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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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VII. Hauptstück.
das bisher darüber gesagte gleichsam nur das Sym-
bolische und die logische Form derselben betrifft. Die
Sprache giebt uns auch hierinn mehrere Möglichkei-
ten, als die Sache selbst, weil es gar wohl möglich
ist, zween einander widersprechende Sätze vorzutra-
gen, deren keiner etwas reales vorstellet oder bedeutet,
und wobey folglich die Frage, welcher von beyden
wahr, und welcher nicht wahr sey, schlechthin weg-
fällt: Wir haben daher schon (§. 243.) von den ab-
soluten, categorischen, oder auf keine Bedingungen
gesetzten Widersprüchen Erwähnung gethan, und da-
bey erinnert, daß die einfachen Begriffe, die erste
Anlage dazu geben. Denn wenn wir sagen, das
Widersprechen bestehe in dem ist und ist nicht, so
geben wir dadurch nur die äußerliche und symbolische
Gestalt eines Widerspruches an, und dabey bleibt
noch ganz unausgemacht, woher sie entstehe, wo sie
vorkomme, und weit weit sie reiche? Dieses werden
wir hier nun noch untersuchen.

§. 249.

Die äußerliche Gestalt der Widersprüche giebt an
sich betrachtet, dieses an, daß zum Widersprechen
wenigstens zwey Stücke erfordert werden.

Denn der Widerspruch besteht darinn, daß eben das
Prädicat von eben dem Subjecte zugleich und in
einerley Sinne bejahet und verneinet werde. Man
nehme nun einen Begriff A. Soll in demselben, oder
in seinen innern Merkmalen etwas widersprechendes
seyn, so muß er Merkmale haben, die nicht beysam-
men seyn können, so daß, wenn man das eine an-
nimmt, das andere zugleich nicht seyn könne. Da
nun einfache Begriffe nicht aus mehrern innern
Merkmalen zusammen gesetzet sind, so sind sie an sich

schon

VII. Hauptſtuͤck.
das bisher daruͤber geſagte gleichſam nur das Sym-
boliſche und die logiſche Form derſelben betrifft. Die
Sprache giebt uns auch hierinn mehrere Moͤglichkei-
ten, als die Sache ſelbſt, weil es gar wohl moͤglich
iſt, zween einander widerſprechende Saͤtze vorzutra-
gen, deren keiner etwas reales vorſtellet oder bedeutet,
und wobey folglich die Frage, welcher von beyden
wahr, und welcher nicht wahr ſey, ſchlechthin weg-
faͤllt: Wir haben daher ſchon (§. 243.) von den ab-
ſoluten, categoriſchen, oder auf keine Bedingungen
geſetzten Widerſpruͤchen Erwaͤhnung gethan, und da-
bey erinnert, daß die einfachen Begriffe, die erſte
Anlage dazu geben. Denn wenn wir ſagen, das
Widerſprechen beſtehe in dem iſt und iſt nicht, ſo
geben wir dadurch nur die aͤußerliche und ſymboliſche
Geſtalt eines Widerſpruches an, und dabey bleibt
noch ganz unausgemacht, woher ſie entſtehe, wo ſie
vorkomme, und weit weit ſie reiche? Dieſes werden
wir hier nun noch unterſuchen.

§. 249.

Die aͤußerliche Geſtalt der Widerſpruͤche giebt an
ſich betrachtet, dieſes an, daß zum Widerſprechen
wenigſtens zwey Stuͤcke erfordert werden.

Denn der Widerſpruch beſteht darinn, daß eben das
Praͤdicat von eben dem Subjecte zugleich und in
einerley Sinne bejahet und verneinet werde. Man
nehme nun einen Begriff A. Soll in demſelben, oder
in ſeinen innern Merkmalen etwas widerſprechendes
ſeyn, ſo muß er Merkmale haben, die nicht beyſam-
men ſeyn koͤnnen, ſo daß, wenn man das eine an-
nimmt, das andere zugleich nicht ſeyn koͤnne. Da
nun einfache Begriffe nicht aus mehrern innern
Merkmalen zuſammen geſetzet ſind, ſo ſind ſie an ſich

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[220/0256] VII. Hauptſtuͤck. das bisher daruͤber geſagte gleichſam nur das Sym- boliſche und die logiſche Form derſelben betrifft. Die Sprache giebt uns auch hierinn mehrere Moͤglichkei- ten, als die Sache ſelbſt, weil es gar wohl moͤglich iſt, zween einander widerſprechende Saͤtze vorzutra- gen, deren keiner etwas reales vorſtellet oder bedeutet, und wobey folglich die Frage, welcher von beyden wahr, und welcher nicht wahr ſey, ſchlechthin weg- faͤllt: Wir haben daher ſchon (§. 243.) von den ab- ſoluten, categoriſchen, oder auf keine Bedingungen geſetzten Widerſpruͤchen Erwaͤhnung gethan, und da- bey erinnert, daß die einfachen Begriffe, die erſte Anlage dazu geben. Denn wenn wir ſagen, das Widerſprechen beſtehe in dem iſt und iſt nicht, ſo geben wir dadurch nur die aͤußerliche und ſymboliſche Geſtalt eines Widerſpruches an, und dabey bleibt noch ganz unausgemacht, woher ſie entſtehe, wo ſie vorkomme, und weit weit ſie reiche? Dieſes werden wir hier nun noch unterſuchen. §. 249. Die aͤußerliche Geſtalt der Widerſpruͤche giebt an ſich betrachtet, dieſes an, daß zum Widerſprechen wenigſtens zwey Stuͤcke erfordert werden. Denn der Widerſpruch beſteht darinn, daß eben das Praͤdicat von eben dem Subjecte zugleich und in einerley Sinne bejahet und verneinet werde. Man nehme nun einen Begriff A. Soll in demſelben, oder in ſeinen innern Merkmalen etwas widerſprechendes ſeyn, ſo muß er Merkmale haben, die nicht beyſam- men ſeyn koͤnnen, ſo daß, wenn man das eine an- nimmt, das andere zugleich nicht ſeyn koͤnne. Da nun einfache Begriffe nicht aus mehrern innern Merkmalen zuſammen geſetzet ſind, ſo ſind ſie an ſich ſchon

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/256>, abgerufen am 25.04.2024.