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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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VI. Hauptstück.
meinsamen Bandes ein Indiuiduum ausmachen, in
ihrer Verbindung. Wenn man demnach in der Me-
taphysic saget, daß das Wesen der Dinge ewig,
unveränderlich, absolute nothwendig etc. sey:

so kann man dadurch weiter nichts, als die bloße
Möglichkeit
verstehen, oder man verfällt auf den
Satz: So lange A, A ist, so lange ist es A;
welcher für sich klar ist, und nicht so paradox klingt,
als die erst angeführten von dem Wesen der Dinge.
Auf eine ähnliche Art will der Satz: daß die We-
sen der Dinge
incommunicabel sind, oder andern
Dingen nicht mitgetheilet werden können,
nicht
mehr sagen als: so lange ein Ding, das geändert
werden kann, nicht geändert wird, bleibt es,
was es ist,
oder: Begriffe und Dinge, die auf
eine Art verbunden sind, sind auf diese, und
nicht auf eine andere mit dieser nicht compa-
tible Art verbunden.

§. 224.

Solche etwas schwülstige Sätze sind in der Meta-
physic aus der Vermischung von Begriffen entstan-
den, die etwas genauer unterschieden werden sollten,
wobey aber, weil sie gar zu sehr verworren waren,
der genaue Unterschied nicht so leicht konnte getroffen
werden. Sie sind in der That vieldeutig, und da
jede Bedeutung etwas Wahres hat, so ließe man sie
in dieser Verwirrung, als durchaus wahr gelten.
Damit bleibt aber die Deutlichkeit und Evidenz,
auf die man doch in der Metaphysic, man kann sagen,
mehr als in andern Wissenschaften Acht zu haben hat,
fast ganz zurücke. Es wird demnach nicht vergebens
seyn, wenn wir uns noch etwas dabey aufhalten, um
die Unterschiede, die sich hiebey äußern, aus einan-
der zu setzen.

§. 225.

VI. Hauptſtuͤck.
meinſamen Bandes ein Indiuiduum ausmachen, in
ihrer Verbindung. Wenn man demnach in der Me-
taphyſic ſaget, daß das Weſen der Dinge ewig,
unveraͤnderlich, abſolute nothwendig ꝛc. ſey:

ſo kann man dadurch weiter nichts, als die bloße
Moͤglichkeit
verſtehen, oder man verfaͤllt auf den
Satz: So lange A, A iſt, ſo lange iſt es A;
welcher fuͤr ſich klar iſt, und nicht ſo paradox klingt,
als die erſt angefuͤhrten von dem Weſen der Dinge.
Auf eine aͤhnliche Art will der Satz: daß die We-
ſen der Dinge
incommunicabel ſind, oder andern
Dingen nicht mitgetheilet werden koͤnnen,
nicht
mehr ſagen als: ſo lange ein Ding, das geaͤndert
werden kann, nicht geaͤndert wird, bleibt es,
was es iſt,
oder: Begriffe und Dinge, die auf
eine Art verbunden ſind, ſind auf dieſe, und
nicht auf eine andere mit dieſer nicht compa-
tible Art verbunden.

§. 224.

Solche etwas ſchwuͤlſtige Saͤtze ſind in der Meta-
phyſic aus der Vermiſchung von Begriffen entſtan-
den, die etwas genauer unterſchieden werden ſollten,
wobey aber, weil ſie gar zu ſehr verworren waren,
der genaue Unterſchied nicht ſo leicht konnte getroffen
werden. Sie ſind in der That vieldeutig, und da
jede Bedeutung etwas Wahres hat, ſo ließe man ſie
in dieſer Verwirrung, als durchaus wahr gelten.
Damit bleibt aber die Deutlichkeit und Evidenz,
auf die man doch in der Metaphyſic, man kann ſagen,
mehr als in andern Wiſſenſchaften Acht zu haben hat,
faſt ganz zuruͤcke. Es wird demnach nicht vergebens
ſeyn, wenn wir uns noch etwas dabey aufhalten, um
die Unterſchiede, die ſich hiebey aͤußern, aus einan-
der zu ſetzen.

§. 225.
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[188/0224] VI. Hauptſtuͤck. meinſamen Bandes ein Indiuiduum ausmachen, in ihrer Verbindung. Wenn man demnach in der Me- taphyſic ſaget, daß das Weſen der Dinge ewig, unveraͤnderlich, abſolute nothwendig ꝛc. ſey: ſo kann man dadurch weiter nichts, als die bloße Moͤglichkeit verſtehen, oder man verfaͤllt auf den Satz: So lange A, A iſt, ſo lange iſt es A; welcher fuͤr ſich klar iſt, und nicht ſo paradox klingt, als die erſt angefuͤhrten von dem Weſen der Dinge. Auf eine aͤhnliche Art will der Satz: daß die We- ſen der Dinge incommunicabel ſind, oder andern Dingen nicht mitgetheilet werden koͤnnen, nicht mehr ſagen als: ſo lange ein Ding, das geaͤndert werden kann, nicht geaͤndert wird, bleibt es, was es iſt, oder: Begriffe und Dinge, die auf eine Art verbunden ſind, ſind auf dieſe, und nicht auf eine andere mit dieſer nicht compa- tible Art verbunden. §. 224. Solche etwas ſchwuͤlſtige Saͤtze ſind in der Meta- phyſic aus der Vermiſchung von Begriffen entſtan- den, die etwas genauer unterſchieden werden ſollten, wobey aber, weil ſie gar zu ſehr verworren waren, der genaue Unterſchied nicht ſo leicht konnte getroffen werden. Sie ſind in der That vieldeutig, und da jede Bedeutung etwas Wahres hat, ſo ließe man ſie in dieſer Verwirrung, als durchaus wahr gelten. Damit bleibt aber die Deutlichkeit und Evidenz, auf die man doch in der Metaphyſic, man kann ſagen, mehr als in andern Wiſſenſchaften Acht zu haben hat, faſt ganz zuruͤcke. Es wird demnach nicht vergebens ſeyn, wenn wir uns noch etwas dabey aufhalten, um die Unterſchiede, die ſich hiebey aͤußern, aus einan- der zu ſetzen. §. 225.

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/224>, abgerufen am 19.04.2024.