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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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X. Hauptstück. Das Wahr seyn
Grundsatze oder überhaupt der Gedenkbarkeit zuwi-
der, das Falsche aber der Existenz oder der Allge-
meinheit, und wenn die Aussage auf keinerley Art
kann wahr gemacht werden, so geht die Aussage
nicht an.
Eine an sich mögliche Aussage kann un-
ter vorausgesetzten Bedingungen falsch seyn, und da
läuft sie der Bedingung zuwider. Dieses sind
ungefähr die Unterschiede, die sich zwischen den an-
geführten Ausdrücken machen lassen, ungeachtet man
sie im gemeinen Gebrauche zu reden nicht immer so
genau nimmt.

§. 292.

Ungeachtet nun das Wahre eigentlich das Binde-
wörtchen der Sätze betrifft, und in so fern als ein
Aduerbium genommen wird, so hat man es in der
Sprache ebenfalls in ein Beywort oder Adiectiuum
verwandelt, und im Deutschen kömmt es nicht an-
ders vor, (§. 290.). So lange es aber nur bey
Sätzen gebraucht wird, z. E. ein wahrer Satz,
und so auch ein falscher Schatz, ein wahres Ur-
theil, eine wahre Aussage, Geschichte, Er-
zählung, Zeugniß
etc. so bleibt die Bedeutung noch
immer logisch, weil alle diese Wörter das Binde-
wörtchen und seine Ausdehuung betreffen. Saget
man hingegen wahres Gold, so setzet man diesen
Begriff dem, was nur Gold zu seyn scheint entgegen,
so wie man das reine Gold dem mit andern Me-
tallen vermengeten, den Graden nach entgegensetzet.
Jn solchen Fällen bedeutet das Wort wahr so viel
als ächt, genuin, authentisch etc.

§. 293.

Jndem man das Wort wahr von den Sätzen
auf die Begriffe zieht, und sich statt wahrer Sätze,

wahre

X. Hauptſtuͤck. Das Wahr ſeyn
Grundſatze oder uͤberhaupt der Gedenkbarkeit zuwi-
der, das Falſche aber der Exiſtenz oder der Allge-
meinheit, und wenn die Ausſage auf keinerley Art
kann wahr gemacht werden, ſo geht die Ausſage
nicht an.
Eine an ſich moͤgliche Ausſage kann un-
ter vorausgeſetzten Bedingungen falſch ſeyn, und da
laͤuft ſie der Bedingung zuwider. Dieſes ſind
ungefaͤhr die Unterſchiede, die ſich zwiſchen den an-
gefuͤhrten Ausdruͤcken machen laſſen, ungeachtet man
ſie im gemeinen Gebrauche zu reden nicht immer ſo
genau nimmt.

§. 292.

Ungeachtet nun das Wahre eigentlich das Binde-
woͤrtchen der Saͤtze betrifft, und in ſo fern als ein
Aduerbium genommen wird, ſo hat man es in der
Sprache ebenfalls in ein Beywort oder Adiectiuum
verwandelt, und im Deutſchen koͤmmt es nicht an-
ders vor, (§. 290.). So lange es aber nur bey
Saͤtzen gebraucht wird, z. E. ein wahrer Satz,
und ſo auch ein falſcher Schatz, ein wahres Ur-
theil, eine wahre Ausſage, Geſchichte, Er-
zaͤhlung, Zeugniß
ꝛc. ſo bleibt die Bedeutung noch
immer logiſch, weil alle dieſe Woͤrter das Binde-
woͤrtchen und ſeine Ausdehuung betreffen. Saget
man hingegen wahres Gold, ſo ſetzet man dieſen
Begriff dem, was nur Gold zu ſeyn ſcheint entgegen,
ſo wie man das reine Gold dem mit andern Me-
tallen vermengeten, den Graden nach entgegenſetzet.
Jn ſolchen Faͤllen bedeutet das Wort wahr ſo viel
als aͤcht, genuin, authentiſch ꝛc.

§. 293.

Jndem man das Wort wahr von den Saͤtzen
auf die Begriffe zieht, und ſich ſtatt wahrer Saͤtze,

wahre
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[282/0318] X. Hauptſtuͤck. Das Wahr ſeyn Grundſatze oder uͤberhaupt der Gedenkbarkeit zuwi- der, das Falſche aber der Exiſtenz oder der Allge- meinheit, und wenn die Ausſage auf keinerley Art kann wahr gemacht werden, ſo geht die Ausſage nicht an. Eine an ſich moͤgliche Ausſage kann un- ter vorausgeſetzten Bedingungen falſch ſeyn, und da laͤuft ſie der Bedingung zuwider. Dieſes ſind ungefaͤhr die Unterſchiede, die ſich zwiſchen den an- gefuͤhrten Ausdruͤcken machen laſſen, ungeachtet man ſie im gemeinen Gebrauche zu reden nicht immer ſo genau nimmt. §. 292. Ungeachtet nun das Wahre eigentlich das Binde- woͤrtchen der Saͤtze betrifft, und in ſo fern als ein Aduerbium genommen wird, ſo hat man es in der Sprache ebenfalls in ein Beywort oder Adiectiuum verwandelt, und im Deutſchen koͤmmt es nicht an- ders vor, (§. 290.). So lange es aber nur bey Saͤtzen gebraucht wird, z. E. ein wahrer Satz, und ſo auch ein falſcher Schatz, ein wahres Ur- theil, eine wahre Ausſage, Geſchichte, Er- zaͤhlung, Zeugniß ꝛc. ſo bleibt die Bedeutung noch immer logiſch, weil alle dieſe Woͤrter das Binde- woͤrtchen und ſeine Ausdehuung betreffen. Saget man hingegen wahres Gold, ſo ſetzet man dieſen Begriff dem, was nur Gold zu ſeyn ſcheint entgegen, ſo wie man das reine Gold dem mit andern Me- tallen vermengeten, den Graden nach entgegenſetzet. Jn ſolchen Faͤllen bedeutet das Wort wahr ſo viel als aͤcht, genuin, authentiſch ꝛc. §. 293. Jndem man das Wort wahr von den Saͤtzen auf die Begriffe zieht, und ſich ſtatt wahrer Saͤtze, wahre

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/318>, abgerufen am 25.04.2024.