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Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771.

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Das Volle und das Durchgängige.
Band der Vollkommenheit nennen können, mit
einander verbunden seyn. Dieses Ganze ist nun,
wenn es vollkommen heißen soll, nicht nur ein Gan-
zes, weil die Theile desselben zusammen gehören oder
beysammen sind, sondern weil darinn solche Theile
und dergestalt mit einander verbunden sind, daß
mehr oder minder dabey alles verderben würde,

(§. 352. 355.). Ein solches Ganzes ist der Weltbau,
und die metaphysische Vollkommenheit (§. 358.) setzet
ebenfalls solche Ganze schlechterdings voraus, weil
die Möglichkeit zu existiren dabey zum Grunde liegt.
So fern wir nun solche Ganze, sowohl in der Natur
als in der Kunst übersehen, und jede Theile durch-
gehen können, so ferne sind wir auch mehr gewöhnt,
über die Stufen ihrer Vollkommenheit zu urtheilen,
und wir thun es besonders in Absicht auf die Geschick-
lichkeit der Menschen, in Absicht auf ihre durch Uebung
erlangte Fertigkeiten, und moralische Eigenschaften etc.
und so auch bey Lehrgebäuden, Entwürfen, Maschi-
nen, Jnstrumenten etc.

§. 369.

Jn den Dingen der Natur läßt sich das Maximum,
so dabey vorkömmt, nicht immer leicht a posteriori
bestimmen, weil man, an sich betrachtet, bald jede
Größe als ein Maximum ansehen oder sie in solche
Verhältnisse bringen kann, daß sie bey einem Maximo
oder Minimo vorkomme. Wir wollen dieses durch
ein Beyspiel aus der Meßkunst erläutern. Man weiß,
daß die Gleichung x3 - aab = 0 die eine von den zwo
mittlern Proportionalgrößen zwischen a und b vorstellet.
Wir wollen diese Gleichung so verwandeln, daß sie in
irgend einer einfachen Figur bey einem Maximo oder
Minimo vorkomme. Man multiplicire sie demnach,

um

Das Volle und das Durchgaͤngige.
Band der Vollkommenheit nennen koͤnnen, mit
einander verbunden ſeyn. Dieſes Ganze iſt nun,
wenn es vollkommen heißen ſoll, nicht nur ein Gan-
zes, weil die Theile deſſelben zuſammen gehoͤren oder
beyſammen ſind, ſondern weil darinn ſolche Theile
und dergeſtalt mit einander verbunden ſind, daß
mehr oder minder dabey alles verderben wuͤrde,

(§. 352. 355.). Ein ſolches Ganzes iſt der Weltbau,
und die metaphyſiſche Vollkommenheit (§. 358.) ſetzet
ebenfalls ſolche Ganze ſchlechterdings voraus, weil
die Moͤglichkeit zu exiſtiren dabey zum Grunde liegt.
So fern wir nun ſolche Ganze, ſowohl in der Natur
als in der Kunſt uͤberſehen, und jede Theile durch-
gehen koͤnnen, ſo ferne ſind wir auch mehr gewoͤhnt,
uͤber die Stufen ihrer Vollkommenheit zu urtheilen,
und wir thun es beſonders in Abſicht auf die Geſchick-
lichkeit der Menſchen, in Abſicht auf ihre durch Uebung
erlangte Fertigkeiten, und moraliſche Eigenſchaften ꝛc.
und ſo auch bey Lehrgebaͤuden, Entwuͤrfen, Maſchi-
nen, Jnſtrumenten ꝛc.

§. 369.

Jn den Dingen der Natur laͤßt ſich das Maximum,
ſo dabey vorkoͤmmt, nicht immer leicht a poſteriori
beſtimmen, weil man, an ſich betrachtet, bald jede
Groͤße als ein Maximum anſehen oder ſie in ſolche
Verhaͤltniſſe bringen kann, daß ſie bey einem Maximo
oder Minimo vorkomme. Wir wollen dieſes durch
ein Beyſpiel aus der Meßkunſt erlaͤutern. Man weiß,
daß die Gleichung x3 ‒ aab = 0 die eine von den zwo
mittlern Proportionalgroͤßen zwiſchen a und b vorſtellet.
Wir wollen dieſe Gleichung ſo verwandeln, daß ſie in
irgend einer einfachen Figur bey einem Maximo oder
Minimo vorkomme. Man multiplicire ſie demnach,

um
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[363/0399] Das Volle und das Durchgaͤngige. Band der Vollkommenheit nennen koͤnnen, mit einander verbunden ſeyn. Dieſes Ganze iſt nun, wenn es vollkommen heißen ſoll, nicht nur ein Gan- zes, weil die Theile deſſelben zuſammen gehoͤren oder beyſammen ſind, ſondern weil darinn ſolche Theile und dergeſtalt mit einander verbunden ſind, daß mehr oder minder dabey alles verderben wuͤrde, (§. 352. 355.). Ein ſolches Ganzes iſt der Weltbau, und die metaphyſiſche Vollkommenheit (§. 358.) ſetzet ebenfalls ſolche Ganze ſchlechterdings voraus, weil die Moͤglichkeit zu exiſtiren dabey zum Grunde liegt. So fern wir nun ſolche Ganze, ſowohl in der Natur als in der Kunſt uͤberſehen, und jede Theile durch- gehen koͤnnen, ſo ferne ſind wir auch mehr gewoͤhnt, uͤber die Stufen ihrer Vollkommenheit zu urtheilen, und wir thun es beſonders in Abſicht auf die Geſchick- lichkeit der Menſchen, in Abſicht auf ihre durch Uebung erlangte Fertigkeiten, und moraliſche Eigenſchaften ꝛc. und ſo auch bey Lehrgebaͤuden, Entwuͤrfen, Maſchi- nen, Jnſtrumenten ꝛc. §. 369. Jn den Dingen der Natur laͤßt ſich das Maximum, ſo dabey vorkoͤmmt, nicht immer leicht a poſteriori beſtimmen, weil man, an ſich betrachtet, bald jede Groͤße als ein Maximum anſehen oder ſie in ſolche Verhaͤltniſſe bringen kann, daß ſie bey einem Maximo oder Minimo vorkomme. Wir wollen dieſes durch ein Beyſpiel aus der Meßkunſt erlaͤutern. Man weiß, daß die Gleichung x3 ‒ aab = 0 die eine von den zwo mittlern Proportionalgroͤßen zwiſchen a und b vorſtellet. Wir wollen dieſe Gleichung ſo verwandeln, daß ſie in irgend einer einfachen Figur bey einem Maximo oder Minimo vorkomme. Man multiplicire ſie demnach, um

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Zitationshilfe: Lambert, Johann Heinrich: Anlage zur Architectonic. Bd. 1. Riga, 1771, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lambert_architectonic01_1771/399>, abgerufen am 28.03.2024.