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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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und das Nicht wahr seyn.
mehrern und sehr verschiedenen Subjecten gebraucht
werden kann. Denn so wird man alles, was über
unsere Sinnen, und so auch alles, was über unsere
Begriffe hinweggesetzet, an sich aber doch wahr und
real ist, transcendent nennen können. Und so wurde
allem Ansehen nach von den Metaphysikern die so ge-
nannte metaphysische Einheit, Wahrheit und
Güte der Dinge
transcendent genennet. Wir ha-
ben aber hier nähere Gründe angegeben, warum das
Wahre in den Dingen transcendent genennet wer-
den könne, indem wir anzeigten, wie es von den
Sätzen und Begriffen auf die Dinge selbst transferirt
wird. Die symbolische Erklärung, die wir ebenfalls
davon gegeben haben (§. 293. 297.), zeiget an, daß
jede Verwandlung eines Aduerbii in ein Adiectiuum
in der Sache selbst etwas Transcendentes vorstellen
könne. Wir haben oben (§. 254-259.) durch eine
solche Verwandlung den Begriff des Termini infiniti
herausgebracht. Man sehe auch (Semiot. §. 224.
228. 273.).

§. 302.

Die metaphysische Wahrheit bezieht sich auf die
Möglichkeit zu existiren (§. 297.), und ein Ding ist
ein wahres Ding, so fern es existiren kann. Dazu
gehöret nun allerdings etwas mehr, als die bloße
Gedenkbarkeit, und man kann sich hiebey verschie-
dene Fragen vorlegen, welche überhaupt die Verhält-
nisse der logischen und metaphysischen Wahrheit be-
treffen. Einmal wissen wir, daß A und Nicht - A
zugleich sich nicht gedenken läßt, und wir sprechen
demselben ebenfalls ohne Bedenken die Möglichkeit
zu existiren ab. Das Nicht widersprechen ist dem-
nach in so ferne die gemeinsame Gränzlinie, welche

das
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und das Nicht wahr ſeyn.
mehrern und ſehr verſchiedenen Subjecten gebraucht
werden kann. Denn ſo wird man alles, was uͤber
unſere Sinnen, und ſo auch alles, was uͤber unſere
Begriffe hinweggeſetzet, an ſich aber doch wahr und
real iſt, tranſcendent nennen koͤnnen. Und ſo wurde
allem Anſehen nach von den Metaphyſikern die ſo ge-
nannte metaphyſiſche Einheit, Wahrheit und
Guͤte der Dinge
tranſcendent genennet. Wir ha-
ben aber hier naͤhere Gruͤnde angegeben, warum das
Wahre in den Dingen tranſcendent genennet wer-
den koͤnne, indem wir anzeigten, wie es von den
Saͤtzen und Begriffen auf die Dinge ſelbſt transferirt
wird. Die ſymboliſche Erklaͤrung, die wir ebenfalls
davon gegeben haben (§. 293. 297.), zeiget an, daß
jede Verwandlung eines Aduerbii in ein Adiectiuum
in der Sache ſelbſt etwas Tranſcendentes vorſtellen
koͤnne. Wir haben oben (§. 254-259.) durch eine
ſolche Verwandlung den Begriff des Termini infiniti
herausgebracht. Man ſehe auch (Semiot. §. 224.
228. 273.).

§. 302.

Die metaphyſiſche Wahrheit bezieht ſich auf die
Moͤglichkeit zu exiſtiren (§. 297.), und ein Ding iſt
ein wahres Ding, ſo fern es exiſtiren kann. Dazu
gehoͤret nun allerdings etwas mehr, als die bloße
Gedenkbarkeit, und man kann ſich hiebey verſchie-
dene Fragen vorlegen, welche uͤberhaupt die Verhaͤlt-
niſſe der logiſchen und metaphyſiſchen Wahrheit be-
treffen. Einmal wiſſen wir, daß A und NichtA
zugleich ſich nicht gedenken laͤßt, und wir ſprechen
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das
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[293/0329] und das Nicht wahr ſeyn. mehrern und ſehr verſchiedenen Subjecten gebraucht werden kann. Denn ſo wird man alles, was uͤber unſere Sinnen, und ſo auch alles, was uͤber unſere Begriffe hinweggeſetzet, an ſich aber doch wahr und real iſt, tranſcendent nennen koͤnnen. Und ſo wurde allem Anſehen nach von den Metaphyſikern die ſo ge- nannte metaphyſiſche Einheit, Wahrheit und Guͤte der Dinge tranſcendent genennet. Wir ha- ben aber hier naͤhere Gruͤnde angegeben, warum das Wahre in den Dingen tranſcendent genennet wer- den koͤnne, indem wir anzeigten, wie es von den Saͤtzen und Begriffen auf die Dinge ſelbſt transferirt wird. Die ſymboliſche Erklaͤrung, die wir ebenfalls davon gegeben haben (§. 293. 297.), zeiget an, daß jede Verwandlung eines Aduerbii in ein Adiectiuum in der Sache ſelbſt etwas Tranſcendentes vorſtellen koͤnne. Wir haben oben (§. 254-259.) durch eine ſolche Verwandlung den Begriff des Termini infiniti herausgebracht. Man ſehe auch (Semiot. §. 224. 228. 273.). §. 302. Die metaphyſiſche Wahrheit bezieht ſich auf die Moͤglichkeit zu exiſtiren (§. 297.), und ein Ding iſt ein wahres Ding, ſo fern es exiſtiren kann. Dazu gehoͤret nun allerdings etwas mehr, als die bloße Gedenkbarkeit, und man kann ſich hiebey verſchie- dene Fragen vorlegen, welche uͤberhaupt die Verhaͤlt- niſſe der logiſchen und metaphyſiſchen Wahrheit be- treffen. Einmal wiſſen wir, daß A und Nicht ‒ A zugleich ſich nicht gedenken laͤßt, und wir ſprechen demſelben ebenfalls ohne Bedenken die Moͤglichkeit zu exiſtiren ab. Das Nicht widerſprechen iſt dem- nach in ſo ferne die gemeinſame Graͤnzlinie, welche das T 3

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/329>, abgerufen am 29.03.2024.