Theilen, Beſtimmungen und Verhaͤltniſſen, weil es
gar wohl moͤglich iſt, daß die Veraͤnderung nicht in
allen vorgegangen, und folglich die Sache in einigen,
und wenn die Veraͤnderung geringe war, in den mei-
ſten und fuͤrnehmſten dieſer Stuͤcke noch eben dieſelbe
ſeyn kann. Wie aber auch immer die Veraͤnderung
mag geweſen ſeyn, ſo erſtreckt ſie ſich auch ganz auf
die Vorſtellung oder den Begriff der Sache, wenn
wir naͤmlich dieſen durchaus und in allen Abſichten
vollſtaͤndig ſetzen. Denn da muß der Begriff immer
nach der Sache eingerichtet ſeyn. Unſere Begriffe
ſind es allerdings nicht immer, weil wir die kleinern
Veraͤnderungen nicht bemerken, andere nicht achten ꝛc.
Wie ferne hingegen die Veraͤnderungen der Sache
auch die Veraͤnderung des Namens nach ſich ziehen,
iſt eine ganz andere Frage, weil wir den Namen nicht
nach jeden kleinern Veraͤnderungen richten.

§. 204.

Wir merken demnach an, daß die Verhaͤltniſſe
einer Sache zu andern geaͤndert werden, es ſey, daß
dieſe andern Sachen, oder die Sache ſelbſt, oder
beyde ſich aͤndern. Demnach zieht nicht jede Aende-
rung der Verhaͤltniſſe eine Aenderung in der Sache
ſelbſt nach ſich, und in ſo fern haben wir den Begriff
der Sache, an ſich betrachtet, von dem Begriffe der-
ſelben, in Verhaͤltniß mit andern Sachen betrachtet,
zu unterſcheiden, und werden daher fuͤrnehmlich die
in | der Sache ſelbſt vorgehenden Veraͤnderungen in
Betrachtung ziehen.

§. 205.
L 3
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[165/0201] Das Veraͤnderliche und Fortdauernde. Sache leidet. Der Begriff der Veraͤnderung giebt es an ſich mit, daß, wenn eine Sache veraͤndert wird, ſie nicht mehr durchaus, in allen Theilen, Beſtim- mungen und Verhaͤltniſſen eben dieſelbe Sache ſey, die ſie vor der Veraͤnderung war. Jch ſage in allen Theilen, Beſtimmungen und Verhaͤltniſſen, weil es gar wohl moͤglich iſt, daß die Veraͤnderung nicht in allen vorgegangen, und folglich die Sache in einigen, und wenn die Veraͤnderung geringe war, in den mei- ſten und fuͤrnehmſten dieſer Stuͤcke noch eben dieſelbe ſeyn kann. Wie aber auch immer die Veraͤnderung mag geweſen ſeyn, ſo erſtreckt ſie ſich auch ganz auf die Vorſtellung oder den Begriff der Sache, wenn wir naͤmlich dieſen durchaus und in allen Abſichten vollſtaͤndig ſetzen. Denn da muß der Begriff immer nach der Sache eingerichtet ſeyn. Unſere Begriffe ſind es allerdings nicht immer, weil wir die kleinern Veraͤnderungen nicht bemerken, andere nicht achten ꝛc. Wie ferne hingegen die Veraͤnderungen der Sache auch die Veraͤnderung des Namens nach ſich ziehen, iſt eine ganz andere Frage, weil wir den Namen nicht nach jeden kleinern Veraͤnderungen richten. §. 204. Wir merken demnach an, daß die Verhaͤltniſſe einer Sache zu andern geaͤndert werden, es ſey, daß dieſe andern Sachen, oder die Sache ſelbſt, oder beyde ſich aͤndern. Demnach zieht nicht jede Aende- rung der Verhaͤltniſſe eine Aenderung in der Sache ſelbſt nach ſich, und in ſo fern haben wir den Begriff der Sache, an ſich betrachtet, von dem Begriffe der- ſelben, in Verhaͤltniß mit andern Sachen betrachtet, zu unterſcheiden, und werden daher fuͤrnehmlich die in | der Sache ſelbſt vorgehenden Veraͤnderungen in Betrachtung ziehen. §. 205. L 3

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/201>, abgerufen am 28.03.2024.