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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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I. Hauptstück. Erfordernisse
es ist; alles Wirkliche ist an sich möglich etc.
und so auch die Fragen: Was? wie? warum?
ob?
etc. als eben so viele Beyspiele hieher rechnen.

§. 2.

Aristoteles, welcher sich damit beschäfftigte, die
einzeln Theile der menschlichen Erkenntniß, so gut
er nach der damaligen Zeit konnte, in eine wissen-
schaftliche Form zu bringen, bemerkte diese Allge-
meinheit
einiger Begriffe, Sätze und Fragen, und
suchte sie besonders heraus zu nehmen, und sie in ei-
nem Lehrgebäude vorzutragen, welches er, oder schon
einer seiner Vorgänger, Metaphysic nennete. Die-
sen Namen hat das Lehrgebäude bisher behalten, un-
geachtet es theils der Form nach zuweilen Aenderun-
gen gelitten, theils mit einigen Stücken vermehret
worden.

§. 3.

Die allgemeine Anwendbarkeit eines solchen Lehr-
gebäudes schien viele Vortheile zu versprechen. Es
sollte die ersten Gründe der gesammten menschlichen
Erkenntniß enthalten, und was darinn ein für alle-
mal ausgemacht und festgesetzt war, das durfte nicht
mehr in jedem vorkommenden Falle aufs neue aus-
gemacht, sondern schlechthin nur angewandt werden.
So sind die Vorzüge der Algeber und Meßkunst, und
so sollten auch die Vorzüge der Metaphysic seyn.

§. 4.

Aristoteles scheint unstreitig diese Absicht gehabt
zu haben. Die ersten Schritte sind immer schwer,
und man kann ihm zum Ruhme nachsagen, daß er
die Bahn eröffnet, das Eis gebrochen habe. Seine

Nach-

I. Hauptſtuͤck. Erforderniſſe
es iſt; alles Wirkliche iſt an ſich moͤglich ꝛc.
und ſo auch die Fragen: Was? wie? warum?
ob?
ꝛc. als eben ſo viele Beyſpiele hieher rechnen.

§. 2.

Ariſtoteles, welcher ſich damit beſchaͤfftigte, die
einzeln Theile der menſchlichen Erkenntniß, ſo gut
er nach der damaligen Zeit konnte, in eine wiſſen-
ſchaftliche Form zu bringen, bemerkte dieſe Allge-
meinheit
einiger Begriffe, Saͤtze und Fragen, und
ſuchte ſie beſonders heraus zu nehmen, und ſie in ei-
nem Lehrgebaͤude vorzutragen, welches er, oder ſchon
einer ſeiner Vorgaͤnger, Metaphyſic nennete. Die-
ſen Namen hat das Lehrgebaͤude bisher behalten, un-
geachtet es theils der Form nach zuweilen Aenderun-
gen gelitten, theils mit einigen Stuͤcken vermehret
worden.

§. 3.

Die allgemeine Anwendbarkeit eines ſolchen Lehr-
gebaͤudes ſchien viele Vortheile zu verſprechen. Es
ſollte die erſten Gruͤnde der geſammten menſchlichen
Erkenntniß enthalten, und was darinn ein fuͤr alle-
mal ausgemacht und feſtgeſetzt war, das durfte nicht
mehr in jedem vorkommenden Falle aufs neue aus-
gemacht, ſondern ſchlechthin nur angewandt werden.
So ſind die Vorzuͤge der Algeber und Meßkunſt, und
ſo ſollten auch die Vorzuͤge der Metaphyſic ſeyn.

§. 4.

Ariſtoteles ſcheint unſtreitig dieſe Abſicht gehabt
zu haben. Die erſten Schritte ſind immer ſchwer,
und man kann ihm zum Ruhme nachſagen, daß er
die Bahn eroͤffnet, das Eis gebrochen habe. Seine

Nach-
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[2/0038] I. Hauptſtuͤck. Erforderniſſe es iſt; alles Wirkliche iſt an ſich moͤglich ꝛc. und ſo auch die Fragen: Was? wie? warum? ob? ꝛc. als eben ſo viele Beyſpiele hieher rechnen. §. 2. Ariſtoteles, welcher ſich damit beſchaͤfftigte, die einzeln Theile der menſchlichen Erkenntniß, ſo gut er nach der damaligen Zeit konnte, in eine wiſſen- ſchaftliche Form zu bringen, bemerkte dieſe Allge- meinheit einiger Begriffe, Saͤtze und Fragen, und ſuchte ſie beſonders heraus zu nehmen, und ſie in ei- nem Lehrgebaͤude vorzutragen, welches er, oder ſchon einer ſeiner Vorgaͤnger, Metaphyſic nennete. Die- ſen Namen hat das Lehrgebaͤude bisher behalten, un- geachtet es theils der Form nach zuweilen Aenderun- gen gelitten, theils mit einigen Stuͤcken vermehret worden. §. 3. Die allgemeine Anwendbarkeit eines ſolchen Lehr- gebaͤudes ſchien viele Vortheile zu verſprechen. Es ſollte die erſten Gruͤnde der geſammten menſchlichen Erkenntniß enthalten, und was darinn ein fuͤr alle- mal ausgemacht und feſtgeſetzt war, das durfte nicht mehr in jedem vorkommenden Falle aufs neue aus- gemacht, ſondern ſchlechthin nur angewandt werden. So ſind die Vorzuͤge der Algeber und Meßkunſt, und ſo ſollten auch die Vorzuͤge der Metaphyſic ſeyn. §. 4. Ariſtoteles ſcheint unſtreitig dieſe Abſicht gehabt zu haben. Die erſten Schritte ſind immer ſchwer, und man kann ihm zum Ruhme nachſagen, daß er die Bahn eroͤffnet, das Eis gebrochen habe. Seine Nach-

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/38>, abgerufen am 19.04.2024.