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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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Das Vor seyn und das Nach seyn.
durchaus oder absolute blind genennet, weil sich we-
gen des absoluten Wegseyns aller Gründe schlechthin
nichts voraussehen läßt. Und auf gleiche Art wird
es Casus purus, pur Hazard, genennet, weil keine
verborgene, oder nur uns unbekannte, und so auch
keine andere Gründe als die, so unseres Wissens nicht
darinn sind, dabey vorkommen, oder das Aufeinan-
derfolgen bestimmen.

§. 312.

Da aber die symbolische Möglichkeit weiter reicht,
als das Gedenkbare und Wahre (§. 288. 295.), so
kömmt hiebey allerdings die Frage vor, ob die Wör-
ter, durchaus blinder Zufall, Casus purus etc. einen
durchaus gedenkbaren oder durchaus wahren Begriff
vorstellen? Soll diese Frage entschieden werden, so
müssen wir entweder diesen Begriff entwickeln,
und finden wir Widersprüche darinn, so wird
er umgestoßen, oder wir müssen aus den ein-
fachen Begriffen, ihren Grundsätzen und For-
derungen entweder diesen Begriff und seine
Entstehensart, oder die Entstehensart des Ge-
gentheils beweisen, und so wird entweder der
Begriff oder sein Gegentheil feste gesetzet.
Die-
ses ist die logische Auflösung der fürgelegten Frage,
und zugleich die Vorzählung der Arten der Auflösung.
Denn wenn wir keine Widersprüche in einem zusam-
mengesetzten symbolischen Ausdrucke finden, so folget
noch nicht, daß keine darinn seyn, (§. 19.). Demnach
geht die erste Auflösung nur an, wenn nicht nur wirk-
lich Widersprüche darinn sind, sondern wenn wir sie
finden. Finden wir aber keine, so müssen wir den
Begriff nicht analysiren (§. 7.), sondern sehen, ob ent-
weder der Begriff oder sein Gegentheil sich aus ein-

fachen

Das Vor ſeyn und das Nach ſeyn.
durchaus oder abſolute blind genennet, weil ſich we-
gen des abſoluten Wegſeyns aller Gruͤnde ſchlechthin
nichts vorausſehen laͤßt. Und auf gleiche Art wird
es Caſus purus, pur Hazard, genennet, weil keine
verborgene, oder nur uns unbekannte, und ſo auch
keine andere Gruͤnde als die, ſo unſeres Wiſſens nicht
darinn ſind, dabey vorkommen, oder das Aufeinan-
derfolgen beſtimmen.

§. 312.

Da aber die ſymboliſche Moͤglichkeit weiter reicht,
als das Gedenkbare und Wahre (§. 288. 295.), ſo
koͤmmt hiebey allerdings die Frage vor, ob die Woͤr-
ter, durchaus blinder Zufall, Caſus purus ꝛc. einen
durchaus gedenkbaren oder durchaus wahren Begriff
vorſtellen? Soll dieſe Frage entſchieden werden, ſo
muͤſſen wir entweder dieſen Begriff entwickeln,
und finden wir Widerſpruͤche darinn, ſo wird
er umgeſtoßen, oder wir muͤſſen aus den ein-
fachen Begriffen, ihren Grundſaͤtzen und For-
derungen entweder dieſen Begriff und ſeine
Entſtehensart, oder die Entſtehensart des Ge-
gentheils beweiſen, und ſo wird entweder der
Begriff oder ſein Gegentheil feſte geſetzet.
Die-
ſes iſt die logiſche Aufloͤſung der fuͤrgelegten Frage,
und zugleich die Vorzaͤhlung der Arten der Aufloͤſung.
Denn wenn wir keine Widerſpruͤche in einem zuſam-
mengeſetzten ſymboliſchen Ausdrucke finden, ſo folget
noch nicht, daß keine darinn ſeyn, (§. 19.). Demnach
geht die erſte Aufloͤſung nur an, wenn nicht nur wirk-
lich Widerſpruͤche darinn ſind, ſondern wenn wir ſie
finden. Finden wir aber keine, ſo muͤſſen wir den
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weder der Begriff oder ſein Gegentheil ſich aus ein-

fachen
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[303/0339] Das Vor ſeyn und das Nach ſeyn. durchaus oder abſolute blind genennet, weil ſich we- gen des abſoluten Wegſeyns aller Gruͤnde ſchlechthin nichts vorausſehen laͤßt. Und auf gleiche Art wird es Caſus purus, pur Hazard, genennet, weil keine verborgene, oder nur uns unbekannte, und ſo auch keine andere Gruͤnde als die, ſo unſeres Wiſſens nicht darinn ſind, dabey vorkommen, oder das Aufeinan- derfolgen beſtimmen. §. 312. Da aber die ſymboliſche Moͤglichkeit weiter reicht, als das Gedenkbare und Wahre (§. 288. 295.), ſo koͤmmt hiebey allerdings die Frage vor, ob die Woͤr- ter, durchaus blinder Zufall, Caſus purus ꝛc. einen durchaus gedenkbaren oder durchaus wahren Begriff vorſtellen? Soll dieſe Frage entſchieden werden, ſo muͤſſen wir entweder dieſen Begriff entwickeln, und finden wir Widerſpruͤche darinn, ſo wird er umgeſtoßen, oder wir muͤſſen aus den ein- fachen Begriffen, ihren Grundſaͤtzen und For- derungen entweder dieſen Begriff und ſeine Entſtehensart, oder die Entſtehensart des Ge- gentheils beweiſen, und ſo wird entweder der Begriff oder ſein Gegentheil feſte geſetzet. Die- ſes iſt die logiſche Aufloͤſung der fuͤrgelegten Frage, und zugleich die Vorzaͤhlung der Arten der Aufloͤſung. Denn wenn wir keine Widerſpruͤche in einem zuſam- mengeſetzten ſymboliſchen Ausdrucke finden, ſo folget noch nicht, daß keine darinn ſeyn, (§. 19.). Demnach geht die erſte Aufloͤſung nur an, wenn nicht nur wirk- lich Widerſpruͤche darinn ſind, ſondern wenn wir ſie finden. Finden wir aber keine, ſo muͤſſen wir den Begriff nicht analyſiren (§. 7.), ſondern ſehen, ob ent- weder der Begriff oder ſein Gegentheil ſich aus ein- fachen

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 303. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/339>, abgerufen am 16.04.2024.