Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

Bild:
<< vorherige Seite

VI. Hauptstück.
thetische in diesen Fällen fällt hiebey in die Augen.
Denn was mit geringern Kräften zusammen gesetzet
ist, hat theils in dem von der Anwendung dieser
Kräfte herrührenden gemeinsamen Bande und in den
Theilen oder in dem Soliden, ohne welches dieses
Band nicht seyn kann, allerdings sein Wesen,
(§. 222.). Die Möglichkeit dieses Wesens gründet
sich auf die Möglichkeit dieser Kräfte und der da-
durch verbundenen soliden Theile, und so lange diese
bleiben, behält auch das Indiuiduum sein Wesen.
Hingegen bleibt auch die Möglichkeit dieses zu än-
dern und dem Indiuiduo ein anderes zu geben, weil
ersteres nur so lange bleibt, als das gemeinsame
Band nicht durch größere Kräfte getrennet wird.

§. 227.

Die beyden erst angeführten Fälle sind demnach in
Absicht auf das, was man von dem Wesen sagen
kann, merklich von einander verschieden. Denn im
letztern Falle kann man in gewisser Absicht sagen,
daß das Wesen der Asche sich dem Holze mittheilen
lasse, nämlich mit dem Bedinge, daß es aufhöret,
Holz zu seyn, indem es in Asche verwandelt wird.
Hingegen daß sich Raum in Zeit, oder Zeit in Raum
verwandeln lasse, dieß geht schlechthin nicht an, und
die Frage von der Mittheilung des Wesens fällt hier
ganz weg. Um diese Verwirrung zu heben, können
wir aus dem 222sten §. wiederholen, daß man auch
im gemeinen Gebrauche zu reden, das Wesentliche
oder Essentiale dem Zufälligen oder den Modi-
ficationen
entgegen setzet, und den Unterschied dar-
rinn bestehen machet, was in der vorgesetzten oder
gewählten Absicht,
bey der Sache wegbleiben oder
anders seyn, und was hingegen nicht wegbleiben oder

nicht

VI. Hauptſtuͤck.
thetiſche in dieſen Faͤllen faͤllt hiebey in die Augen.
Denn was mit geringern Kraͤften zuſammen geſetzet
iſt, hat theils in dem von der Anwendung dieſer
Kraͤfte herruͤhrenden gemeinſamen Bande und in den
Theilen oder in dem Soliden, ohne welches dieſes
Band nicht ſeyn kann, allerdings ſein Weſen,
(§. 222.). Die Moͤglichkeit dieſes Weſens gruͤndet
ſich auf die Moͤglichkeit dieſer Kraͤfte und der da-
durch verbundenen ſoliden Theile, und ſo lange dieſe
bleiben, behaͤlt auch das Indiuiduum ſein Weſen.
Hingegen bleibt auch die Moͤglichkeit dieſes zu aͤn-
dern und dem Indiuiduo ein anderes zu geben, weil
erſteres nur ſo lange bleibt, als das gemeinſame
Band nicht durch groͤßere Kraͤfte getrennet wird.

§. 227.

Die beyden erſt angefuͤhrten Faͤlle ſind demnach in
Abſicht auf das, was man von dem Weſen ſagen
kann, merklich von einander verſchieden. Denn im
letztern Falle kann man in gewiſſer Abſicht ſagen,
daß das Weſen der Aſche ſich dem Holze mittheilen
laſſe, naͤmlich mit dem Bedinge, daß es aufhoͤret,
Holz zu ſeyn, indem es in Aſche verwandelt wird.
Hingegen daß ſich Raum in Zeit, oder Zeit in Raum
verwandeln laſſe, dieß geht ſchlechthin nicht an, und
die Frage von der Mittheilung des Weſens faͤllt hier
ganz weg. Um dieſe Verwirrung zu heben, koͤnnen
wir aus dem 222ſten §. wiederholen, daß man auch
im gemeinen Gebrauche zu reden, das Weſentliche
oder Eſſentiale dem Zufaͤlligen oder den Modi-
ficationen
entgegen ſetzet, und den Unterſchied dar-
rinn beſtehen machet, was in der vorgeſetzten oder
gewaͤhlten Abſicht,
bey der Sache wegbleiben oder
anders ſeyn, und was hingegen nicht wegbleiben oder

nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0226" n="190"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">VI.</hi> Haupt&#x017F;tu&#x0364;ck.</hi></fw><lb/>
theti&#x017F;che in die&#x017F;en Fa&#x0364;llen fa&#x0364;llt hiebey in die Augen.<lb/>
Denn was mit geringern Kra&#x0364;ften zu&#x017F;ammen ge&#x017F;etzet<lb/>
i&#x017F;t, hat theils in dem von der Anwendung die&#x017F;er<lb/>
Kra&#x0364;fte herru&#x0364;hrenden gemein&#x017F;amen Bande und in den<lb/>
Theilen oder in dem Soliden, ohne welches die&#x017F;es<lb/>
Band nicht &#x017F;eyn kann, allerdings &#x017F;ein We&#x017F;en,<lb/>
(§. 222.). Die <hi rendition="#fr">Mo&#x0364;glichkeit</hi> die&#x017F;es We&#x017F;ens gru&#x0364;ndet<lb/>
&#x017F;ich auf die Mo&#x0364;glichkeit die&#x017F;er Kra&#x0364;fte und der da-<lb/>
durch verbundenen &#x017F;oliden Theile, und &#x017F;o lange die&#x017F;e<lb/>
bleiben, beha&#x0364;lt auch das <hi rendition="#aq">Indiuiduum</hi> &#x017F;ein We&#x017F;en.<lb/>
Hingegen bleibt auch die Mo&#x0364;glichkeit die&#x017F;es zu a&#x0364;n-<lb/>
dern und dem <hi rendition="#aq">Indiuiduo</hi> ein anderes zu geben, weil<lb/>
er&#x017F;teres nur &#x017F;o lange bleibt, als das gemein&#x017F;ame<lb/>
Band nicht durch gro&#x0364;ßere Kra&#x0364;fte getrennet wird.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 227.</head><lb/>
            <p>Die beyden er&#x017F;t angefu&#x0364;hrten Fa&#x0364;lle &#x017F;ind demnach in<lb/>
Ab&#x017F;icht auf das, was man von dem We&#x017F;en &#x017F;agen<lb/>
kann, merklich von einander ver&#x017F;chieden. Denn im<lb/>
letztern Falle kann man in gewi&#x017F;&#x017F;er Ab&#x017F;icht &#x017F;agen,<lb/>
daß das We&#x017F;en der A&#x017F;che &#x017F;ich dem Holze mittheilen<lb/>
la&#x017F;&#x017F;e, na&#x0364;mlich mit dem Bedinge, daß es aufho&#x0364;ret,<lb/>
Holz zu &#x017F;eyn, indem es in A&#x017F;che verwandelt wird.<lb/>
Hingegen daß &#x017F;ich Raum in Zeit, oder Zeit in Raum<lb/>
verwandeln la&#x017F;&#x017F;e, dieß geht &#x017F;chlechthin nicht an, und<lb/>
die Frage von der Mittheilung des We&#x017F;ens fa&#x0364;llt hier<lb/>
ganz weg. Um die&#x017F;e Verwirrung zu heben, ko&#x0364;nnen<lb/>
wir aus dem 222&#x017F;ten §. wiederholen, daß man auch<lb/>
im gemeinen Gebrauche zu reden, das <hi rendition="#fr">We&#x017F;entliche</hi><lb/>
oder <hi rendition="#fr">E&#x017F;&#x017F;entiale</hi> dem <hi rendition="#fr">Zufa&#x0364;lligen</hi> oder den <hi rendition="#fr">Modi-<lb/>
ficationen</hi> entgegen &#x017F;etzet, und den Unter&#x017F;chied dar-<lb/>
rinn be&#x017F;tehen machet, was in der <hi rendition="#fr">vorge&#x017F;etzten oder<lb/>
gewa&#x0364;hlten Ab&#x017F;icht,</hi> bey der Sache wegbleiben oder<lb/>
anders &#x017F;eyn, und was hingegen nicht wegbleiben oder<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nicht</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0226] VI. Hauptſtuͤck. thetiſche in dieſen Faͤllen faͤllt hiebey in die Augen. Denn was mit geringern Kraͤften zuſammen geſetzet iſt, hat theils in dem von der Anwendung dieſer Kraͤfte herruͤhrenden gemeinſamen Bande und in den Theilen oder in dem Soliden, ohne welches dieſes Band nicht ſeyn kann, allerdings ſein Weſen, (§. 222.). Die Moͤglichkeit dieſes Weſens gruͤndet ſich auf die Moͤglichkeit dieſer Kraͤfte und der da- durch verbundenen ſoliden Theile, und ſo lange dieſe bleiben, behaͤlt auch das Indiuiduum ſein Weſen. Hingegen bleibt auch die Moͤglichkeit dieſes zu aͤn- dern und dem Indiuiduo ein anderes zu geben, weil erſteres nur ſo lange bleibt, als das gemeinſame Band nicht durch groͤßere Kraͤfte getrennet wird. §. 227. Die beyden erſt angefuͤhrten Faͤlle ſind demnach in Abſicht auf das, was man von dem Weſen ſagen kann, merklich von einander verſchieden. Denn im letztern Falle kann man in gewiſſer Abſicht ſagen, daß das Weſen der Aſche ſich dem Holze mittheilen laſſe, naͤmlich mit dem Bedinge, daß es aufhoͤret, Holz zu ſeyn, indem es in Aſche verwandelt wird. Hingegen daß ſich Raum in Zeit, oder Zeit in Raum verwandeln laſſe, dieß geht ſchlechthin nicht an, und die Frage von der Mittheilung des Weſens faͤllt hier ganz weg. Um dieſe Verwirrung zu heben, koͤnnen wir aus dem 222ſten §. wiederholen, daß man auch im gemeinen Gebrauche zu reden, das Weſentliche oder Eſſentiale dem Zufaͤlligen oder den Modi- ficationen entgegen ſetzet, und den Unterſchied dar- rinn beſtehen machet, was in der vorgeſetzten oder gewaͤhlten Abſicht, bey der Sache wegbleiben oder anders ſeyn, und was hingegen nicht wegbleiben oder nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/226
Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/226>, abgerufen am 16.04.2024.